Geriebener Käse ist ein Paradies für Keime. Die Oberfläche ist massiv vergrössert, der Schutz der Rinde fehlt. Trotzdem soll man Reibkäse laut den Verbauchsdaten auf den Beuteln bis zu zwei Monate lang sorglos konsumieren können. Stimmt das?
saldo schickte 20 Packungen Reibkäse gekühlt in ein Labor. Die Experten prüften die Produkte auf zahlreiche Keime – und zwar am letzten Tag, am dem sie laut den Herstellern noch einwandfrei sein sollten (siehe Kasten «So wurde getestet»).
Die gute Nachricht: Keine Probe enthielt Krankheitserreger wie Listerien, Salmonellen oder Staphylokokken. Allerdings wiesen fünf Produkte am Verbrauchsdatum deutlich erhöhte Gehalte von Hefepilzen auf. Darunter waren zwei Packungen von Coop sowie je eine von Volg, Denner und Migros. Eine grosse Zahl Hefepilze deutet darauf hin, dass während der Herstellung nicht sauber gearbeitet wurde. Während der Lagerung vermehren sich die Kleinstlebewesen sprunghaft und verderben so die Ware – im schlimmsten Fall bis zur Ungeniessbarkeit. Eine hohe Hefenzahl kann aber auch ein Zeichen für zu lange Lagerung sein. Trotzdem gibts in der Schweiz für Hefepilze in Reibkäse keinen Grenzwert.
«Grana Padano» enthielt als einziger Schimmelpilze
Der Migros-Reibkäse «Grana Padano» war am Ablaufdatum sogar verdorben. Der italienische Hartkäse enthielt 60 Millionen koloniebildende Einheiten Hefepilze pro Gramm (KBE/g). Zum Vergleich: Bei 8 der 20 Packungen konnte das Labor keine Hefen nachweisen. Das Migros-Produkt war zudem der einzige Käse, bei dem die Experten Schimmelpilze entdeckten. Bei ungeöffneten Verpackungen sollte das nicht passieren. Ein Schutzgas aus Stickstoff und Kohlendioxid im Beutel schützt den Reibkäse in der Regel vor Schimmelwachstum.
Schimmelpilze vermehren sich selbst bei Kühlschranktemperatur. Bei hohem Gehalt können die Pilze hitzeresistente Giftstoffe bilden. In der Schweiz wird ein Lebensmittel erst beanstandet, wenn der Schimmel bereits von Auge erkennbar ist. Dies war beim «Grana Padano» nicht der Fall. Laut einer Leitlinie der Schweizer Milchbranche sollte Reibkäse nicht mehr als 10 000 KBE/g Schimmelpilze aufweisen – das Migros-Produkt hatte 30 Mal so viel.
Die Experten waren überrascht, dass sie bei diesem Produkt trotz der hohen Keimbelastung keinen Fremdgeruch wahrnahmen. Eine Erklärung dafür könnte der starke Eigengeruch des Käses gewesen sein.
Wenn Konsumenten schon nicht erkennen, ob der Reibkäse im Beutel unappetitliche Keime enthält, sollten sie wenigstens wissen, welchen Käse sie kaufen. Doch bei 7 der 20 Produkte in der Stichprobe ist die Sorte nicht ersichtlich. Auf der Packung steht nicht einmal, von welchem Tier die Milch für den Käse stammt. Beispiel: Beim «M-Budget Reibkäse» erfährt man nur, dass er aus «Extra-Hartkäse aus der Schweiz und Tschechien» hergestellt wurde. Bei der «Qualité & Prix Käsemischung» von Coop ist unklar, was mit «Bergkäse» gemeint ist. Auffällig: Die meisten dürftig deklarierten Packungen wiesen auch erhöhte Keimzahlen auf. Und es sind vor allem günstige Produkte, bei denen die Käufer schlecht informiert werden. Ausnahme: der Bio-Reibkäse von Aldi.
