Lachspaté und Leberpains: Keine Spur von delikat
Für Apéro-Häppchen sind sie sehr beliebt: Salzige Brotaufstriche, meist aus der Tube. Doch in der saldo-Degustation lösten die Pasten wenig Begeisterung aus.
Inhalt
saldo 20/2003
03.12.2003
Mike Weibel
Tonnenweise streichen sich die Schweizer Fleisch- und Fischpasten aufs Brot. Allein die Migros verkauft von ihrem Spitzenreiter Crème Sandwich jährlich 160 Tonnen. Marktführer Le Parfait, eine Nestlé-Tochter, beziffert seinen gesamten Schweizer Pastenabsatz mit 1000 Tonnen pro Jahr.
saldo wollte wissen, wie die Pasten im direkten Vergleich schmecken und lud sieben Experten und drei Laien zur Degustation ins Restaurant Belvoirpark in Zürich. Serviert wurden die sogenannten Pai...
Tonnenweise streichen sich die Schweizer Fleisch- und Fischpasten aufs Brot. Allein die Migros verkauft von ihrem Spitzenreiter Crème Sandwich jährlich 160 Tonnen. Marktführer Le Parfait, eine Nestlé-Tochter, beziffert seinen gesamten Schweizer Pastenabsatz mit 1000 Tonnen pro Jahr.
saldo wollte wissen, wie die Pasten im direkten Vergleich schmecken und lud sieben Experten und drei Laien zur Degustation ins Restaurant Belvoirpark in Zürich. Serviert wurden die sogenannten Pains auf gerösteten Toastbrotscheiben. Die Testesser beurteilten Aussehen, Geruch, Geschmack und Konsistenz mit Noten von 1 bis 6.
Das ernüchternde Resultat: Zu begeistern vermochten die Brotaufstriche nicht. Der maximale Notendurchschnitt lag bei 4,6. Drei Produkte erreichten bloss eine Gesamtnote zwischen 2 und 3 - sie schmeckten also ziemlich schlecht.
Manche Brötchen sahen auch schnell schlecht aus: Die Pasten verfärben sich an der Luft dunkel und wirken dann unappetitlich. Konditor Jacques Engels rät: «Länger als eine halbe Stunde darf ein bestrichenes Brötchen nicht herumstehen, sonst oxidiert die Paté und das Brot weicht auf.»
Mit deutlichem Abstand am besten gefiel die Lachspains aus der Migros-Tube. «Gut gewürzt», befand die Sensorikerin Luzia Müller. Jacques Engels meinte: «Angenehmes Aroma, gute Farbabstimmung zum Geschmack.» Selbst der Lachsexperte Daniel Brunner gab dem Produkt eine 4, kritisierte jedoch die «nass gebeizten, billigen Lachsabschnitte», die er darin vermutete. Die Lachspaste ist das jüngste Tubenprodukt im Migros-Sortiment.
Platz zwei für den Klassiker unter den Leberpains
Auf dem zweiten Platz figurierten punktegleich Crème Sandwich von Migros sowie Le Parfait Original, das seit 1950 auf dem Markt ist und gemäss Nestlé immer noch dieselbe Rezeptur wie anno dazumal hat. Die Leberpaste ist aus einem fleischlosen Brotaufstrich auf Hefebasis entstanden, den der Freiburger Claude Blancpain während des Zweiten Weltkrieges entwickelt und erfolgreich vermarktet hatte. «Cremig, eindeutiger Geschmack», notierte Publizistin Margrit Amstutz dazu. Metzger Heinz Küenzli erinnerte die Paste ans Militär. Sie gefiel den Testern auch optisch: Die kleinen schwarzen Sprenkel aus gehackten Herbsttrompeten machen Le Parfait Original interessanter als andere Pasten.
Ähnlich gut gefiel die Fischpaste Thonpains aus der Migros-Küche: Sie war für Luzia Müller «wegen des eindeutigen Fischgeschmacks das beste Produkt». Auch bei den Laien-Testern kam die Thunfischpaste gut an - ein Hinweis auf die Konsumentengunst, die sich in steigenden Verkaufszahlen spiegelt (siehe Kasten Produktion).
