Der Busmotor dröhnt, der Zug rattert, die Nachbarn schwatzen – wer unterwegs mit einem MP3-Player Musik hört, wird trotz Kopfhörer neben der Musik immer auch mit viel Umgebungslärm beschallt. Das dürfte ein Hauptgrund sein, weshalb sogenannte In-Ear-Kopfhörer die weitverbreiteten Knopfohrhörer als meistverkaufte Kategorie abgelöst haben. In-Ear-Kopfhörer werden nicht einfach in die Ohrmuschel gehängt, sondern in den Ohrgang gesteckt. Sitzt der Hörer satt im Ohr, wird man nicht mehr vom Geschwätz der Mitfahrer im Zugsabteil gestört.
Die Abdichtung gegen den Umgebungslärm klappt aber nur dann, wenn die kleinen Stöpsel sich gut an das Ohr anpassen. Denn die Gehörgänge sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich geformt. Zu einem guten In-Ear-Kopfhörer gehört wie bei jedem anderen Kopfhörer eine überzeugende Klangqualität. Ausserdem soll er im Ohr nicht stören.
Hama klingt «verwaschen und entfernt, stark verfärbt, sehr dumpf»
saldo hat zehn Ohrkanalhörer – so die deutsche Bezeichnung für In-Ear-Kopfhörer – eingekauft und in einem spezialisierten Labor testen lassen (siehe unten «Kriterien»). Die Preisdifferenzen sind frappant: Der teuerste kostete 149 Franken, der günstigste nur Fr. 6.95. Das müsste sich eigentlich bei der Klangqualität niederschlagen. Doch bei diesem wichtigsten Kriterium konnte kein Ohrhörer brillieren. Den beiden Testsiegern – Sennheiser CX 300 II black und Apple In-Ear Headphones – reicht es immerhin zu passablen Bewertungen in diesem Punkt und sogar zu einem guten Gesamturteil.
Die meisten Modelle schneiden in der Gesamtbewertung nur mittelmässig ab, darunter auch das teuerste Modell Shure SE 115 für 149 Franken. Zwei Hörer aber fallen völlig ab: M-Budget In-Ear Headphones und Hama In-Ear Kopfhörer HK-206. Die Prüfpersonen beschrieben den Ton des M-Budget-Hörers als «sehr dumpf, nasal, kaum transparent» und «verfärbt». Ausserdem bemängelten sie, der Bass sei zu schwach. Noch schlechtere Noten beim Klang musste der Hörer von Hama einstecken: «Klingt verwaschen und entfernt, stark verfärbt, sehr dumpf.» Weitaus am besten beim Klang schnitt CX 300 von Sennheiser ab. Die Qualität sei «recht ausgewogen» und «insgesamt angenehm», so das Urteil der Prüfer.
Je besser die Passform im Ohr, desto sauberer der Klang
Die Hörer von Apple, Panasonic und Sony gehörten ebenfalls zu den besseren bei diesem Kriterium. Aber weshalb hat kein Produkt richtig überzeugt? Dazu Prüfleiter Thomas Mayer: «Die Tester verglichen die Ohrkanalhörer mit einem geschlossenen Qualitätshörer.» Eine Spitzennote sei deshalb nur sehr schwer zu erreichen, weil In-Ear-Hörer technisch gesehen unmöglich an einen Hi-Fi-Hörer herankommen können. Der Vergleich mit einem Top-Kopfhörer ist laut Mayer aber die sauberste Methode.
Hama: Schlusslicht auch beim Tragekomfort
Ärgerlich war bei einigen Modellen der schlechte Sitz. Auch in diesem Punkt hatten die Prüfpersonen mit dem Hama-Hörer am meisten Probleme. Er passe nicht richtig, halte schlecht, sitze zu tief im Ohrkanal, sei ein Fremdkörper, notierten sie zum Letztklassierten. Der gute Sitz hat auch für den Klang eine wichtige Funktion. Prüfleiter Mayer: «Ein voller Bass steht und fällt mit dem dichten Sitz im Ohr.» Eine schlechte Abdichtung führe direkt zu einem Verlust bei den tiefen Tönen.
In ihrer Stellungnahme zum M-Budget-Modell beruft sich die Migros auf gute Verkaufszahlen – der Hörer war zeitweise ausverkauft – und auf «das positive Kunden-Feedback». Hama sieht sich ausserstande, ohne genauere Informationen einen Kommentar abzugeben. Shure war vom schwachen Resultat beim Klang überrascht und vermutet, die Kopfhörer seien im Test falsch verwendet worden. Interdiscount schliesslich versichert, man wolle die negativen Bewertungspunkte des Microspot I-Beat In-Ear verbessern. Doch ist dieser Hörer der Geheimtipp im Test: Sein Klang ist besser als der des Shure SE 115, er kostet aber nur einen Zehntel davon.
Tipps zur Maximalen Lautstärke: Nur drei Kopfhörer im Test erfüllen die Norm
Eine Auswertung der Testdaten durch die Suva zeigt: Bei vielen In-Ear-Kopfhörern kann die Musik viel zu laut abgespielt werden. Statistiken zur Schwerhörigkeit zeigen, dass gerade Jugendliche und junge Erwachsene zunehmend schlechter hören. «Ein möglicher Grund für Hörprobleme bei jungen Leuten ist zu laute Musik», sagt Suva-Akustikexperte Beat Hohmann. Für die Ohren sei es einerlei, ob sie mit Musik oder Lärm eingedeckt werden. «Beides bedeutet für das feine Organ Arbeit, und Arbeit bedeutet Ermüdung.»
