Songs aus dem Netz: Der billigste Anbieter hat das beste Angebot
Immer mehr Musikliebhaber kaufen sich ihren Sound digital im Internet. Ein saldo-Test zeigt: Die Preise für das gleiche Lied unterscheiden sich erheblich.
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saldo 15/2005
28.09.2005
Marc Meschenmoser
Sich ins Internet einwählen, einen Musiktitel anklicken und schon verwandelt sich der Computer in eine Stereoanlage. Immer mehr Nutzer kaufen sich ihre Lieblingslieder nicht mehr im Plattenladen. Über 50 Millionen Songs setzte allein Marktführer Apple in einem Jahr europaweit ab. Fachleute rechnen, dass innert fünf Jahren bereits jede vierte Platte übers Internet verkauft wird.
Apple iTunes: Benutzerfreundlich, mit vielen Tipps
Apple hat einen weltweite...
Sich ins Internet einwählen, einen Musiktitel anklicken und schon verwandelt sich der Computer in eine Stereoanlage. Immer mehr Nutzer kaufen sich ihre Lieblingslieder nicht mehr im Plattenladen. Über 50 Millionen Songs setzte allein Marktführer Apple in einem Jahr europaweit ab. Fachleute rechnen, dass innert fünf Jahren bereits jede vierte Platte übers Internet verkauft wird.
Apple iTunes: Benutzerfreundlich, mit vielen Tipps
Apple hat einen weltweiten Marktanteil von rund 60 Prozent, daneben buhlen zahlreiche Konkurrenten um Mausklicks der Musikfans. So stieg Migros mit Ex Libris ins Geschäft ein, und auch Microsoft und Sony haben in der Schweiz ein Angebot lanciert. Selbst Getränkemulti Coca-Cola ist auf den musikalischen Geschmack gekommen.
saldo wollte wissen, bei welcher Plattform die Musik abgeht, und liess die Online-Shops testen: Als Probekäufer fungierten dabei die Fachleute der Vereinigung kritischer Internetnutzer, der Swiss Internet User Group (www.siug.ch).
Ausser Konkurrenz bewerteten die Experten den Gratisanbieter Limewire. Diese Tauschbörse verfügt über ein breites Repertoire, allerdings schwanken Angebot und Qualität, je nachdem wie viele Nutzer gerade Lieder ins Netz gestellt haben (siehe Kasten S. 15). Limewire eignet sich nur für Nutzer, die genau wissen, was sie haben wollen. Die Suchfunktion des Programms ist ungenügend, doch einem geschenkten Gaul schauen die wenigsten ins Maul.
Die Plattenkonzerne haben keine Freude an solchen Gratis-Tauschbörsen. Sie setzen ihre Hoffnungen auf Bezahldienste, nachdem sie lange den Trend zur Online-Musik verschlafen haben. Das Angebot des Branchenleaders Apple iTunes überzeugt auch die Testpersonen: «Der iTunes-Shop ist sehr benutzerfreundlich aufgebaut mit Suchhilfen, Musiktipps und grosser Auswahl an internationalen Künstlern», sagt Tester Thomas Bader.
Minuspunkte gab es für Apples eher dürftiges Angebot an Schweizer Musik. Wer etwa auf der iTunes-Homepage nach Liedern von Polo Hofer sucht, erhält als Treffer das Werk eines gewissen Andreas Hofer von den Wiener Sängerknaben. Der Schweizer Apple-Chef Roger Brustio erklärt dies damit, dass es den hiesigen Download-Shop erst seit Mai gibt. «Das Angebot an einheimischer Musik wird aber laufend ausgebaut.»
