Stichprobe: Keine Spuren von Tiermehl
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saldo 4/2002
27.02.2002
saldo hat 12 Weizenmehlsorten auf Bestandteile von Tiermehl und Giftstoffen untersucht. 7 Proben enthielten Rückstände eines problematischen Stoffes.
Die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten sind verunsichert, seit im November in zwei Aargauer Mühlen in Mehlproben kleinste Splitter von Tierknochen gefunden wurden. Zu Recht: Denn Tiermehl gilt als Infektionsquelle für BSE und darf seit Januar 2001 dem Tierfutter nicht mehr beigemischt werden. Gelangt es in die menschliche N...
saldo hat 12 Weizenmehlsorten auf Bestandteile von Tiermehl und Giftstoffen untersucht. 7 Proben enthielten Rückstände eines problematischen Stoffes.
Die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten sind verunsichert, seit im November in zwei Aargauer Mühlen in Mehlproben kleinste Splitter von Tierknochen gefunden wurden. Zu Recht: Denn Tiermehl gilt als Infektionsquelle für BSE und darf seit Januar 2001 dem Tierfutter nicht mehr beigemischt werden. Gelangt es in die menschliche Nahrungskette, könnte BSE beim Menschen die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auslösen.
Analyse auf tierische Bestandteile und Schimmelpilzgifte
Die erste beschwichtigende Vermutung, da sei wohl eine Maus ins Getreide geraten, erwies sich als falsch. Der Aargauer Kantonschemiker Peter Grütter: «Wir konnten die Tierart nicht nachweisen. Das weist darauf hin, dass das Knochenteilchen hitzebehandelt wurde - also aus Schlachtabfällen stammte und zu Tiermehl verarbeitet wurde.» Wo und wie das Knochenteilchen sogar ins Speisemehl gelangen konnte, ist heute noch unklar: Die beiden Mühlen, in deren Speisemehl die Knochensplitter gefunden wurden, stellen laut Grütter kein Tierfutter her.
Ein Einzelfall oder ein verbreitetes Problem? saldo machte die Stichprobe und liess zwölf Packungen Weizenmehl aus den Verkaufsregalen der Grossverteiler und Bio-Läden auf tierische Bestandteile analysieren. Ebenfalls untersucht wurden die Proben nach giftigen Schimmelpilzrückständen.
Die eidgenössische Forschungsanstalt für Nutztiere in Posieux FR, die einen der beiden Aargauer Fälle aufgedeckt hatte, untersuchte die Proben auf Tiermehl. Der Laborbefund beruhigt: In keiner der zwölf Weizenmehlsorten wurden tierische Bestandteile nachgewiesen.
Ob dieses Ergebnis repräsentativ ist, weiss heute niemand. Immerhin untersucht gegenwärtig die eidgenössische Forschungsanstalt zusammen mit den Kantonschemikern Tier- und Speisemehlstichproben von 170 Schweizer Mühlen auf Tierrückstände. «Eine vollständige Chargenkontrolle können wir nicht machen, es sind Stichproben», erklärt Projektleiter Daniel Guidon. Unter die Lupe genommen werden Mühlen, die über eine Getreidesammelstelle verfügen und sowohl Speisemehl wie Futtermittel herstellen.
Tiermehlspuren: Bund will Toleranzwert überprüfen
Erste Ergebnisse werden laut Guidon Ende März veröffentlicht. Bekannt ist bereits: Trotz Verbot der Verfütterung von Tiermehl enthielten im letzten Jahr 3 Prozent der untersuchten Futtermittel Spuren von Tiermehl.
Das Bundesamt für Veterinärwesen verspricht, bei den betroffenen Betrieben zu intervenieren, sollten in den neusten Stichproben Tierknochenrückstände gefunden werden. Ebenso das Bundesamt für Gesundheit (BAG): «Wir tolerieren nicht, dass in der Mehlverarbeitung Verunreinigungen mit Tiermehl auftreten. Einzelne Knochenstaubpartikel müssen aber auf einer soliden Grundlage beurteilt werden», präzisiert BAG-Vizedirektor Urs Klemm.
Daher wartet man erst die Untersuchungsergebnisse des gesamten Produktionsprozesses von Speisemehl ab. «Wir werden genau prüfen, welche Verunreinigungen unvermeidbar sind. Aufgrund gesicherter Grundlagen werden wir einen Toleranzwert festlegen», so Klemm. Im Klartext: In der Futtermittelindustrie könnte dann durch ein striktes Verbot unter Umständen ein strengerer Massstab gelten als im Lebensmittelbereich mit einem Toleranzwert.
Tiermehl ist nicht der einzige Fremdstoff, der sich im Grundnahrungsmittel Mehl finden lässt. Auf dem Feld ist das Getreide besonders bei feuchter und warmer Witterung Schimmelpilzen ausgesetzt. Auch kann zu feuchte Lagerung die Qualität des Weizens beeinflussen. Das Problem: Schimmelpilze pro- duzieren giftige Stoffwechselprodukte (Mykotoxine).
Am häufigsten wird Deoxynivalenol (DON) gebildet. Dieser Stoff führt laut einer Publikation der eidgenössischen Forschungsanstalt für Agrarökologie und Landbau bei Tieren zu Futterverweigerung und Erbrechen. Wird wiederholt DON aufgenommen, kann es Darm, Leber, Niere und die Immunabwehr der Tiere schädigen.
7 der 12 getesteten Weizenmehle waren verunreinigt
Welche Auswirkungen DON auf den Menschen hat, ist bislang wenig erforscht. Klaus Münzing von der deutschen Bundesanstalt für Getreideforschung: «Getreide, das für die menschliche Ernährung qualitativ nicht reicht, wurde den Tieren verfüttert. Erst als diese auf die Giftstoffe reagierten, realisierte man das Problem.» Pikant: In Deutschland liegt der empfohlene DON-Höchstwert für Schweine bei 1 mg/kg. Die gleiche Menge gilt in der Schweiz als Toleranzwert für Menschen. Immerhin: Dieser Toleranzwert wurde bei den saldo-Stichproben nicht einmal annähernd erreicht. Das kantonale Laboratorium Basel-Landschaft hat aber nur in fünf Weizenmehlen keine DON-Rückstände gefunden. Diese fünf Produkte wurden deshalb mit «gut» bewertet. Das Coop Ruchmehl und das biologische Demeter Halbweissmehl lagen mit 0,05 mg/kg um das Zwanzigfache unter diesem Wert. Fünf weitere lagen etwa um das Fünfzigfache darunter. Weil die gemessenen DON-Werte sehr gering sind, hat saldo diese Mehle noch mit «genügend» bewertet.
Werte sind für den Menschen unbedenklich
«Für die Menschen sind die gefundenen DON-Werte unbedenklich», erklärt Kantonschemiker Niklaus Jäggi. Die Hersteller der verunreinigten Produkte wie etwa Coop, Pick Pay, Migros Primo/vis-à-vis argumentieren, dass die Produktion von Mehl ohne natürliche Verunreinigungen wie DON-Spuren gar nicht möglich sei. Auch hätten die eigenen Qualitätskontrollen ebenfalls immer Werte weit unter der Toleranzgrenze ergeben.
Die gute Nachricht: Ochratoxin A, ebenfalls ein Schimmelpilzgift, das beim Menschen wahrscheinlich Nierenleiden auslösen kann und bei Mäusen und Ratten als Krebs erregend gilt, wurde in den untersuchten Stichproben nicht gefunden.
Melanie Herr