Wer Wasserkocher aus Plastik benutzt, trinkt in seinem Tee oft Mikroplastik mit. Denn beim Aufkochen lösen sich kleine Kunststoffteilchen von den Plastikwänden und vom Deckel. Das zeigt der saldo-Test (siehe «So wurde getestet»): Im Labor gaben sechs von zehn Wasserkochern aus Plastik Teilchen in der Grösse von 5 bis 50 Mikrometer ab. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist 60 bis 100 Mikrometer dick.
Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit geht davon aus, dass Mikroplastikteile, die weniger als 150 Mikrometer gross sind, im Körper bleiben – und vom Gewebe aufgenommen werden können. Bei Studien mit Tieren fanden Forscher Plastikpartikel in Darmwänden und Lymphgefässen.
Die Kleinstteile können laut der Behörde zu lokalen Entzündungen führen. Die Forscher vermuten auch, dass sie das Immunsystem beeinflussen. Grössere Plastikpartikel über 150 Mikrometer werden laut diversen Untersuchungen wieder ausgeschieden.
Mit den Plastikpartikeln kommen riskante Stoffe in den Körper
Das deutsche Bundesamt für Risikobewertung weist auf ein weiteres Problem hin: Die Partikel können chemische Schadstoffe wie krebserregende polizyklische Kohlenwasserstoffe (PAK) oder hormonaktive Weichmacher in den Körper einschleusen. Im Test gaben fünf Wasserkocher den Kunststoff Polyamid ab (siehe Tabelle im PDF). Hersteller setzen ihn ein, weil er als besonders hitzestabil gilt. Aus dem Kunststoff können sich Oligomere lösen. Diese Stoffe stehen im Verdacht, in hohen Dosen die Leber und die Schilddrüse zu schädigen.
Das Wasser aus dem «Aqua W3 Wasserkocher» von Satrap enthielt als einziges Gerät Polypropylen-Partikel. Dieser Kunststoff gilt als unbedenklich – zumindest bezüglich Schadstoffen.
Zurzeit ist noch unklar, welche langfristigen Risiken von Mikroplastik ausgehen. Das Problem ist seit Jahren bekannt, trotzdem gibt es keine gesetzlichen Grenzwerte oder konkreten Einschätzungen zum gesundheitlichen Risiko der Konsumenten. saldo empfiehlt, auf Wasserkocher aus Plastik zu verzichten. In den Läden gibt es auch Modelle aus Metall oder Glas.
Pro Woche nimmt ein Mensch bis zu fünf Gramm Plastik auf
Menschen und Tiere kommen täglich mit Mikroplastik in Berührung: Die Partikel verschmutzen Luft, Meere, Böden und Lebensmittel (siehe Kasten unten). Sie wurden auch schon in Trinkwasser, Muscheln, Bier oder Meersalz gefunden. Laut Hochrechnungen der Universität Newcastle in Australien nimmt ein Mensch pro Woche bis zu fünf Gramm Plastik auf. Das entspricht dem Gewicht einer Kreditkarte.
Die Hersteller von Wasserkochern aus Plastik sind sich des Problems bewusst. Melitta schreibt, der Wasserkocher «Enjoy» werde nicht mehr produziert. Man verfolge die Diskussionen um Mikroplastik genau, um «eventuelle künftige Grenzwerte sicher einzuhalten». Coop will die Testergebnisse in neue Produkte einfliessen lassen. Migros verweist auf Wasserkocher aus Metall und Glas.
In der Schweiz landen 615 Tonnen Mikroplastik pro Jahr in der Umwelt
Im Jahr 2016 wurden in Europa 60 Millionen Tonnen Kunststoff produziert.
Weltweit waren es 335 Millionen Tonnen. Nicht enthalten in diesen Zahlen ist der verbreitete Kunststoff PET. Er dient zum Beispiel zur Herstellung von Mineralwasserflaschen. Laut einer Analyse der Umweltorganisation WWF gelangt weltweit ein Drittel des produzierten Plastiks in die Umwelt.
Allein in der Schweiz landen laut neusten Zahlen der Eidgenössischen Prüf- und Materialanstalt Empa jedes Jahr rund 5000 Tonnen Plastik im Boden, in der Luft oder im Wasser. Davon entfallen 615 Tonnen auf Mikroplastik – also auf Kunststoffteilchen, die 0,1 Mikrometer bis 5 Millimeter gross sind. Nicht eingerechnet hat die Empa den Reifenabrieb. Er gilt allgemein als grösste Quelle von Mikroplastik.
Laut Empa verschmutzen vor allem Landwirte und Bauunternehmen die Böden mit Mikroplastik. Die Bauern decken ihre Felder oft mit Folien ab. Diese zerfallen, der Plastik bleibt im Boden. Ähnlich bei Kunststoffrohren oder Isolationen an Häusern: Bei der Installation und beim Abbruch solcher Materialien bleibt immer Plastik zurück. Eine weitere Quelle für Mikroplastik im Boden ist die Abfallentsorgung. Beim Zerkleinern von Kunststoffabfällen entstehen Partikel.
Gewässer werden laut Empa eher durch das Tragen und Waschen von Kleidern aus Kunststoff verschmutzt. Auch über Kosmetik gelangt Mikroplastik ins Wasser.
So wurde getestet
saldo hat zehn Wasserkocher aus Plastik ins technische Labor PZT in Wilhelmshaven (D) geschickt. Das Labor kochte mit jedem Gerät 250 Mal Wasser. Anschliessend wurden die Kocher mit handelsüblichem Entkalker gereinigt. Danach füllten die Labormitarbeiter in jeden Wasserkocher gereinigtes Wasser ohne Mikroplastik und brachten es zum Kochen.
Ein zweites, auf Mikroplastik spezialisiertes, Labor untersuchte das Wasser mit Mikroskop und Spektrometer. Bei dieser Methode wird das aus dem Wasser gefilterte Mikroplastik mit Infrarot bestrahlt. Das Spektrometer misst – vereinfacht ausgedrückt –, welche Strahlen durch das Plastik reflektiert werden. Das Strahlenmuster funktioniert wie eine Art Fingerabdruck. Jedes Muster kann einem bestimmten Material zugeordnet werden. Auf diese Weise lässt sich bestimmen, um welche Plastiksorten es sich handelt.