Das von saldo beauftragte Labor fand in allen zwölf Lippenstiften Titandioxid. Der Farbstoff ist in Lebensmitteln in der Schweiz und der EU verboten. Grund: Er schädigt möglicherweise das Erbgut. Zu diesem Schluss kam die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit vor zwei Jahren. In Lippenstiften ist Titandioxid jedoch erlaubt – obwohl Benutzerinnen laut der EU-Kommission täglich durchschnittlich 57 Milligramm des aufgetragenen Lippenstifts schlucken. In einem Jahr macht das die Menge von fünf bis sieben ganzen Lippenstiften aus, die eingenommen werden. Und damit viel Titandioxid: Die Produkte von Catrice und Maybelline bestanden zu 10 Prozent aus dieser bedenklichen Substanz.
Die Hersteller setzen Titandioxid bewusst ein: Der umstrittene Stoff dient in Lippenstiften als aufhellender Farbstoff. Der Laborbericht erweckt den Eindruck, dass die Hersteller auf die Gesundheit der Konsumentinnen kaum Rücksicht nehmen.
Jeder Lippenstift enthielt nebst Titandioxid mindestens einen weiteren heiklen Stoff in erhöhter Menge. Die Experten des Labors Dr. Wirts + Partner in Hannover (D) fanden sämtliche Schadstoffe, nach denen sie suchten: Mineralölrückstände, Silikonverbindungen, allergene Duftstoffe und Schwermetalle.Fazit: Kein Lippenstift kann empfohlen werden. Sieben Produkte schnitten im saldo-Test mit der Note «genügend» ab, fünf «ungenügend». Selbst der Bio-Lippenstift der Naturkosmetikmarke Santé erzielte kein gutes Ergebnis. Er enthielt neben Titandioxid auch allergene Duftstoffe. Diese sind in Lippenstiften unnötig.
Immerhin: Das Produkt von Santé kommt als einziger Lippenstift im Test ohne den Einsatz von aus Erdöl gewonnenen Kohlenwasserstoffen aus. Hersteller verwenden Mineralöl, weil es eine dünne, wasserabweisende Schicht auf den Lippen bildet und so Schutz und Glanz verleiht. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit können sich insbesondere die gesättigten Mineralöle (MOSH) im menschlichen Gewebe anreichern. Die langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen sind nicht bekannt.
Das Produkt von L’Oréal Paris enthielt mit über 10 Prozent dieser Substanz besonders viele kurzkettige MOSH. Ausser dem Santé-Lippenstift wiesen alle Lippenstifte MOSH auf. Minderwertiges Mineralöl kann auch gefährliche aromatische Kohlenstoffverbindungen enthalten (MOAH). Sie können laut Efsa das genetische Zellmaterial von Menschen schädigen und Krebs auslösen. Sechs Lippenstifte enthielten MOAH: die Produkte von H & M, Maybelline, Art Deco, MAC, Yves Saint Laurent und Estée Lauder.
Gefährliche Silikonverbindungen nachgewiesen
Nebst Mineralöl wird auch gerne Silikonöl in Lippenstiften eingesetzt. Ist das künstliche Fett verunreinigt, können das giftige Siloxan D4 und das umweltschädliche D5 in die Produkte gelangen. Die Europäische Chemikalienagentur bezeichnet die Substanzen als «besonders besorgniserregende Stoffe». Sie sind in der Umwelt schwer abbaubar und giftig für Wasserlebewesen. Siloxan D4 wird zudem verdächtigt, sich im Organismus von Mensch und Tier anzureichern und die Fortpflanzung zu gefährden.
Drei der zwölf Lippenstifte enthielten Siloxane. Im Catrice-Produkt fand das Labor geringe Mengen D5. Die Produkte von L’Oréal Paris und Clinique enthielten gleich beide Siloxane. Für D4 und D5 in Lippenstiften existieren keine gesetzlichen Grenzwerte.
Fast jeder zweite Lippenstift enthielt allergene Duftstoffe: Je öfter man damit in Kontakt kommt, desto eher kommt es zu einer Kontaktallergie. Zum Schutz der Konsumentinnen müssen 26 Duftstoffe ab einer Konzentration von 10 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg) auf Lippenstiften deklariert werden. Laut dem wissenschaftlichen Ausschuss für Verbrauchersicherheit der EU können die Stoffe ab dieser Menge allergen wirken.
Schwermetalle in zwei von drei Lippenstiften gefunden
Der Maybelline-Lippenstift enthielt vier allergene Duftstoffe, darunter Linalool und Limonen. Beide sind zwar nur schwach allergen. Beim Auftragen reagieren sie jedoch mit Sauerstoff und Wärme. Dabei entstehen Substanzen, die die empfindlichen Lippen reizen können. Das Produkt enthielt zudem Cumarin: Der Stoff löste in Versuchen oft allergische Reaktionen aus. Nebst den Lippenstiften von Maybelline und Santé wiesen auch die Produkte von NYX, L’Oréal Paris und Dior allergene Duftstoffe auf.
Das Labor stiess in diversen Lippenstiften auf die Schwermetalle Nickel, Antimon und Blei. Sieben Produkte enthielten Nickel. Laut der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit sollte Kosmetik maximal 5 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg) Nickel aufweisen – der MAC-Lippenstift enthielt 6,9 mg/kg. Im gleichen Produkt steckte giftiges Antimon. Das deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz bemängelt Kosmetik mit mehr als 0,5 mg/kg Antimon. Das Dior-Produkt wies rund doppelt so viel auf, jenes von MAC gar die fünffache Menge.
Als einziges Produkt im Test enthielt der Lippenstift von H & M Blei: Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit lagert sich Blei im Körper in den Knochen, den Muskeln und im Gehirn ab und bleibt dort über Jahre hinweg gespeichert. Aus diesen Depots werde es allmählich freigesetzt, sodass die Blutkonzentration noch Jahre nach einer Bleibelastung erhöht sein könne. Das Amt schreibt, dass selbst Babys im Mutterleib Blei aufnehmen. Laut der Behörde schädigt Blei das Nervensystem. Lippenstifte sollen gemäss dem deutschen Bundesamt für Verbraucherschutz nicht mehr als 2 mg/kg Blei aufweisen – der Lippenstift von H & M enthielt 3,5 mg/kg des giftigen Schwermetalls.
Die Hersteller bezeichnen die Lippenstifte als sicher. Catrice schreibt, der von saldo geprüfte Lippenstift werde nicht mehr hergestellt.