Surfen im Internet zu immer tieferen Preisen
Die Breitband-Verbindung ins weltweite Netz wird immer billiger. Die Anbieter von ADSL liefern sich einen harten Preiskampf - zum Vorteil der Surfer.
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saldo 3/2003
19.02.2003
Martin Müller
Der Begriff «Boom» ist beinahe untertrieben: Ende 2002 surften in der Schweiz 200 000 Personen über eine ADSL-Verbindung im World Wide Web, rund fünfmal so viele wie ein Jahr zuvor. Sie schätzen die drei grossen Vorteile einer ADSL-Verbindung gegenüber dem Surfen via Analog-Leitung: Gegen eine fixe Monatsgebühr kann man bis zu fünfmal so schnell surfen - und gleichzeitig telefonieren. Weitere 150 000 Kabelnetz-Internet-Kunden surfen mit einer anderen Technologie, aber weit gehend mit den...
Der Begriff «Boom» ist beinahe untertrieben: Ende 2002 surften in der Schweiz 200 000 Personen über eine ADSL-Verbindung im World Wide Web, rund fünfmal so viele wie ein Jahr zuvor. Sie schätzen die drei grossen Vorteile einer ADSL-Verbindung gegenüber dem Surfen via Analog-Leitung: Gegen eine fixe Monatsgebühr kann man bis zu fünfmal so schnell surfen - und gleichzeitig telefonieren. Weitere 150 000 Kabelnetz-Internet-Kunden surfen mit einer anderen Technologie, aber weit gehend mit den gleichen Vorteilen.
Die grosse Nachfrage hat die Preise gehörig ins Rutschen gebracht. Beim letzten Preis-Leistungs-Vergleich (saldo 1/02) verlangte der billigste Anbieter fürs erste Jahr noch deutlich über 1000 Franken, der teuerste Provider kassierte fast 2000 Franken. Heute liegt kein einziges ADSL-Angebot für Privatanwender über der 1000-Franken-Schwelle.
Im vergangenen Weihnachtsgeschäft drehte sich die Preisspirale nach unten, ein Sonderangebot jagte das andere. Weil einige davon noch monatelang erhältlich sein werden, wurden ausnahmsweise auch Aktions-angebote berücksichtigt.
saldo verglich die Dienste der grösseren Provider, die in der ganzen Schweiz tätig sind. Berücksichtigt wurden ADSL-Angebote für Privatkunden mit der Übertragungsgeschwindigkeit 256 Kilobit (Download) respektive 64 Kilobit pro Sekunde (Upload) - ohne Daten- oder Zeitlimit. Einberechnet in die Gesamtkosten fürs erste Jahr wurde ein Analog-Modem für einen PC, und zwar die günstigere Variante von Kauf oder von zwölf Monatsmieten. Die 256/ 64-Kilobit-Angebote sind mit Abstand am beliebtesten: Je nach Provider haben sich zwischen 50 und 95 Prozent der Kundschaft für diese Lösung entschieden.
Gegenüber dem Vorjahr haben sich die Preisunterschiede zwischen den Anbietern verringert. Ein Grund dafür ist, dass die Marge gegen null tendiert. Viele Provider nutzen das ADSL-Angebot, um neue Kunden für ihre übrigen Internet- und Telefonieprodukte anzulocken. Bei einigen ist es deshalb Voraussetzung, dass man auch die normalen Telefongespräche über sie führt (siehe Tabelle, Kriterium Preselection).
Swisscom-Monopol macht ADSL zum Verlustgeschäft
Sämtliche ADSL-Anbieter müssen ihr Angebot bei der Swisscom einkaufen, die das Monopol über die «letzte Meile» besitzt, das Telefon-kabel ins Haus. Je nach Anzahl Abonnenten zahlen die Provider der Swisscom monatlich zwischen 31 und 39 Franken pro Kunde. Dazu kommen die eigenen Verbindungs- und administrativen Kosten - und trotzdem gibt es ADSL schon ab Fr. 39.90 pro Monat. Beim saldo-Testsieger Sunrise spricht Geschäftsführer Kim Frimer von einem «Verlustgeschäft», solange die Swisscom das Monopol auf der letzten Meile habe. Tiscali erklärt, dass ADSL zu einer «längerfristigen Strategie» gehöre, also nicht sofort rentieren muss.
