Teure Produkte - angeschmierte Kundschaft
saldo testete 16 Lippenpomaden. Das Resultat: Preis und Leistung stehen in keinem Verhältnis. Gerade bei teuren Produkten landet ein Teil des Stifts ungenutzt im Abfall.
Inhalt
saldo 2/2003
05.02.2003
Sigrid Cariola
Vor allem im Winter gehören Lippen-Pflegestifte zu den ständigen Begleitern. Frostige Temperaturen und trockene Heizungsluft lassen die Lippen spröde und rissig werden.
Über fünf Millionen Fettstifte werden in der Schweiz jedes Jahr verkauft. 70 Prozent davon stammen aus dem Hause Beiersdorf, deren Marke Labello zum Synonym für Lippenpflege geworden ist.
Positiv: Keine chlororganischen Verbindungen
In Supermärkten, Drogerien und Apothek...
Vor allem im Winter gehören Lippen-Pflegestifte zu den ständigen Begleitern. Frostige Temperaturen und trockene Heizungsluft lassen die Lippen spröde und rissig werden.
Über fünf Millionen Fettstifte werden in der Schweiz jedes Jahr verkauft. 70 Prozent davon stammen aus dem Hause Beiersdorf, deren Marke Labello zum Synonym für Lippenpflege geworden ist.
Positiv: Keine chlororganischen Verbindungen
In Supermärkten, Drogerien und Apotheken werden jedoch mehr als 20 verschiedene Marken angeboten. saldo hat 16 populäre Stifte auf Rückstände gesundheits- und umweltschädigender chlororganischer Verbindungen und auf ihr Preis-Leistungs-Verhältnis getestet. Das Ergebnis der Laboruntersuchung ist erfreulich: Kein Produkt enthält chlororganische Verbindungen. Und in den fünf Stiften, auf denen Vitamin E als Zusatz extra hervorgehoben ist, findet sich auch Vitamin E. Es sind dies Labello Classic und Sun sowie die Produkte von Margret Astor, Bodyshop und Roche. Ausser bei den Stiften von Bodyshop und Roche ist der Anteil aber sehr gering: 5 Milligramm oder weniger pro Gramm. Vitamin E soll beruhigend und glättend auf die Haut wirken.
Die Preisdifferenzen zwischen den einzelnen Stiften sind enorm. Das günstigste Produkt kostet Fr. 1.65, das teuerste 24 Franken. «Mit den verschiedenen Inhaltsstoffen und Rezepturen lassen sich solche Unterschiede nicht erklären», sagt ein Schweizer Hersteller, der im Auftrag verschiedener Firmen produziert und deshalb nicht genannt werden will. «Die Ausgaben für die Rohstoffe bewegen sich zwischen 8 und 20 Rappen.» Was wirklich zu Buche schlage, seien die Kosten für die Vermarktung und Verpackung.
Pflanzliche wie künstliche Fette schützen vor Kälte
Tatsächlich geben die teureren Stifte optisch mehr her. Ärgerlich ist aber, dass gerade bei ihnen ein erheblicher Teil ungenutzt in der Hülse verbleibt. Wer stochert schon mit Pinsel oder Finger im Fett herum? Hier kommen die Stifte von Roche, Yves Rocher und Elizabeth Arden nur mit den Noten «ungenügend» oder «schlecht» weg. Den Rekord in Sachen Verschwendung stellt Elizabeth Arden auf: 40 Prozent landen im Abfalleimer.
Zehn der 16 Pflegestifte bestehen hauptsächlich aus Erdölderivaten, einem billigen Rohstoff, der sich leicht verarbeiten lässt. «Das schlechte Image dieser Substanzen ist nicht gerechtfertigt», sagt Andreas Hensel von der Abteilung Pharmatechnik der Hochschule Wädenswil ZH. «Sie haben positive dermatologische Eigenschaften und bergen weder Allergie- noch sonstige gesundheitliche Risiken.»
Tatsächlich geben Paraffine einen guten Kälteschutz. Nachteil: Sie legen sich wie ein dichter Film über die Haut und verhindern, dass diese atmet. Bei den Pflegestiften aus Naturwachsen und -ölen ist vor allem die Konsistenz das Problem. Sie sind anfälliger auf Temperaturschwankungen.
Yves Rocher: Keine Angaben über die Inhaltsstoffe
Neben dem Preis-Leistungs-Verhältnis nahm saldo auch die Deklaration der Stifte unter die Lupe. Das Resultat: Bei drei Produkten fehlt die Mengenangabe (Roche, Tanner, Ultrasun), beim Yves-Rocher-Stift sogar die Inhalts-angabe. Kunden müssen sich mit der Information «100 % vegetal» begnügen. Sabine Fesenmayr, Öffentlichkeits-beauftragte von Yves Rocher: «In jeder Filiale liegt ein Ordner auf, der die Inhaltsstoffe des Stifts auflistet.» Hier wird der Konsument zum Detektiv.
Unklarheiten gibt es auch bei den Sonnenschutzfiltern. So enthalten Labello Hydro Care und der PL 3 zwar Filtersubstanzen, doch welchen Schutz sie bieten, bleibt im Dunkeln. Dabei sind gerade die Filtersubstanzen nicht ganz unproblematisch. Über Oxybenzon (Benzophenon-3) ist bekannt, dass es zu allergischen Reaktionen führen kann. «Produkte, die mehr als 0,5 Prozent Oxybenzon enthalten, müssen einen entsprechenden Warnhinweis tragen», sagt Michel Donat vom Bundesamt für Gesundheit.
Untersuchungen des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Zürich haben den Verdacht aufgeworfen, dass verschiedene Filter auf das Hormonsystem wirken, darunter neben Oxybenzon auch Octyl-Methoxycinnamate (OMC) und 4-Methylbenzylidene Camphor (4-MBC).
«Für 4-MBC ist die Hormonaktivität jetzt gut belegt», versichert Margrit Schlumpf, die die Uni-Versuchsreihen leitet. Labello Sun ist der einzige Stift mit hohem Schutzfaktor, der ohne einen dieser drei problematischen Filter auskommt. Schlumpf warnt jedoch davor, diesem Produkt einen Persilschein auszustellen. «Das wäre voreilig. Über die anderen Filter wissen wir noch viel zu wenig. Bislang sind die Firmen nicht verpflichtet, Testreihen über die Hormonaktivität der verwendeten Substanzen vorzulegen.»
Pflegestifte mit Lichtschutzfaktor im Alltag unnötig
Da saldo die Herstellerangaben über die Filter nicht durch ein unabhängiges Labor überprüfen liess, wurde dieser Aspekt nicht bewertet. Grundsätzlich gilt für die Filter jedoch folgende Faustregel: Je höher der Schutz-faktor, desto höher der Anteil an Filtersubstanz. Es empfiehlt sich also, einen Stift mit hohem Lichtschutzfaktor nur dann zu verwenden, wenn man sich auch tatsächlich der Sonne aussetzt. Eine leichte Filterwirkung mit Faktor 4 lässt sich übrigens auch mit natürlichen Substanzen erzielen, wie das Weleda-Produkt zeigt. Für Schmuddelwetter und Regentage ist das mehr als ausreichend.