Mp3.search.ru: Kopieren ohne Einschränkung
Mit der Bewertung «gut» rangiert Apple auf dem zweiten Platz - hinter dem Discounter Mp3search.ru aus Russland. Einziger Nachteil hier: Hörer müssen vor dem ersten Download 30 Franken bezahlen. Die Plattform ist aber gross und übersichtlich aufgebaut. Sie bietet zudem Songs zu einem Bruchteil des sonst üblichen Preises an. So kostet ein ganzes Album umgerechnet zwischen 90 Rappen und Fr. 1.60 - fast zehnmal weniger als bei der Konkurrenz. Weiteres Plus: Die Lieder sind im MP3-Format (siehe Kasten S. 16). Zumeist darf man sie uneingeschränkt auf CDs oder Abspielgeräte wie den iPod kopieren.
Alle anderen getesteten Bezahldienste schieben dem unbegrenzten Kopieren einen Riegel vor. Meist findet sich die Beschränkung jedoch erst im Kleingedruckten der Geschäftsbedingungen. Vorbildlich deklariert ist dies immerhin bei Ex Libris: Hinter den Titeln steht, dass sie zum Beispiel maximal zehnmal auf CD gebrannt werden können.
Solche Einschränkungen haben die mächtigsten Plattenfirmen Sony BMG, Universal Music und Warner Music gegenüber den Online-Shops durchgesetzt. Das störte auch die Tester. «Konsumenten müssen sich überlegen, wie stark sie sich für ein Produkt einschränken lassen wollen, das sie meist recht teuer kaufen», sagt Thomas Bader und fordert eine klare Deklaration.
Ein weiterer Nachteil ist, dass einige Shops wie Ex Libris, Mycokemusic, MSN-Microsoft oder Sony nur Benutzern von Windows-PCs zur Verfügung stehen. Sie schliessen Apple Macintoshs aus. Daher erhielten Ex Libris und Mycokemusic im Test nicht die Note «sehr gut» - trotz ihres breiten Angebots.
Sony: Bis zu 23 Franken für ein Album
Wer bei Microsoft und Sony landet, muss sich mit weniger Auswahl zufrieden geben. Zudem verlangt Sony pro Album bis zu 23 Franken - mit Abstand am meisten. Für diesen Preis gibt es im richtigen Plattenladen eine CD mit Hülle und Bandfotos. Matthias Graf, Sprecher von Sony Schweiz, hält die «Sony-Tarife trotzdem für fair: Mit unserem Minimalpreis von Fr. 14.50 können wir mit der Konkurrenz gut mithalten. Zudem wollen die Plattenfirmen eher noch mehr.» Tatsächlich: Einige Musikkonzerne drängen zum Beispiel Apple zu Preiserhöhungen - bisher erfolglos.
Offen bleibt, ob die Nutzer bereit sind, mehr als 15 Franken zu zahlen, wenn sie die elektronische Musik selbst herunterladen, auf eine CD brennen und selbst beschriften müssen. Bereits heute fliessen jedenfalls nur rund 10 Prozent des Erlöses direkt an die Musiker. Das Online-Geschäft ist für die Plattenmultis also einträglich, die Margen sind satt. So leistete sich Musicload, einer der grössten Online-Anbieter in Deutschland, locker eine Preissenkung: Mitte September hal-bierte er kurzerhand für einige Tage seine Preise von Fr. 1.50 auf 75 Rappen.
www.one2joy.com: Mehr Geld für die Musiker
Dass es günstiger als bei den Grossen geht, zeigt auch der kleine Aargauer Anbieter one2joy (www.one2joy.com). Der Branchenzwerg konzentriert sich auf Schweizer Musik abseits der Hitparade. Ein Song kostet 1 Franken. Davon liefert die Firma 35 Rappen an die unabhängigen Künstler ab.
Fazit des Tests: Die grossen Anbieter präsentieren gut gestaltete Online-Musikläden mit einer meist stattlichen Auswahl an Liedern. Die meisten Musikfans werden den Shops aber nur Gehör schenken, wenn die Preise fallen und die Abspielmöglichkeiten wachsen.