Das Ohr ist flexibel und kommt während kurzer Zeit auch mit hoher Lautstärke zurecht. Einen sofortigen Schaden gibt es nur bei Schallpegeln, die über 120 Dezibel (dB) hinausgehen – etwa bei einem Pistolenschuss. Entscheidend für die Belastung des Gehörs ist aber nicht nur die Lautstärke, sondern auch die Dauer, während der das Ohr einer bestimmten Lautstärke ausgesetzt ist.
Laut der Suva sollte man Pop und Rock nur 1 Stunde wöchentlich in maximaler Lautstärke hören. Bei klassischer Musik liegt die Grenze bei 16 Stunden. Der Grund: Klassische Aufnahmen sind weniger laut abgemischt, und die lauten Stellen dauern nur kurz. Jazz und Oldies sollte man nicht länger als 4 Stunden wöchentlich mit voller Lautstärke hören.
Bei der maximalen Lautstärke hält sich die Schweiz an eine EU-Norm. Diese legt für Abspielgeräte wie MP3-Player einen Höchstwert von 100 dB fest. Das ist laut. So laut, wie wenn man in einem Meter Abstand vor einem Lautsprecher in der Disco steht. Die EU-Norm legt diesen Höchstwert auch für Kopfhörer fest. Dieser gilt in der Schweiz aber nicht.
Die Suva hat für saldo nachträglich die Testdaten der untersuchten Kopfhörer ausgewertet und ermittelt, ob sie der 100-dB-Norm Folge leisten. Das Resultat: Nur die Kopfhörer von Apple, JVC und Sony halten sie ein. Zum Teil deutliche Überschreitungen gibt es bei allen anderen Modellen: Shure (3 dB zu viel), Panasonic, Microspot, Philips (5 dB), Sennheiser, Hama (6 dB) und M-Budget (8 dB).
Derart hohe Werte sind problematisch. Denn die von der Suva empfohlene maximal tolerierbare Stundenzahl pro Woche, mit der man mit einer maximalen Einstellung ohne Risiko Musik hören dürfte, reduziert sich bei diesen Modellen nochmals drastisch. Im Extremfall – beim M-Budget-Hörer – sind das nur noch 12 Minuten statt einer Stunde.
Auch das Gehör braucht Erholung
- Nach einem lauten Konzert sollten Sie Ihr Gehör in den Folgetagen bewusst schonen. So erholt es sich am besten.
- Hören Sie nie Musik auf Maximallautstärke. Viele Geräte und Kopfhörer übersteigen die Normwerte. Die Belastung fürs Ohr ist dann enorm.
- Verwenden Sie Ohrkanalhörer oder Kopfhörer mit aktiver Geräuschunterdrückung. Sie reduzieren den Umgebungslärm. Dann muss man die Lautstärke weniger aufdrehen.
- Als Regel gilt: Damit Pop und Rock das Ohr überhaupt nicht belastet, muss man den Lautstärkeregler auf 60 Prozent der Maximalleistung zurückschrauben. Bei Oldies und Jazz auf etwa 70 Prozent und bei klassischer Musik auf 80 Prozent.
- Im Strassenverkehr sind Kopfhörer jeglicher Art gefährlich und fehl am Platz.
Was ist wie laut?
- 0 dB: Gehörschwelle
- 10 dB: Fernes Blätterrascheln
- 20 dB: Ticken einer Uhr
- 30 dB: Flüstern
- 40 dB: Leseraum
- 50 dB: Büro
- 60 dB: Restaurant
- 70 dB: Befahrene Strasse
- 80 dB: Wecker in 1 Meter Entfernung
- 90 dB: Fräsmaschine, grosses Orchester
- 100 dB: Disco, in 1 Meter Distanz zum Lautsprecher
- 110 dB: Kettensäge
- 120 dB: Verkehrsflugzeug
- 130 dB: Sirene in 1 Meter Entfernung
- 140 dB: Düsenjäger
Der Geräuschpegel wird in Dezibel (dB) gemessen. Bei einer Zunahme um 10 dB empfindet man das Geräusch als doppelt so laut, die Belastung für das Ohr steigt pro 10 dB aber um das Zehnfache. Die Schmerzgrenze liegt bei zirka 125 dB.
Kriterien
Das auf Akustik spezialisierte Labor Müller-BBM in Planegg bei München hat für saldo zehn In-Ear-Kopfhörer untersucht. Die Testkriterien:
- Klangqualität: Fünf Experten beurteilten die Kopfhörer an zwei Tagen in zwei Durchgängen. Sie taten dies anhand von sechs Musikbeispielen verschiedener Stilrichtungen. Als Referenz diente ein hochwertiger geschlossener Hi-Fi-Kopfhörer.
- Tragekomfort: Drei Testpersonen bewerteten die Kopfhörer nach längerem Tragen. Sie mussten folgende Fragen beantworten: Sitzen die Kopfhörer gut? Passen sie sich an? Sind sie angenehm zu tragen?
- Abschirmung gegen Lärm: Die Kopfhörer wurden einem künstlichen Kopf mit Mikrofonen in den Ohren aufgesetzt. Im Labor erzeugten die Prüfer daraufhin mit acht Lautsprechern ein Schallfeld. Die Mikrofone am Prüfkopf massen, wie gut die Kopfhörer das Schallfeld, das Umgebungslärm simuliert, abschirmt. Die Experten simulierten im Labor verschiedene Arten von Umgegungslärm. Um Zufallsmessungen auszuschliessen, führte das Labor die Tests mehrmals durch.
- Empfindlichkeit: Von einem Abspielgerät wurde mit einem Prüfsignal gemessen, wie viel Energie der Kopfhörer «verschluckt». Anhand dieser Messung lässt sich auch beurteilen, ob mit einem Hörer sehr laut Musik gehört werden kann.