Mit den teuren Modellen fährt es sich schlecht
Ein TCS-Test zeigt: Günstige Schneeketten überzeugen mit einfacher Handhabung und guten Fahreigenschaften. Teure Schnellmontierer hingegen versagen.
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saldo 19/2004
24.11.2004
Marc Meschenmoser
Wie lange braucht jemand, um Schneeketten zu montieren, der normalerweise mit dem Zug in die verschneiten Berge gefahren wird? Erstmals in seinem Leben beugte sich ein saldo-Redaktor über eine Montageanleitung des Modells König Fly: Stahlring hinters Rad legen, Seilring hochziehen, spannen, schliessen, fertig.
Die Theorie klingt einfach - und der Laientest in der Praxis erwies sich verblüffenderweise als nicht viel schwieriger. Im zweiten Anlauf klappte es, selbst mit klammen F...
Wie lange braucht jemand, um Schneeketten zu montieren, der normalerweise mit dem Zug in die verschneiten Berge gefahren wird? Erstmals in seinem Leben beugte sich ein saldo-Redaktor über eine Montageanleitung des Modells König Fly: Stahlring hinters Rad legen, Seilring hochziehen, spannen, schliessen, fertig.
Die Theorie klingt einfach - und der Laientest in der Praxis erwies sich verblüffenderweise als nicht viel schwieriger. Im zweiten Anlauf klappte es, selbst mit klammen Fingern. 10 Minuten 59 Sekunden, die Kette sitzt.
«Moderne Ketten sind viel einfacher zu montieren als die älteren Modelle», sagt André Staudenmann, Testleiter beim Touring Club Schweiz (TCS). Der Experte empfiehlt gleichwohl, das Prozedere einmal in der trockenen Garage zu üben, denn ein erster Test bei Minustemperaturen und Schneegestöber ist deutlich mühsamer.
Zudem kann der rasche Einsatz der Fahrhelfer lebensrettend sein: Allein im letzten Jahr starben in der Schweiz 16 Automobilisten auf schnee- und eisbedeckten Strassen, 200 wurden schwer verletzt. Schneeketten helfen, solch gefährlichen Rutschpartien vorzubeugen.
Doch welche Schneeketten garantieren festen Halt bei prekären Verhältnissen? Der TCS hat die meistverkauften Produkte getestet. Sie unterscheiden sich in drei Kategorien:
- Seilketten sind einfach, preisgünstig und werden am meisten verkauft. Das Kettennetz wird durch eine Spannkette aussen am Rad zusammengehalten.
- Stahlringketten werden an der Innenseite des Rads mit einem Stahlring verschlossen und geöffnet; sie zeichnen sich durch guten Halt am Rad aus.
- Bei Schnellmontagesystemen wird ein Adapter an die Felge geschraubt - danach zieht sich die Kette beim Anfahren selbständig aufs Rad.
Beim Test prüften drei Spezialisten und zwei Laien die Handhabung, das Anfahren und Bremsen auf Schnee, Fahren auf Eis sowie den Verschleiss des Materials.
Fazit: Fünf der zehn Ring- und Seilketten erhielten die Note «gut»: Die Modelle waren einfach zu montieren und leisteten sich beim Fahren auf Schnee und Eis keine grossen Ausrutscher. Einzig kleine Mängel wie ungenügende Verpackung, erhöhter Verschleiss oder strenger Spannmechanismus trennten sie von der Bestnote «sehr gut». Der Testsieger König Fly überzeugte mit ausgewogenen Eigenschaften in allen Kriterien - auch beim Preis: Mit 110 Franken ist diese Kette das zweitgünstigste Produkt. Ebenfalls gut schnitten vier weitere Fahrhilfen ab.
Das günstigste Modell für 75 Franken, Iceblok von Maggi, fiel hingegen komplett durch: Diese Schneekette ist für die Praxis viel zu schwach - sie ging als einziges Produkt bei allen Testversuchen in die Brüche.
Schnellmontierer: Schlechtes Fahrverhalten
Ebenfalls wenig berauschend schnitten die teuersten Modelle ab. Diese Schnellmon-tageketten mit Radadapter sind zwar alle sehr einfach in der Bedienung. Doch trotz der hohen Preise zwischen 390 und 533 Franken überzeugen sie beim Fahrverhalten nicht und erhielten insgesamt die Note «mangelhaft». Alle drei Produkte bremsten auf Schnee und Eis schlecht - fatale Eigenschaften für eine Kette.
Im Test zeigte sich, dass die Schnellmontierer zu locker auf den Reifen liegen, das Rad drehte teilweise innerhalb der Kette weiter. Beim Schlusslicht Trak von Technomag war der Bremsweg sogar um einen Drittel länger als bei einem Auto mit simplen Winterreifen und ohne Fahrhilfe.
Trotz der hohen Preise krasse Sicherheitsmängel
TCS-Testleiter André Staudenmann: «Derartige Mängel sind vor allem bei solch hohen Preisen unverständlich.» Die Hersteller und Importeure der betroffenen Produkte sagen, dass ihre Modelle in früheren Tests besser abgeschnitten hätten. Über seine Kette Comfort Centrax schreibt Hersteller Rud, dass diese «auf Schnee systembedingt nicht ganz die Werte von konventionellen Ketten erreicht», da sie auf komfortabelste Montage ausgelegt sei.
So fahren Sie sicher
- Für Fahrzeuge mit Frontantrieb eignen sich die günstigeren Seilketten am besten. Bei Heckantrieb empfehlen sich Ketten mit Stahlring, da der starre Stahlringverschluss im engen Radkasten einfacher verschlossen werden kann.
- Ketten sollten ersetzt werden, wenn die Glieder zur Hälfte abgeschabt sind.
- Schneeketten sind kein Ersatz für Winterpneus. In einem Test mit Sommerpneus zeigte sich, dass sich das Fahrverhalten besonders bergab dramatisch verschlechtert.
- Elektronische Fahrdynamikregelung (ESP) - sofern vorhanden - ausschalten. Grund: Sie verhindert ein Durchdrehen des Rades, was aber beim Anfahren mit Schneeketten nötig ist.
- Hände weg von textilen Anfahrhilfen wie Autosocks usw. Diese sind mit rund 160 Franken teuer, bei Kettenobligatorium verboten und in Tests erst noch schlechter als normale Winterreifen.