Studiert man die Zutatenliste von Fertig-Milchkaffee, stösst man oft auf den Begriff «Milchmischgetränk». Die Bezeichnung ist zutreffend, denn viele Fertigprodukte enthalten zwischen 70 und 90 Prozent Kuhmilch. Im «Grande Caffè Macchiato» der Migros sind es laut Deklaration gar 95 Prozent. Dann folgt auf der Zutatenliste «Zucker» – und erst danach «Kaffee». Milch, Zucker und wenig Kaffee – fertig ist die Kalorienbombe.
Viele Kalorien in kürzester Zeit ohne Sättigungsgefühl
Die Laborergebnisse zu 15 Fertig-Milchkaffees im aktuellen Test von saldo und dem «Kassensturz» bestätigen das Bild. Wer zum Beispiel einen Becher «Latte Macchiato» von Denner oder vom Kiosk (Ok.) trinkt, schluckt mehr als 10 Gramm Fett und rund 27 Gramm Zucker. Zum Vergleich: Ein 40 Gramm schwerer Buttergipfel enthält nur rund 8 Gramm Fett. Eine 2,5-Deziliter-Dose des Energydrinks Red Bull oder ein Glas Coca-Cola enthalten gleich viel Zucker wie diese Fertigkaffees.
Getränke mit so hohen Fett- und Zuckergehalten sind problematisch für die Gesundheit. Man trinkt sie in der Regel rasch und nimmt deshalb sehr schnell viele Kalorien zu sich, ohne dass sich ein Sättigungsgefühl einstellt. Der Konsum eines Fertigkaffees entspricht dem eines Desserts.
Speziell der für den Körper schnell verfügbare freie Zucker in flüssiger Form lässt den Blutzuckerspiegel rasch ansteigen. Gemäss der Weltgesundheitsorganisation und anderen Gesundheitsinstitutionen besteht ein Zusammenhang zwischen erheblichem Konsum von freiem Zucker und erhöhtem Risiko für Zahnkaries, Übergewicht, Adipositas und Herzerkrankungen.
Pflanzliche Kaffeedrinks sind kalorienärmer
Neben dem Gesamtzuckergehalt hat saldo auch den Gehalt an schnell verfügbarem Zucker bewertet. Dazu zählen unter anderem die Zuckerarten Fructose, Saccharose und Glucose. Resultat: Sieben Fertig-Milchkaffees enthielten pro Becher 11 bis 15 Gramm schnell verfügbaren Zucker. Diese Mengen entsprechen drei bis vier Stück Würfelzucker. Da man jeden Tag aus verschiedenen Lebensmitteln Zucker zu sich nimmt, hat saldo Milchkaffees mit solchen Mengen an freiem Zucker streng bewertet.
Der Milchzucker Laktose wurde bei der Bewertung des schnell verfügbaren Zuckers nicht mitgerechnet. Milchzucker erhöht zwar den Gesamtkaloriengehalt, die Laktose wird aber mit der Milch nur langsam verdaut. Laut der deutschen Gesellschaft für Ernährung besteht kein wissenschaftlich gesicherter Zusammenhang zwischen natürlicherweise vorkommender Laktose in Milch und negativen Effekten wie etwa Fettleibigkeit.
Wer eine kalorienärmere Alternative zu den Produkten aus Kuhmilch sucht, wird bei den Kaffeedrinks auf pflanzlicher Basis von Emmi, Alpro und Alnatura fündig. Sie enthalten deutlich weniger Fett und Gesamtzucker als die meisten Produkte auf Kuhmilchbasis.
Über die Hälfte der Produkte enthält wenig Koffein
Ein klassischer Milchkaffee besteht laut dem «Kaffee-Lexikon» des Bohnenherstellers Tchibo zur Hälfte aus kräftigem Kaffee und Milch. Also müssten die Fertig-Milchkaffees auch eine ordentliche Portion Koffein enthalten. Der Test zeigt aber, dass in vielen Bechern mit zwei bis drei Dezilitern Inhalt nicht einmal so viel Koffein enthalten ist wie in 6 Zentilitern Espresso. Diese Kaffeemenge müsste laut der europäischen Lebensmittelbehörde Efsa rund 80 Milligramm Koffein liefern.
In acht der geprüften Milchkaffeebecher steckten aber nur 30 bis 70 Milligramm Koffein. Wer ein Kaffeegetränk kauft, erwartet einen entsprechenden Koffeingehalt. Die zwei Produkte mit dem höchsten Koffeingehalt im Test lieferten 110 bis 120 Milligramm Koffein pro Becher. Zum Vergleich: Eine 2,5-Deziliter-Dose Red Bull enthält 80 Milligramm Koffein, in zweieinhalb Dezilitern Coca-Cola stecken rund 28 Milligramm.
Die europäische Lebensmittelbehörde hält Einzeldosen von maximal 200 Milligramm Koffein für gesunde Erwachsene und Jugendliche für unproblematisch. Sie bauen Koffein ähnlich schnell ab. Auf den Tag verteilt gelten insgesamt 400 Milligramm Koffein als unbedenklich. Für Schwangere und Kinder sind Getränke mit erhöhtem Koffeingehalt grundsätzlich aber nicht geeignet.
Einige Hersteller verteidigen ihre Becherkaffees. Lidl schreibt, dass der erhöhte Fettgehalt von der mit Rahm angereicherten Milch im Produkt stamme. Das ergebe einen vollmundigen Geschmack, der bei den Kunden gut ankomme.
Ähnlich argumentiert die Firma Innoprax. Sie produziert die Produkte Latesso, Denner und die Kiosk-Marke Ok. Man mische Rahm in den Milchkaffee, um den Geschmack zu verbessern. Innoprax sagt, dass man dafür im Gegensatz zur Konkurrenz keine künstlichen Verdickungs- und Bindemittel wie Carrageen und Phosphate einsetze. saldo hat den Carrageen-Gehalt aller 15 Fertig-Milchkaffees messen lassen. Kein Produkt enthielt den Stoff. Auch erhöhte nierenschädliche Phosphatgehalte oder das giftige Schwermetall Cadmium konnten nicht nachgewiesen werden.
Emmi schreibt saldo zum Thema Zusatzstoffe, zurzeit würden die Rezepturen geändert: «Ab November bestehen alle Emmi-‹Caffè Latte›-Produkte nur noch aus natürlichen Inhaltsstoffen.» Zur Kritik an den hohen Fett- und Zuckergehalten der geprüften Produkte sagen Emmi und Innoprax, sie würden auch kalorienärmere Kaffeegetränke anbieten.
So wurde getestet
Im Auftrag von saldo und «Kassensturz» untersuchten zwei deutsche Lebensmittellabors total 15 Fertig-Milchkaffees im Becher auf ihre Inhaltsstoffe. Sie erhoben, wie viel Fett und Zucker in den Getränken steckt und ob potenziell schädliche Binde- und Verdickungsmittel wie Carrageen und Phosphate in grösseren Mengen vorhanden sind. Ebenfalls analysierten sie den Cadmium-Gehalt. Das Schwermetall kann über die Kaffeebohnen oder die Milch in die Getränke gelangen und Nieren und Knochen schädigen. Es liess sich in keinem Produkt nachweisen.