Die Experten eines spezialisierten Labors fanden in 24 häufig verkauften Weinen der Grossverteiler insgesamt 15 verschiedene chemische Stoffe, darunter 10 Fungizide (Pilzvernichtungsmittel). Einige Weine enthielten auch Unkrautvernichter wie Glyphosat oder Insektizide. Der «K-Tipp» untersuchte vor sieben Jahren 30 Flaschen («K-Tipp» 1/2015). Vergleicht man die Resultate, ist das Fazit bedenklich: Die Winzer spritzen heute noch mehr verschiedene Pestizide. Rotweine waren damals wie heute stärker belastet als Weissweine.
Für die Natur und für Weintrinker sind das keine guten Nachrichten. Die Untersuchung zeigt deutlich, wie stabil gewisse Pestizide sind. In der Weinproduktion müssten eigentlich die meisten Chemikalien abgebaut werden. Insbesondere das lange Gären und Reifen sowie allfälliges Filtrieren wirken wie eine Kläranlage. Dennoch konnte das Labor viele Pestizide in Mengen über 0,01 Milligramm pro Kilogramm nachweisen. Von diesen Pestiziden oder ihren Abbauprodukten massen die Experten mengenmässig die höchsten Rückstände: Boscalid, Cyprodinil, Dimetomorph, Fludioxinil, Folpet, Glyphosat, Iprovalicarb, Mandipropamid und Metalaxyl.
Die EU-Grenzwerte für Einzelsubstanzen wurden von keinem Wein überschritten. Nach wie vor kaum erforscht ist aber, wie sich solche Cocktails an Pestizidrückständen langfristig auf die Gesundheit auswirken. Summengrenzwerte gibt es weder in der Schweiz noch in der EU. Selbst mittlerweile aus dem Verkehr gezogene Fungizide wie Carbendazim und Thiophanat-Methyl liessen sich in mehreren Flaschen nachweisen. Bei beiden Stoffen besteht laut der EU-Pestiziddatenbank das Risiko, dass sie zellverändernd wirken und die Fortpflanzungsfähigkeit negativ beeinflussen.
Bedrohung für Tiere und Pflanzen
Die meisten der gefundenen Stoffe sind laut der EU-Datenbank zudem für Wasserlebewesen giftig und verschmutzen die Gewässer. Die Langlebigkeit der Pestizide führt dazu, dass sich die Stoffe in der Natur verbreiten und selbst geschützte Gebiete erreichen, die als Rückzugsraum für Pflanzen, Insekten und Vögel dienen sollten. Das zeigte saldo mit Messungen in Naturschutzgebieten auf (saldo 10/2021). Folge: Insekten, Vögel und Wasserlebewesen verschwinden.
Fachleute des Wasserforschungsinstitutes Eawag und des Ökotoxzentrums prangern die Pestizidcocktails in Gewässern seit Jahren an. In den meisten Wasserproben seit 2012 wurden 30 oder mehr Pestizide nachgewiesen. Im Abschlussbericht 2019 steht, für Pflanzen und Tiere im Wasser bestehe ein Risiko für akute und chronische Schäden.
Wie viel nach wie vor gespritzt wird, zeigen die Resultate der drei Flaschen, die am stärksten belastet waren: Im weissen «Volgaz» wies das Labor 12, im weissen «Staatsschreiber Cuvée Blanc Prestige» 13 und im roten «Gemswändler Pinot Noir» sogar 14 Pestizide nach.
Die Volg-Weinkellerei ist über die Resultate nicht erstaunt. Die Werte lägen im erwarteten Rahmen und unter den europäischen Grenzwerten. Der Hersteller des «Gemswändler» und des «Volgaz» schreibt: «Wir verarbeiten in unserem Betrieb in Winterthur das Traubengut verschiedener, konventionell arbeitender Produzenten. Deshalb kann die Zahl der eingesetzten Pestizide von Jahrgang zu Jahrgang und von Sorte zu Sorte variieren.»
Ähnlich argumentiert die Staatskellerei Zürich, die für die «Cuvée Blanc Prestige» die Trauben von rund hundert Bauern verarbeitet. «Die Trauben stammen von unterschiedlichen Winzern, die unterschiedliche Spritzmittel benützen», sagt Christoph Schwegler, Geschäftsführer der Staatskellerei. Er ergänzt: «Auch wir würden uns wünschen, dass die ertragreichen Traubensorten bereits heute pilzresistenter wären und dadurch nur noch mit alternativen Spritzmitteln gearbeitet werden könnte.» Die meisten Winzer seien zurzeit aber noch auf synthetische Pestizide angewiesen, um ihre Existenz zu sichern.
Bio-Weine zeigen: Es ginge auch ohne Chemie
Wein kann man allerdings auch ohne synthetisch-chemische Pestizide herstellen. Das zeigen die Bio- Produkte der saldo-Stichprobe. In den geprüften vier Flaschen fand das Labor keine Rückstände.
Die Produzenten von konventionellem Wein argumentieren damit, dass es auch im Bio-Weinbau nicht ohne Spritzmittel gehe und die Bio-Winzer viel Kupfer einsetzen würden.
Tatsächlich kann sich dieses Metall im Boden anreichern und hat dort negative Auswirkungen auf Lebewesen. Kupfer darf jedoch auch im konventionellen Rebbau als Anti- pilzmittel eingesetzt werden.
Greenpeace liess 2016 sechs Bodenproben aus verschiedenen Weinbergen im Labor analysieren. Resultat: In den Proben aus konventionellem Anbau war deutlich mehr Kupfer enthalten als in den Bio-Bodenproben.