Pestizide in delikaten Produkten
Feinschmecker schätzen Kürbiskernöl. Doch das Öl mit dem nussigen Geschmack ist oft mit Pestiziden belastet. Über die Hälfte der getesteten Produkte enthielt Pestizide.
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saldo 10/2005
25.05.2005
Sigrid Cariola
An seine Farbe, ein dunkles Grün, muss man sich gewöhnen - doch Kenner schätzen am Kürbiskernöl den typisch nussigen Geschmack. Die Spezialität aus der südlichen Steiermark (A) erobert sich auch in Schweizer Küchen einen Platz. Längst findet sich Kürbiskernöl nicht mehr nur im Delikatessengeschäft, sondern auch bei den Grossverteilern.
Gewonnen wird das Öl aus gerösteten Kürbiskernen. Für einen Liter sind die Kerne von 30 bis 50 Kürbissen nötig. Und diese Kerne h...
An seine Farbe, ein dunkles Grün, muss man sich gewöhnen - doch Kenner schätzen am Kürbiskernöl den typisch nussigen Geschmack. Die Spezialität aus der südlichen Steiermark (A) erobert sich auch in Schweizer Küchen einen Platz. Längst findet sich Kürbiskernöl nicht mehr nur im Delikatessengeschäft, sondern auch bei den Grossverteilern.
Gewonnen wird das Öl aus gerösteten Kürbiskernen. Für einen Liter sind die Kerne von 30 bis 50 Kürbissen nötig. Und diese Kerne haben es in sich: Nicht nur, weil sie gegen Prostata- und Blasenbeschwerden empfohlen werden, sondern vor allem auch, weil sie zum Teil Rückstände von Pestiziden enthalten.
saldo wollte wissen, wie stark Kürbiskernöl mit Pflanzenschutzmitteln belastet ist, und liess acht Produkte in einem Schweizer Labor untersuchen. Die Experten analysierten die Proben auf Organochlorpestizide - schwer abbaubare Pestizide, die vor allem zur Insektenbekämpfung eingesetzt wurden. Ihre Anwendung ist in den Industrieländern mittlerweile verboten. Doch aufgrund des jahrzehntelangen Einsatzes gelangten riesige Mengen in die Umwelt, die bis heute in Böden und Gewässern vorhanden sind. Organochlorpestizide reichern sich vor allem in fettreichem Gewebe an - etwa in Fischen wie Makrele oder Heilbutt, aber auch in Ölfrüchten wie Kürbiskernen. Das Fleisch der Kürbisse hingegen ist nicht betroffen.
Das Problem sind die Altlasten im Ackerboden
In fünf von acht Kernölen wies das Labor Rückstände von Organochlorpestiziden nach. Sie sind auf Altlasten in den Böden zurückzuführen, auf denen die Kürbisse gezüchtet wurden.
Am meisten Rückstände fanden sich in den Produkten von Migros und Jucker Farmart. Mit 0,06 Milligramm Dieldrin übertraf das Kürbiskernöl der Migros den in der Schweiz gültigen Toleranzwert von 0,05 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg), erreichte aber den Grenzwert von 0,25 mg/kg noch nicht. Dieser ist in der Schweiz allerdings auch sehr hoch angesetzt - sechsmal höher als in der EU.
Seit letztem Jahr gilt im EU-Raum für Kürbiskernöl eine zulässige Höchstmenge von 0,04 mg/kg. Das heisst: Würde die Migros ihr Produkt in Deutschland oder Frankreich verkaufen, müsste sie mit Massnahmen der Behörden rechnen - einer Verwarnung, einer Busse oder einer amtlich verordneten Rückrufaktion.
Migros-Sprecherin Monika Weibel: «Dass im Kürbis Chlorpestizide angereichert werden, ist ein bekanntes Problem, deshalb bieten wir kein Bio-Öl an.» Im Übrigen sei für den Grossverteiler die Schweizer Gesetzgebung massgebend.
