Putzen, bis der Schmelz weg ist
Ein strahlend weisses Gebiss wie ein Hollywood-Star - das verspricht die Werbung für Spezialzahnpasta. Doch Vorsicht: Putzen kann die Gesundheit Ihrer Zähne gefährden.
Inhalt
saldo 11/2003
11.06.2003
Thomas Roth
Schöne Zähne signalisieren Erfolg - und diesen soll es sogar aus der Tube geben: Die Hersteller von Spezialpasten garantieren, dass ihre Produkte bei täglichem Gebrauch hartnäckige Beläge schonend entfernen und den Zähnen ihre ursprüngliche Farbe wiedergeben würden. Die Botschaft kommt bei der Schweizer Kundschaft an. In den letzten zwölf Monaten gingen gemäss Institut für Marktanalysen IHA-GfK in Hergiswil NW Zahnpasten für gut 105 Millionen Franken über den Ladentisch - davon wurd...
Schöne Zähne signalisieren Erfolg - und diesen soll es sogar aus der Tube geben: Die Hersteller von Spezialpasten garantieren, dass ihre Produkte bei täglichem Gebrauch hartnäckige Beläge schonend entfernen und den Zähnen ihre ursprüngliche Farbe wiedergeben würden. Die Botschaft kommt bei der Schweizer Kundschaft an. In den letzten zwölf Monaten gingen gemäss Institut für Marktanalysen IHA-GfK in Hergiswil NW Zahnpasten für gut 105 Millionen Franken über den Ladentisch - davon wurden 12,5 Millionen Franken für so genannte Weissmacher ausgegeben.
Weissmacher: Nur Candida White schnitt gut ab
Für die Entfernung von Zahnbelägen sorgen kleine Putzkörper. Je höher ihr Anteil in einer Zahnpasta, desto heikler wird es für die Zähne: Die Putzkörper nagen am Dentin - gehen also an die Substanz des empfindlichen Zahnbeins. Dieser Schmirgeleffekt wird häufig nach der RDA-Methode (relative Dentin-Abrasion) getestet. Obwohl es für die Untersuchung eine Norm gibt, weichen die Ergebnisse laut Thomas Imfeld, Leiter der Klinik für Präventivzahnmedizin an der Universität Zürich, von Labor zu Labor erheblich voneinander ab.
saldo wählte deshalb einen anderen Weg, um herauszufinden, wie sanft die Zahnpasten mit dem Belag umgehen. Die Poliklinik für Zahnerhaltung der Universität Münster (D) untersuchte zehn klassische Zahnpasten und fünf Weissmacherprodukte auf ihre Abrasivität. Ein Team unter Klinikleiter Klaus Ott rieb die Proben mit einer Zahnbürste während einer Minute auf Acrylglas - danach wurde die Scheibe unter dem Mikroskop auf Kratzer und Rauheit untersucht.
Das Ergebnis erstaunt nicht: Mit einer Ausnahme scheuern die fünf getesteten Weissmacherpasten viel zu stark. Dafür gab es die Note «mangelhaft». Nur gerade das Migros-Produkt Candida White geht mit den Zähnen schonend um und kann für eine tägliche Anwendung empfohlen werden.
Viel besser sind die Resultate bei den klassischen Zahncremes: Von den zehn geprüften Produkten erhielten bloss zwei ein «genügend» - Signal Anti Caries und Mentadent Micro Granuli.
Kariesschutz: Alle Pasten mit gutem Fluoridgehalt
Neben den Abrasionswerten liess saldo aufgrund des Fluoridgehalts die Wirksamkeit der Pasten punkto Kariesvorbeugung untersuchen. In diesem Bereich gibt es keine grossen Unterschiede - alle Produkte erhielten die Noten «sehr gut» oder «gut». Zahnmediziner Ott schränkt aber ein: «Beim Schutz vor Karies kommt der Fluoridgehalt nicht an erster Stelle.» Viel entscheidender sei eine richtige Ernährung, eine gute Bürste und eine optimale Putztechnik (siehe saldo 9/03).
Auch sein Schweizer Berufskollege Imfeld stellt den meisten Zahnpasten bezüglich Kariesvorbeugung gute Noten aus. Als «höchst problematisch» bezeichnet er indes die «teils dramatischen Abrasionswerte» der Weissmacher. «Es müsste verboten sein, solche Pasten für die tägliche Anwendung zu empfehlen», schimpft der Präventivzahnmediziner. «Wenn wir beim Auto solche Putzkräfte walten liessen, wäre der Lack nach einem Jahr garantiert ab.»
Um wissenschaftliche Tatsachen kümmern sich Hersteller und Händler wenig. saldo konfrontierte unter anderem die Doetsch Greter AG mit den Testresultaten; das Basler Unternehmen vertreibt für die deutsche Firma Glaxo Smith Kline sämtliche Odol-Produkte in der Schweiz. Die Methode der Universität Münster sei «kaum ein geeignetes Messinstrument», so die Antwort von Produktmanager Dominique Brenneisen. Dumm nur: Auch die Dentalspezialisten der Universität Zürich raten von einem täglichen Gebrauch des Produkts Odoldent 3 Samtweiss dringend ab.
Übrigens: Auch hohe Preise sind keine Garantie für eine gute Zahnpasta. So kosten 100 Milliliter Colgate Sensation White (Note «mangelhaft») in der Epa Fr. 6.65. Die gleiche Menge Dentalux Aktive (Note «sehr gut») gibt es bei Coop für Fr. 1.85, und die Migros bietet 100 Milliliter M Budget (Note «gut») sogar für Fr. 1.30 an.
Glänzende Geschäfte
Die Zahnärzte in den USA bleichen und schrubben schon seit Jahren: Bleaching heisst der lukrative Erwerbszweig, der inzwischen auch bei Schweizer Dentisten die Kassen klingeln lässt. Mit einem chemischen Aufheller, meist in Form von Wasserstoffperoxid, kann der Farbton der Zähne für zwei bis drei Jahre aufgehellt werden.
Gross im Geschäft ist Britesmile: Die englische Firma, die ihr Bleaching-Verfahren in 30 Ländern anbietet, arbeitet in der Schweiz mit 65 Zahnärzten zusammen. «Wir haben alle Hände voll zu tun», sagt Michael Fluri, der für Britesmile den Schweizer Bereich koordiniert. Die Zahl der jährlichen Behandlungen wuchs innert zwei Jahren von 400 auf über 3600, und ein Ende des Booms ist laut Fluri nicht abzusehen. Kosten für eine Behandlung: rund 800 Franken.
Diese Entwicklung bereitet Experten Sorgen. Sie kritisieren, dass das Bleichmittel Gift für den Zahnschmelz sei. Folge für die Kundschaft: Verfärbungen setzen sich auf der porösen Zahnoberfläche schneller fest, und es muss in immer kürzeren Abständen nachgebessert werden.
Auch Thomas Imfeld, Leiter der Klinik für Präventivzahnmedizin an der Uni Zürich, hält nicht viel von diesem Schönheitswahn: «Es macht null Sinn, gesundes Zahnmaterial aus rein ästhetischen Gründen zu opfern. Natürliche Zähne sind nun mal nicht weiss wie eine WC-Schüssel.» Und beim Bleichen von Zähnen sei es wie beim Straffen der Haut: «Zu viel Lifting nimmt einer Person den Charakter.»