Für die Migros ist der Keimgehalt «nicht relevant»
Die Migros zeigt sich von den Ergebnissen unbeeindruckt. Prüfungen auf den Gehalt von Hefen und Schimmelpilzen seien für die Käseindustrie «nicht relevant». Denn gemäss der Schweizer Hygieneverordnung bestünden dafür keine Normen. Milch stehe in der Deklaration «automatisch für Kuhmilch», wenn keine andere Tierart auf dem Beutel angegeben werde. Coop erklärt, man werde die Resultate mit den Lieferanten prüfen. Laut Lidl sind Hefen «immer auf der Käseoberfläche nachweisbar». Denner schreibt zur nicht deklarierten Käsesorte: «Eine Bezeichnung würde bei dem tiefen Bekanntheitsgrad der verwendeten Käsesorte keinen Mehrwert für Konsumenten bieten.»
Tipps für den Gebrauch von Reibkäse aus dem Beutel:
Vor dem Kauf den Reibkäsebeutel zusammendrücken und prüfen, ob Luft entweicht. Falls ja, ist die Schutzatmosphäre zerstört, und es kann Schimmel entstehen.
Offene Packungen bei maximal sechs Grad lagern und innert drei Tagen aufbrauchen oder in den Tiefkühler legen.
Für mehr Frische und Aroma den Käse selber raffeln. Hartkäse am Stück ist gut gekühlt wochenlang haltbar.
Vom Kälbermagen in den Käse
Der für Reibkäse verwendete Hartkäse enthält meist tierisches Lab. Es lässt die Milch bei der Produktion gerinnen, ohne dass sie sauer wird. Das Lab wird aus der Magenschleimhaut geschlachteter junger Kälber, Lämmer oder Zicklein gewonnen. Den Jungtieren hilft es, die Muttermilch zu verdauen.
Konsumenten erfahren meist nicht, ob Käse tierisches Lab enthält. Es muss in der Zutatenliste nicht ausgewiesen werden. Das gilt auch für Bio-Produkte. Von den 20 geprüften Reibkäsen war Lab nur auf fünf Verpackungen deklariert. Eine Nachfrage bei den Händlern zeigt: Fast alle Produkte wurden mit tierischem Lab produziert. Nur Denner schreibt, der Reibkäse aus Wiesenmilch enthalte mikrobielles Lab. Dieses wird aus gezüchteten Schimmelpilzkulturen gewonnen.
Details zum Lab nennt kaum ein Händler. Globus und Lidl geben als Herkunft «EU» an, Aldi und Coop «EU» oder «Schweiz». Spar weiss nicht, von wo die Schweizer Kleinkäsereien Lab beziehen. Der Parmigiano Reggiano werde aber «immer mit Kälberlab hergestellt». Migros gibt an, das Lab werde von Vorlieferanten bezogen: «Deshalb können wir keine detaillierte Auskunft zur Gewinnung von Lab geben.»
Laut dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit wird tierisches Lab immer importiert: «Nach unseren Informationen aus Neuseeland.» Mehr weiss auch das Bundesamt nicht.
So wurde getestet
Ein spezialisiertes Labor in Deutschland untersuchte für saldo 20 Packungen Reibkäse am Tag des auf den Verpackungen angegebenen Verbrauchsdatums. Das waren die Prüfkriterien:
Hefepilze: Die Hefepilzsporen verbreiten sich über die Luft. Sie verderben Lebensmittel und können den Geschmack negativ beeinflussen.
Schimmelpilze: Auch diese Sporen verbreiten sich über die Luft. Sie können sich bereits bei niedrigen Temperaturen vermehren und bilden in Lebensmitteln ein Fadengeflecht, das von blossem Auge nicht sichtbar ist. Schimmel deutet auf zu feuchtes oder zu langes Lagern hin. Die Pilze können Allergien und bei Leuten mit geschwächtem Immunsystem schwere Krankheiten auslösen. Hitze tötet die Pilze ab. Doch einige Arten bilden gesundheitsschädliche, oft krebserregende Giftstoffe (Mykotoxine), die hitzeresistent sind.
Krankheitserreger: Die Experten prüften die Proben auf Listerien, Salmonellen, Staphylokokken, Bacillus cereus, Clorstridium perfringens, Cambylobacter, Koli- und Enterobakterien. Erfreuliches Resultat: Das Labor konnte diese Keime und potenziellen Krankheitserreger in keinem der 20 getesteten Produkte nach-weisen.