Relativ hohe Werte fanden sich auch im Kürbiskernöl von Jucker Farmart, die ihr Kernöl aus Schweizer Kernen pressen lässt. Das Labor wies sowohl Hexachlorbenzol als auch Dieldrin nach. Mit je 0,04 mg/kg liegt die Probe unter den Schweizer Toleranz- und Grenzwerten, streift aber die EU-Grenzwerte. Martin Jucker betont, dass der Betrieb auf ein doppeltes Kontrollsystem setzt: «Wir lassen die Kerne vor der Ernte untersuchen und nach der Pressung nochmals.» Die Schweizer Grenzwerte würden in keinem Fall erreicht.
Öl aus der Steiermark mit Kürbiskernen aus China und Ungarn
Selbst das biologische Kernöl aus dem Globus ist nicht frei von Rückständen: Es enthält Spuren von Dieldrin. «Biologisch angebaute Produkte sollten keine Spuren von Pestiziden enthalten», sagt Globus-Sprecher Ernst Pfenninger. «Wenn der Produzent unser Qualitätsziel nicht schafft, bieten wir das Produkt nicht mehr an in unserem Bio-Sortiment.» Insgesamt hat sich die Situation beim Kürbiskernöl verbessert. Analysen des kantonalen Labors Zürich im vergangenen Jahr ergaben noch deutlich höhere Werte.
Immerhin drei Produkte sind gänzlich frei von Organochlorpestiziden: das biologisch produzierte Öl von Naturata, das Coop-Kernöl und das frisch gezapfte Kürbiskernöl der Ladenkette Vom Fass.
Auffällig ist, dass die Etiketten der meisten Produkte die Herkunft aus der Steiermark betonen. Dies vermutlich auch, um die hohen Preise von Fr. 10.80 bis Fr. 17.90 pro 0,25 Liter zu rechtfertigen. Tatsache ist allerdings, dass ein beträchtlicher Teil der in Österreich verarbeiteten Kerne aus China und Ungarn importiert wird.
«Von den Ölmühlen sind keine offiziellen Zahlen zu erhalten», erklärt Bernhard Glawogger vom Erzeugerring Steirisches Kürbiskernöl. Insider schätzen aber, dass die Mühlen mindestens dreimal so viel importierte wie heimische Kerne vermahlen. Laut Gesetz dürfen sie auch dieses Öl als steirisch vermarkten.
Gewähr für ein Originalprodukt gibt einzig eine Banderole mit Kennnummer und der Bezeichnung «GGA». Die Abkürzung steht für geschützte geografische Angabe und soll die Spezialität vor Nachahmung schützen. Bislang haben sich rund 2000 Bauern und Ölmühlen im Erzeugerring für steirisches Kürbiskernöl zusammengeschlossen, der eine durchgehende Kontrolle vom Feld bis zum Ladentisch gewährleistet. Etwa gleich viele Bauern und Mühlen sind nicht dabei.
Von den acht gekauften Kernölen war kein einziges ein GGA-Produkt, bei dreien finden sich immerhin Angaben, woher die Kerne stammen: Jucker Farmart (Kerne aus der Schweiz), Naturata- und Globus-Öl (Saat aus Österreich). Bei den übrigen Produkten fehlten konkrete Angaben.
Schweizer Preise im Vergleich mit dem Ausland sehr hoch
Die Herkunft der Kerne eines Öls entscheidet über zweierlei: Geschmack und Preis. «Steirische Kerne ergeben einen intensiveren, nussigen Geschmack, zudem ist das Öl dickflüssiger und dunkler», so Bernhard Glawogger. «Es sind speziell gezüchtete Kürbissorten, die für die Ölproduktion verwendet werden.» Kernöl, bei dem der Rohstoff aus Fernost stammt, ist in der Herstellung deutlich billiger.
In der Steiermark kostet das Kürbiskernöl übrigens viel weniger als in der Schweiz: Öl mit garantierter Herkunftsbezeichnung ist für 20 bis 23 Franken zu haben - pro Liter.
Für Salate und Nudelgerichte
Kürbiskernöl hat einen hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren, Mineralstoffen und Vitaminen. Es ist cholesterinfrei und eignet sich insbesondere für Salate oder zum Verfeinern von Suppen, Saucen, Nudelgerichten oder Kartoffelstock.
Weitere Informationen, diverse Rezepte und Bestelladressen finden sich im Internet unter www.steirischeskuerbiskernoel-gga.at.