Wenig Gnade bei den drei Nicht-Experten fand dagegen das einzige vegetarische Produkt im Test. Sie befanden die Tartex-Paste als «klebrig, pappig im Mund» und «ohne Geschmack, undefinierbar». Bei den Profis kam Tartex hingegen viel besser an - besonders die beiden Metzger bewerteten sie überdurchschnittlich.
Jensen's Lachs-Paté bei Globus bald nicht mehr im Regal
Für einmal lagen sowohl das teuerste wie auch das billigste Produkt auf den letzten Rängen: Die Truta Truten Pain aus dem Denner bildete das Schlusslicht, die fünfmal so teure Lachs-Paté, gekauft bei Globus Delikatessa, erreichte den drittletzten Platz.
«Süss, widerlich», urteilte die Jury über die Truta Truten Pain und gab ihr die schlechteste Note. «Dass unser Produkt als trocken und zu wenig fett bezeichnet wurde, ist ein positives Merkmal, das für viele Kunden kaufentscheidend ist», wehrt sich Denner-Sprecher Lukas Brühwiler. Überdies sei die Geflügelpaste ein gut eingeführtes Produkt mit steigendem Umsatz, obschon sie nie beworben worden sei.
«Schade um den Lachs», meinte Daniel Brunner zur noblen Delikatessa-Lachspaste. Zu diesem Ergebnis ist inzwischen auch Globus gekommen: Per Ende Jahr fliegt das deutsche Produkt aus dem Sortiment.
So kommt der Thon in die Tube
Es ist 16 Grad kühl und riecht säuerlich nach Thunfisch. Zwei Männer in weisser Arbeitskleidung halten die Produktion in Gang; in der «weissen Zone», wo Lebensmittel offen verarbeitet werden, gelten strenge Hygienevorschriften. Alle paar Wochen wird hier, im Untergeschoss einer Industriehalle in Bischofszell TG, Thonpains hergestellt, von morgens 6 Uhr bis mittags 2 Uhr. 20 000 Tuben sind in einer Schicht zu füllen.
Diese stehen später im Gestell der Migros-Filialen. Denn die Bischofszell Nahrungsmittel AG ist eine Tochtergesellschaft des Grossverteilers. Über tausend verschiedene Lebensmittel stellt das Ostschweizer Unternehmen her. In den weitläufigen Produktionsanlagen arbeiten rund 900 Personen. Der Standort der Fabrik inmitten eines Landwirtschaftsgebietes spielt heute keine Rolle mehr - die Rohstoffe werden aus ganz Europa angeliefert.
Entleert aus silbrigen Packungen muss sich der thailändische Thon zuerst vom Öl trennen, in dem er eingelegt war. Der Fettgehalt des Fischfleisches schwankt stark, je nach Fang. «Deshalb können wir bei Thon- und Lachsprodukten keine Nährwerte angeben», erklärt Produktionsleiter Martin Wundling. Basis für die Paste ist eine Mischung aus Palmöl, Wasser, Tomatenkonzentrat, Milcheiweiss, Reisstärke, Salz, Zwiebeln, Knoblauch und Zitronenkonzentrat.
All diese Zutaten füllt ein Arbeiter kübelweise in einen Mixer, der die Masse fein püriert. Dann kommt der Thon hinzu, und die Maschine vermengt die Stoffe nochmals - fertig ist die Paste.
Der Brei wird in Wannen gepumpt und zum Abfüllautomaten transportiert, der ihn unter Vakuum in Tuben presst. Diese stecken zwei Arbeiterinnen in Lochbleche, um sie anschliessend in eine sechs Meter lange Stahlröhre, den Autoklaven, zu fugen. Erst dort wird das Thonpains auf über 100 Grad erhitzt und sterilisiert. So bleibt es fast zwei Jahre haltbar.
«Wenn wir nicht ständig wechselnde Produkte herstellen würden, wäre die Handarbeit hier längst wegrationalisiert», kommentiert Wundling. Der Produktionschef war selber an der Entwicklung des Thonpains beteiligt. 15 Jahre ist das her. Erst 1999 hat Le Parfait ein Konkurrenzprodukt lanciert. Dieses Jahr werden in Bischofszell 350 000 Tuben mit der Thonmasse gefüllt. Das entspricht etwa der Verarbeitung von 1800 Thunfischen.