Nur wenige trotzen der triefenden Nase
Reissfest, saugfähig, weich und resistent in der Waschmaschine - das sind Qualitätsmerkmale von Papiertaschentüchern. Doch ein saldo-Test zeigt: Nur die Hälfte erfüllt alle Eigenschaften.
Inhalt
saldo 3/2004
18.02.2004
Letzte Aktualisierung:
17.11.2009
Sigrid Cariola
Die schwarzen Jeans sind über und über mit kleinen weissen Papierfetzen versehen. «Damit würde ich nicht auf die Strasse gehen», sagt Florian Girmond. Der Experte vom deutschen Textilprüfinstitut Hohenstein hat in einem Versuch simuliert, was vergesslichen Hausfrauen und -männern immer wieder passiert: Sie übersehen ein Papiertaschentuch in der Hosentasche und waschen es mit. Nur mit Mühe lassen sich die Papierteile wieder vom Kleidungsstück...
Die schwarzen Jeans sind über und über mit kleinen weissen Papierfetzen versehen. «Damit würde ich nicht auf die Strasse gehen», sagt Florian Girmond. Der Experte vom deutschen Textilprüfinstitut Hohenstein hat in einem Versuch simuliert, was vergesslichen Hausfrauen und -männern immer wieder passiert: Sie übersehen ein Papiertaschentuch in der Hosentasche und waschen es mit. Nur mit Mühe lassen sich die Papierteile wieder vom Kleidungsstück entfernen.
Migros- und Coop-Marken: Schlechtes Waschverhalten
Im Gegensatz zum Malheur in der Waschküche war das Vorgehen im Labor sorgfältig geplant: Taschentücher elf verschiedener Marken wurden in zwei Durchgängen mit dunklen Wäscheteilen gewaschen. Das Ergebnis: Nicht jedes Produkt richtet in der Waschtrommel das gleiche Desaster an. So hält etwa Tempo plus wäschefreundlich, was die Werbung verspricht: Auf den Textilien fanden sich praktisch keine Rückstände. Ähnlich gut schnitten Tempo und Kleenex Balsam ab. Die Eigenmarken von Migros (Linsoft) und Coop (Ronda und Oecoplan) hingegen bestrafen die Benutzer für ihre Vergesslichkeit: Sie verwandelten die schwarzen Kleidungsstücke regelrecht in Fasnachtskostüme.
Massgeblich für die Bewertung der Produkte waren jedoch andere Kriterien: die Reissfestigkeit, die Saugfähigkeit und die Weichheit. Beim Festigkeitstest wurde die mechanische Belastbarkeit der Taschentücher in angefeuchtetem Zustand ermittelt. Die Prüfer wollten feststellen, welche Tücher einer richtigen Erkältung standhalten.
Die Note «sehr gut» bekam hier nur Tempo. Die beiden Linsoft-Produkte hingegen schnitten mangelhaft ab; sie hielten nicht einmal eine halb so grosse Belastung aus. Migros-Sprecherin Monika Weibel bestreitet die gerin-gere Nassreissfestigkeit nicht, weist aber darauf hin, dass «Linsoft-Tücher innerhalb von zwei Monaten ökologisch abgebaut werden, andere Produkte jedoch bis zu einem Jahr brauchen». Ähnlich argumentiert Coop, dessen Oecoplan-Tücher bei der Reissfestigkeit deutlich abfielen. Sprecher Jörg Birnstiel: «Wir setzen wenig Harz und Chemikalien ein, was die Tücher leichter abbaubar, aber weniger belastbar macht.» Oecoplan-Taschentücher eignen sich vielleicht, um ein paar Tropfen von der Nase zu tupfen, bei einem starken Schnupfen wird es jedoch schnell unhygienisch.
Die bunt bedruckten Sniff-Tücher sind ein Sonderfall:
In trockenem Zustand erweisen sie sich als äusserst fest und saugen relativ viel Wasser auf. Sind sie aber einmal feucht, reissen sie rasch auseinander. Für Schnupfenpatienten heisst das: ein Schneuzer und fort mit dem Tuch in den nächsten Abfalleimer. Marketingleiter Michael Neunfinger erklärt die mangelnde Reissfestigkeit mit der Wahl des Materials: «Unsere Tücher sind ein Geschenkartikel, deshalb legen wir Wert auf einen möglichst perfekten Druck.»
Weichheit: Kleenex erhielt von Testern die beste Note
Wer während einer Erkältung mit ständig triefender Nase zu kämpfen hat, legt Wert darauf, dass das Nastuch möglichst weich ist. Eine Gruppe von Testpersonen verglich die elf Muster miteinander und bewertete sie auf einer Skala von «sehr weich» über «zufriedenstellend» bis «sehr hart». Am besten schnitten hier die Kleenex-Tücher ab - mit deutlichem Abstand folgten Kleenex Balsam und Zewa. Die eher festen Tempo-Taschentücher rangieren punkto Weichheit nur im Mittelfeld.
Die Sniff-Produkte nehmen bei diesem Kriterium erneut eine Sonderstellung ein: Obwohl die innere, nicht bedruckte Seite weicher ist als die äussere, bewerteten die Probanden die Tücher mit «hart». Für Experte Florian Girmond ist klar: «Diese Artikel sind ein Blickfang - bei einem Schnupfen sind sie jedoch nicht ideal.» Schon gar nicht, wenn die Konsumenten auf den Preis schauen: Ein Päckchen mit zehn Tüchern kostet knapp eineinhalb Franken. Dafür gibts bei Denner die zwölffache Menge - in durchaus ansprechender und obendrein noch nasenschonender Qualität.
Gutes Geschäft mit einem Wegwerfartikel
Vor 75 Jahren wurde das Tempo-Taschentuch in Deutschland beim Patentamt Berlin angemeldet. War das Produkt damals eine Innovation, ist der Wegwerfartikel aus Zellulose heute ein Massenprodukt.
Allein in der Schweiz wurden im letzten Jahr laut einer Erhebung des Marktforschungsinstituts AC Nielsen 55 Millionen Franken für Papiertaschentücher ausgegeben. Das heisst: Jährlich schneuzen und husten die erkältungsgeplagten Schweizer in über zwei Milliarden weisse Tücher - und werfen sie danach fort. Am höchsten ist der Verbrauch in den Monaten November bis März.
Als Rohstoff für die Tücher dient Holz, wobei sich der Mix unterschiedlicher Zellulosearten auf ihre Eigenschaften auswirkt. So sorgt der Zellstoff von Nadelhölzern mit seinen langen Fasern für Reissfestigkeit, jener von Laubhölzern beeinflusst die Saugfähigkeit. Durch die Beigabe von Eukalyptuszellstoff werden die Tücher zudem angenehm weich.
Zwar hat die Sauerstoffbleiche dazu geführt, dass chlororganische Verbindungen im Abwasser stark zurückgegangen sind, dennoch ist die Produktion von Zellstoff immer noch umweltbelastend und energieintensiv. Migros, die sowohl Recycling-Produkte als auch Tücher aus frischem Zellstoff anbietet, nennt folgende Vergleichszahlen: Für die Produktion von einem Kilogramm Recycling-Tücher werden 1,15 Kilogramm Altpapier und 5 Liter Wasser verwendet, für das Frischzellprodukt sind 2,2 Kilogramm Holz und 250 Liter Wasser nötig.