Kein Verlass auf die Angaben der Hersteller
Der Spritverbrauch von Autos ist im Stadtverkehr viel höher, als die Hersteller angeben. Das belegen Messungen der Empa. Grund für die Abweichungen ist ein untauglicher Verbrauchstest.
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saldo 6/2006
29.03.2006
Franco Tonozzi
Wer schon immer den Eindruck hatte, dass sein Auto mehr Benzin oder Diesel schluckt, alsimFahrzeugbüchleinsteht, irrt sich nicht. Die Bestätigung kommt jetzt von der Eidgenössischen Forschungsanstalt Empa. Sie hat den Stadtverbrauch von 24 Fahrzeugen bei verschiedenen Temperaturbedingungen gemessen (siehe Tabelle). Das Resultat: Kein einziges Auto erreicht die veröffentlichten Verbrauchswerte.
Der reale Mehrverbrauch fällt umso höher aus, je tiefer die Temperatursinkt.Beihoc...
Wer schon immer den Eindruck hatte, dass sein Auto mehr Benzin oder Diesel schluckt, alsimFahrzeugbüchleinsteht, irrt sich nicht. Die Bestätigung kommt jetzt von der Eidgenössischen Forschungsanstalt Empa. Sie hat den Stadtverbrauch von 24 Fahrzeugen bei verschiedenen Temperaturbedingungen gemessen (siehe Tabelle). Das Resultat: Kein einziges Auto erreicht die veröffentlichten Verbrauchswerte.
Der reale Mehrverbrauch fällt umso höher aus, je tiefer die Temperatursinkt.Beihochwinterlichen minus 20 Grad Celsius kann die Abweichung zu den Angaben der Hersteller am Anfang der Fahrt bis zu 80 Prozent betragen. Bei gemässigteren minus 7 Grad liegt die maximale Differenz immer noch bei fast 60 Prozent.
Die Empa testet unter realistischen Bedingungen
Die Automobilhersteller bestimmen den Treibstoffverbrauch ihrer Fahrzeuge gemäss einer EU-Richtlinie bei plus 23 Grad Celsius. Dieses T-Shirt-WettermagdemKlima in Kalifornien entsprechen, wo der Test ursprünglich entwickeltwordenist.Südeuropa kann bei dieser hohenTemperatur gerade noch knapp mithalten. Die Schweiz nie und nimmer: 23 Grad oder mehr werden in den Ballungszentren Zürich, Basel und Bern nur gerade an 60 von 365 Tagen erreicht. Die mittlere Temperatur in der Stadt Zürich liegt bei kühlen 8 Grad.
Aber selbst unter kalifornischen Verhältnissen hat die Empa ermittelt, dass die Autos im Schnitt um 16 Prozent durstiger sind, als die Hersteller angeben. Empa-Experte Martin Weilenmann kennt den Grund: «Wir verwenden einen Test, der die realen Verhältnisse im Stadtverkehr genauer abbildet als der gesetzlich vorgeschriebene.» Die Forschungsanstalt berücksichtigt nämlich das ruckartige Fahren im zähflüssigen Innerortsverkehr stärker, wo häufig abgebremst und wieder beschleunigt wird.
Die Hälfte der Fahrten ist kürzer als 5 Kilometer
Von besonderer Bedeutung ist der Treibstoffverbrauch auf sehr kurzen Strecken. Denn genau so nutzen Herr und Frau Schweizer ihr Fahrzeug von Autos ist im höher, als die Hersteller belegen Messungen der Abweichungen ist Verbrauchstest. mit Vorliebe. Ob sie Gipfeli holen oder ins Fitnesszentrum fahren: Von den mit dem Auto zurückgelegten Wegen ist die Hälfte kürzer als 5 Kilometer. Ein Drittel der Strecken liegt unter 3 Kilometern und fast ein Fünftel ist sogar kürzer als 1 Kilometer. Wer so fährt, braucht sich nicht zu wundern, dass er Stammgast an der Zapfsäule wird. Empa- Experte Weilenmann erklärt weshalb: «Im Kaltstart auf kurzen Strecken verbrauchen Motoren überproportional viel Treibstoff.»
Hyundai Accent: 10,5 statt 8,4 Liter auf 100 Kilometer
Dem aber tragen die Angaben der Autobauer keine Rechnung. Bei plus 23 Grad Celsius sollte beispielsweise der Hyundai Accent in der Stadt 8,4 Liter auf 100 Kilometer brauchen. Die Empa misst für die ersten 5 Kilometer allerdings 10,5 Liter - das sind satte 25 Prozent mehr. Sogar mit vollständig warmem Motor liegt der Accent mit 9,2 Litern mehr als 10 Prozent über den Verbrauchsangaben des Herstellers.
Dass die Koreaner beim Ermitteln des Benzinverbrauchs auch bei der Standardmessung nach EU-Recht danebenliegen können, bemängelt auch der TCS, wie der «Beobachter» berichtet: Der Hyundai Tucson V 6 begnügt sich laut Hersteller in der Stadt mit 13,2 Litern pro 100 Kilometer. Der TCS kommt bei eigenen Messungen nach gleichem Verfahren aber auf 15,9 Liter. Auf 100000 Kilometer schluckt der Offroader so 2700 Liter mehr Sprit und verursacht dadurch Zusatzkosten von rund 4000 Franken.
Jetzt hat Hyundai reagiert. Mediensprecher Ueli Christen: «Wer einen Tucson besitzt und einen zu hohen Verbrauch feststellt, kann das Auto zur Gratiskontrolle in seine Garage fahren.»
Autobauer wissen, dass die Angaben nicht stimmen
Absurd ist: Die von saldo angefragten Automobilimporteure wissen, dass ihre Verbrauchsangaben für den Stadtverkehr wenig mit der Wirklichkeit zu tun haben. Das kümmert sie auch gar nicht - denn es spiele keine Rolle. Wichtig sei nur, dass die gesetzlichen Bestimmungen bei der Messung eingehalten würden, sagen sie. Der Konsument wird also an der Nase herumgeführt. Er bekommt Zahlen geliefert, die Sparsamkeit vortäuschen, wo keine ist.
Fazit: Der Verbrauchstest innerorts nach EU-Richtlinien weist für Automobilisten in der Schweiz drei gravierende Unzulänglichkeiten auf:
1. Die Werte werden bei einer unrealistisch hohen Aussentemperatur erhoben.
2. Die Messungen bilden nicht das typische Fahrverhalten in der Stadt ab.
3. Der Verbrauch auf Strecken unter 5 Kilometern mit kaltem Motor ist bei der Durchschnittsangabe zu wenig gewichtet, obwohl Autos in der Schweiz häufig für solch kurze Wege eingesetzt werden.
Spritverbrauch: So testet die Empa
Um den Treibstoffverbrauch von Autos im Stadtverkehr zu ermitteln, misst die Empa mit dem IUFC15-Test. Diese Kriterien wurden aus Fahrverhaltensstudien in mehreren europäischen Ländern zusammengetragen.
Der Test gewährleistet, dass der Benzin- und Dieselverbrauch einer typischen Innerortsfahrt ermittelt wird. Die Empa misst den Verbrauch wie die Automobilhersteller bei einer sommelichen Temperatur von 23 Grad Celsius. Zusätzlich werden aber auch winterliche Verhältnisse bei minus 7 Grad sowie bei minus 20 Grad in einer Kältekammer simuliert.