Mit ein Grund für die fallenden Preise ist die Konkurrenz durch die Cablecom: Die grösste Schweizer Kabelnetzbetreiberin bietet eine ADSL-ebenbürtige Internet-Verbindung via Fernsehsteckdose an. Dass der Jahrespreis für «Hispeed» mit 768 Franken exakt gleich hoch ist wie bei der ADSL-Marktführerin Bluewin, dürfte kaum ein Zufall sein. Einzelne regionale Kabelnetze verlangen noch weniger als Cablecom - so etwa in Zug mit 732 Franken jährlich (mit einer auf 3,5 Gigabyte pro Monat beschränkten Datenmenge). Weil solche Angebote nur lokal verfügbar sind, wurden sie in der Tabelle nicht berücksichtigt.
Trotz des Booms sind erst 11,4 Prozent aller Schweizer Haushalte mit Breitband-Internet ausgerüstet; bis zum Jahr 2008 rechnen die Marktforscher mit 38 Prozent. Die Zahl der ADSL-Abonnenten wächst also weiter, punkto Preise dürfte hingegen langsam eine untere Grenze erreicht sein - zumindest solange das Swisscom-Monopol der letzten Meile nicht fällt. Der Konkurrenzkampf verlagert sich deshalb immer mehr zu den Zusatzdienstleistungen. Die wichtigsten sind im Test berücksichtigt.
Kosteneinsparung mit Gratis- Zusatzleistungen
Wie viel kostet die Hot-line, wenn technisch etwas nicht klappt? Tele 2 und Econophone leisten Support über eine 0800er-Gratisnummer, bei anderen gehen die Telefonauskünfte bei einem Tarif von bis zu Fr. 2.30 pro Minute rasch ins gute Tuch.
Unterschiedlich ist auch die Zahl der zur Verfügung gestellten E-Mail-Adressen. Wem dies nicht genügt, der kann allerdings jederzeit bei Gratis-Diensten im Internet wie Hotmail oder GMX weitere E-Mail-Konten einrichten.
Für viele Nutzer ist das Versenden von Gratis-SMS wichtig, vor allem seit die meisten dieser Angebote im Internet verschwunden sind oder eingeschränkt wurden. Auch der kostenlose Zugang zum elektronischen Telefonbuch (ETV) hilft Kosten sparen.
Immer mehr «normale» Nutzer wollen selber im Internet präsent sein und gestalten ihre eigene Homepage. Wer dies tun will, sollte einen Provider aussuchen, der dafür genügend Speicherplatz zur Verfügung stellt.
Die Zusatzdienstleistungen werden bald noch viel-fältiger. Voraussichtlich im Herbst läutet zum Beispiel Bluewin eine neue Runde ein: mit speziellen, in Lizenz erworbenen Spielen für verschiedenste Zielgruppen, die gegen Aufpreis genutzt oder heruntergeladen werden können. Das Projekt, so Sprecherin Deborah Bucher, steckt allerdings «noch in den Kinderschuhen».
Die Schnelligkeit interessiert Kunden erst in zweiter Linie
Das höhere Tempo ist bei allen Breitband-Anbietern das Haupt-Werbeargument. Doch gerade hier schneiden sie mit Ausnahme der Cablecom schlecht ab (siehe Artikel «Langsamer als versprochen», Seite 17). Umso erstaunlicher ist daher das Resultat einer britischen Studie, wonach für die Surfer die Geschwindigkeit gar nicht das entscheidende Kriterium ist, um von einem analogen Anschluss auf ADSL zu wechseln. Für die Kunden sei es viel wichtiger, die Kosten in den Griff zu bekommen und keine Überraschungen zu erleben, wenn Ende Monat die Telefonrechnung im Briefkasten liegt.
ADSL lohnt sich nicht für alle
Auch wenn ADSL billiger geworden ist: Aus finanziellen Gründen lohnt sich das Umsteigen vom Surfen via analoge Telefonleitung oder ISDN nur für Heavy User. 737 Franken kassiert Sunrise im ersten Jahr für ihr ADSL-Paket. Dafür könnte man zum Niedertarif (abends und am Wochenende) ebenso gut 491 Stunden lang surfen, also 1 Stunde und 20 Minuten jeden Tag.
Wer vor allem tagsüber (im Hochtarif) surft, für den lohnt sich ADSL schon ab etwa 1 Stunde und 12 Minuten.
