Sicherheit für Kleine nicht gross geschrieben
Kindersitze im Auto sollten Leben retten. Allerdings: Einige Modelle haben grobe Sicherheitsmängel.
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saldo 10/2003
28.05.2003
Jeannette Büchel
Die Statistik spricht eine traurige Sprache. In der Schweiz verunfallen jedes Jahr rund 2500 Kinder im Strassenverkehr - jedes vierte in einem Auto. Erschreckend: Viele Eltern achten zu wenig auf die Sicherung ihrer Sprösslinge. Denn laut Touring Club Schweiz (TCS) ist nach wie vor ein Grossteil der Kinder im Auto ungesichert.
Die Auswahl an Kindersitzen ist gross. Verschiedene Systeme wie Babyschale, Sitzschale, Sitzerhöher oder Fangkörpermodell machen die Auswahl nicht leicht...
Die Statistik spricht eine traurige Sprache. In der Schweiz verunfallen jedes Jahr rund 2500 Kinder im Strassenverkehr - jedes vierte in einem Auto. Erschreckend: Viele Eltern achten zu wenig auf die Sicherung ihrer Sprösslinge. Denn laut Touring Club Schweiz (TCS) ist nach wie vor ein Grossteil der Kinder im Auto ungesichert.
Die Auswahl an Kindersitzen ist gross. Verschiedene Systeme wie Babyschale, Sitzschale, Sitzerhöher oder Fangkörpermodell machen die Auswahl nicht leicht. Der TCS testete in Zusammenarbeit mit anderen Automobilklubs und europäischen Konsumentenorganisationen die Schutzfunktionen von Kindersitzen. Resultat: 5 von 30 in der Schweiz erhältlichen Sitzen schnitten mit dem Testurteil «gut» ab. Knapp ein Drittel der Kindersitze ist zu wenig sicher - sie erhielten bei den Kriterien «Sicherheit» und «Bedienung» ungenügende Noten.
Chicco Zenith versagte beim Frontaufprall
Wie gut die Kinder in den Sitzen geschützt sind, prüften die Experten, indem sie mit Dummie-Puppen Frontal- und Seitencrashs durchführten. Benotet wurden auch der Verlauf der Gurten und die Kopfabstützung. Beim Kriterium «Bedienung» war ausschlaggebend, wie gross die Fehlermöglichkeiten beim Einbau und Gebrauch eines Sitzes sind. Ebenfalls berücksichtigt wurden: Anschnallfunktion, Bedienungsanleitung und Komfort (Auflage der Beine, Sicht für das Kind und Polsterung des Sitzes), Reinigungsmöglichkeiten und Verarbeitung.
Drei Sitze bieten im Ernstfall keinen Schutz: Chicco Zenith, Teamtex Safety Baby Basic und Graco Cosmic. Sie erhielten das Gesamturteil «mangelhaft». Beim Chicco-Sitz ist ein fehlerhaftes Gurtschloss eingebaut (siehe Kasten). Zudem versagte das Modell beim Frontaufprall: Die Halterung der Rückenlehne brach.
Ebenso dramatisch sind die Testergebnisse des mit 80 Franken günstigsten Modells Teamtex Safety Baby Basic: Beim Frontaufprall brach ein Teil ab, der Gurt rutschte ab und der Sitz überschlug sich.
Der Sitz Graco Cosmic liess sich nicht stabil im Fahrzeug fixieren und zeigte beim Front- und Seitenaufprall hohe Belastungswerte. Problem dieses Modells: Der Sitz für Kinder ab Geburt bis zirka sieben Jahre ist zu vielseitig.
TCS-Projektleiter Kurt Bischof: «Die meisten Sitze, die über mehrere Gewichtsklassen verwendet werden können, weisen Schwächen in Bedienung und Sicherheit auf.» Manche Modelle werden ab Geburt bis zu 12 Jahren angeboten. Das ist zwar praktisch und kostengünstig, hat aber erhebliche Nachteile. So ist etwa die Schale für Babys oder Kleinkinder viel zu breit, die Kinder sind nicht richtig gesichert.
4- bis 12-Jährige: Tester empfehlen einen Sitzerhöher
Kompromisse sind also nur auf Kosten der Sicherheit möglich. Dies ist auch bei drei Modellen mit der Note «unterdurchschnittlich» der Fall: Britax Trio, Concord Trimax X-Line und EuroKids Star.
Experte Bischof empfiehlt unbedingt, Kinder im Auto altersgerecht zu sichern. Für Kinder bis zu 18 Monaten oder 13 Kilogramm sei die Babyschale ideal. Erst wenn der Kopf der Kleinen die Babyschale überrage, sollte auf eine Sitzschale - geeignet für 9 Monate bis 4 Jahre (oder 9 bis 18 Kilogramm) gewechselt werden. Zwischen dem 4. und dem 12. Altersjahr empfiehlt sich ein Sitzerhöher mit Rücken- und Kopfstützen.
Obwohl laut Gesetz Kinder ab 7 Jahren auch mit Fahrzeuggurten gesichert werden können, rät der TCS, bis zum Alter von 12 Jahren einen Sitzerhöher zu verwenden. «Die Gurten werden den Körpermassen der Kinder nicht gerecht. Bei einem Unfall kann ein falsch geführter Gurt schwere innere Verletzungen verursachen», warnt Kurt Bischof. Der sicherste Platz für die Kleinen sei auf der Rückbank. Die Kinder sollten zudem möglichst lange in rückwärts gerichteten Sitzen transportiert werden. Grund: Bei einer Frontalkollision sind Kopf, Halswirbelsäule und Rücken besser abgestützt.
Bei Unklarheiten Fachpersonal um Hilfe bitten
Der beste Kindersitz ist nutzlos, wenn er nicht richtig verwendet wird. Untersuchungen belegen aber, dass 60 Prozent der Kinder im Auto ungenügend gesichert sind. Tauchen beim Einbau eines Sitzes Unklarheiten auf, ist es ratsam, Hilfe beim Fachpersonal zu holen. Kurt Bischof: «Nur die korrekte und konsequente Anwendung bringt ein hohes Mass an Sicherheit.»
Der Ratgeber «Auto-Kindersitze 2003/04» entstand in Zusammenarbeit mit dem TCS und der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu). Er ist gratis erhältlich bei allen TCS-Geschäftsstellen oder bei der bfu in Bern.
Keine Rückrufaktion
Der Test zeigte, dass bei einigen Auto-Kindersitzen fehlerhafte Gurtschlösser eingebaut sind (saldo 8/02). Trotz Klickgeräusch rastet das Schloss nicht immer richtig ein - das Kind ist bei einem Unfall ungeschützt. Betroffen sind drei Modelle: Bimbo/Wavo Fix, Chicco Zenith Boulgom Kid Confort und Boulgom Maxi Confort. Die Stiftung Warentest hat nun herausgefunden, dass die beanstandeten Schlösser schon früher in andere Sitze eingebaut wurden: seit 1997 bei Kiddy 2000 Reboard und von 1996 bis 1998 bei Storchenmühle Orion.
Nur wenn beide Gurthälften parallel ins Schloss eingeführt werden, schliesst dieses richtig. Der Hersteller hat mittlerweile die Produktion geändert - eine Rückrufaktion findet aber nicht statt. Der TCS empfiehlt Eltern, sich an den Hersteller zu wenden und das Schloss auswechseln zu lassen.