Musik herunterladen ist legal
Wer Musik aus dem Internet gratis herunterlädt (etwa bei www.limewire.org), handelt völlig legal. Dies bestätigte das Eidgenössische Institut für geistiges Eigentum kürzlich gegenüber saldo. Verboten ist es indes, Musiktitel im Internet anderen zur Verfügung zu stellen, (sogenannter Upload). Derzeit verschickt die internationale Vereinigung der Tonträgerindustrie (IFPI) Rechnungen an Internetnutzer, die Musikstücke ins WWW eingespiesen haben. Die IFPI hofft, dass die Empfänger die Bussen aus Angst vor einer Klage bezahlen. Vor solchen Briefen kann sich der Nutzer einer Gratis-Tauschbörse jedoch schützen, indem er mit einer einfachen Einstellung den Upload unmöglich macht. Die Musik vom eigenen Computer ist dann nicht mehr für andere zugänglich. Bei Limewire findet sich diese Funktion unter «Einstellungen», «Freigeben», dann muss man den «shared»-Ordner löschen. Dies ist zwar nicht im Sinn der Erfinder der Tauschbörsen, die den freien Datenaustausch aller Teilnehmer wollen. Dafür sind die Konsumenten rechtlich auf der sicheren Seite.
Formatdschungel: Industrie hört nicht auf die Musikfans
Praktisch jeder Anbieter von Online-Musik verkauft sein eigenes Musikformat. Die Folge: Heruntergeladene Lieder lassen sich nicht überall abspielen.
Microsoft nennt es WMA, Sony komprimiert seine Musik auf Atrac, bei Apple heisst das Format AAC. Verschiedene Namen, eine Gemeinsamkeit: Das jeweilige Programm kann die Musik der Konkurrenten nicht abspielen. Ärgerlich für die Nutzer: Wer bei Apple iTunes Lieder herunterlädt, kann sie nur auf Apples Abspielgerät iPod anhören. Wer bei Sony Songs kauft, kann sie nur auf Sony-Walkmen abspielen. Sony-Sprecher Matthias Graf gibt unumwunden zu: «Unsere Musikplattform ist in erster Linie für Leute gedacht, die auch ein Sony-Abspielgerät haben.» Weil die anderen Firmen ähnlich denken, landet der Konsument im Formatdschungel. Graf: «Für die Nutzer wäre es wünschenswert, wenn sich die Industrie auf einen einheitlichen Standard einigen würde.»
Davon sind die Anbieter jedoch so weit entfernt wie AC/DC von Mozart. Fachleute sind überzeugt: Microsoft führte WMA ein, um zu verhindern, dass sich der Standard von Apple weltweit durchsetzt. Der Konkurrenzkampf wird auf dem Buckel der Musikfans ausgetragen. Sie müssen die gekauften Songs mühsam in den kleinsten gemeinsamen Nenner, das MP3-Format, umwandeln, bevor Shakira auf Konkurrenzgeräten losträllern kann. Programme, die dies ermöglichen, kann man zwar gratis herunterladen, doch im Test waren etwa bei Ex Libris 21 Mausklicks nötig, bis das erste Lied auf dem eigenen Computer war.
Der MP3-Standard hat den Vorteil, dass sich die Stücke beliebig auf CD brennen und kopieren lassen. Dafür leidet die Qualität ein wenig. «Hohe Töne und Bässe gehen teilweise verloren, die Stücke der Original-CD tönen voller», notierte eine Testperson.
Die Qualität hängt entscheidend von der Grösse der heruntergeladenen Datei ab. Wer den besten Sound will, kann zum Beispiel bei Apple Lieder mit mehr Kilobites herunterladen, aber das dauert dann auch länger.
Die grössere Datenmenge fällt nicht stark ins Gewicht, da sich Online-Musikläden praktisch nur für Leute mit schnellem Anschluss (Kabel oder ADSL) eignen. Wer mit einem analogen Modem Musik kauft, braucht für ein einziges Lied rund 25 Minuten. Mit ADSL ist der Download meist innert 60 Sekunden abgeschlossen.