Wer hingegen fast ausschliesslich nachts ins Internet will, der kann dies via Analog-Anschluss oder ISDN geradeso gut jede Nacht während 3,5 Stunden tun.
Selbst wenn man das für ADSL nötige Modem ausser Acht lässt, muss man täglich mehr als eine Stunde lang surfen, damit sich die Breitband-Verbindung finanziell lohnt.
So kommen Sie ins Netz
Kalkulieren Sie, ob Sie ADSL brauchen (siehe Kasten «ADSL lohnt sich nicht für alle»).
- Prüfen Sie, ob Ihr Telefonanschluss für ADSL ausgerüstet ist: www.enter-adsl.ch/toolbox/ADSLChe cker.asp.
- Überlegen Sie vor der Wahl des Anbieters, welche Dienstleistungen wie Support oder Gratis-SMS Sie brauchen.
- Wer häufig grosse Dateien herunterlädt, sollte einen Provider ohne Volumenbeschränkung wählen.
- Klären Sie vor der Anmeldung ab, wie lange die Wartefrist dauert.
Die Installation von ADSL ist im Normalfall einfach: Der Anbieter liefert ein Paket mit einer Software-CD. Moderne Computer haben bereits ein internes, ADSL-geeignetes Modem installiert; wenn nicht, brauchen Sie wahlweise ein externes Modem oder, wenn Sie mehrere Computer gleichzeitig anschliessen wollen, einen Router.
Ob Sie zu Hause ISDN haben oder nicht, spielt für die Geschwindigkeit keine Rolle. Allenfalls ist bei ISDN ein anderes Modem erforderlich, zudem kann die Installation komplizierter sein. Wer nicht unbedingt mehrere Telefonleitungen braucht, sollte keinesfalls wegen ADSL vom analogen auf einen ISDN-Anschluss wechseln.
Der ADSL-Schnellzug hält nicht überall
Die Swisscom wurde vom ADSL-Boom überrollt: Die technische Infrastruktur hinkt den Kundenbedürfnissen hintennach. Zwar werden die Kapazitäten laufend aufgestockt, doch im Moment beträgt die Wartefrist bis zu acht Wochen. Laut Swisscom betrifft dies alle Provider gleichermassen, doch die Konkurrenz vermutet, dass Anmeldungen bei der Swisscom-Tochter Bluewin bevorzugt behandelt werden. Tele 2 registrierte Ende 2002 rund 3200 angeschlossene Kunden - und über 10 000 wartende Interessenten. Bis der Überhang abgebaut ist, dauert es laut Swisscom-Chef Jens Alder noch mehrere Monate.
Und 5 Prozent der Bevölkerung müssen gar noch länger warten: Noch ist ein Teil des Swisscom-Leitungsnetzes überhaupt nicht für die ADSL-Technologie geeignet. Vor allem in bisher mit Freileitungen erschlossenen, abgelegenen Gebieten müssten zuerst neue Leitungen gelegt werden; doch aus Kostengründen geschieht das vielerorts erst, wenn genügend Anmeldungen vorliegen. Die Swisscom will zwar nicht sagen, welche Gemeinden betroffen sind und bis wann der Missstand behoben wird.
Immerhin lässt sich im Internet einfach überprüfen, ob der eigene Anschluss für ADSL geeignet ist: www.enter-adsl.ch/toolbox/ ADSLChecker.asp.
Laut Recherchen von saldo sind zum Beispiel folgende Ortschaften ganz oder teilweise betroffen: Altdorf SH, Amden SG, Au TG, Bibern SH, Büttenhardt SH, Cinuoschel GR, Gallenkirch AG, Gals BE, Oberembrach ZH, Ochlenberg BE, Opfertshofen SH, Ottenbach ZH, Sternenberg ZH, Wahlendorf BE, Wegenstetten AG.
Die betroffene Bevölkerung macht sich für ADSL stark: Auf der Website www.adsl-protest.ch werden Unterschriften gesammelt, die die Swisscom zu einem rascheren Umrüsten bewegen sollen.
Kaum Wartezeiten vermeldet derzeit die Cablecom und wirbt mit dem Versprechen: «Jetzt anrufen und in 7 Tagen surfen.» In der Vergangenheit musste aber auch sie Interessenten monatelang vertrösten, weil ihr Netz noch nicht genügend aufgerüstet war.