Hohe Preise für Extra-vergine-Öl häufig nicht Gerechtfertigt
Bei Olivenöl extra vergine mit Herkunftsgarantie ist oft zweifelhaft, ob drin ist, was draufsteht. Das ergab eine Stichprobe von saldo und «Kassensturz».
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saldo 14/2004
15.09.2004
Bennie Koprio, Daniel Mennig
Das Olivenöl ist beliebt wie nie zuvor. Im letzten Jahr importierte die Schweiz fast 10 000 Tonnen - das ist dreimal mehr als 1990. Am begehrtesten ist Olivenöl der Qualitätsklasse extra vergine aus Italien. Suad Sadok, Besitzer des Spezialitätenladens Olive Shop in Zürich: «Die Herstellung in Italien ist teurer als anderswo, aber die Italiener vermarkten es auch gut, schliesslich haben sie Spitzenprodukte.»
Überreife Oliven ergeben ein minderwertiges Öl
Das Olivenöl ist beliebt wie nie zuvor. Im letzten Jahr importierte die Schweiz fast 10 000 Tonnen - das ist dreimal mehr als 1990. Am begehrtesten ist Olivenöl der Qualitätsklasse extra vergine aus Italien. Suad Sadok, Besitzer des Spezialitätenladens Olive Shop in Zürich: «Die Herstellung in Italien ist teurer als anderswo, aber die Italiener vermarkten es auch gut, schliesslich haben sie Spitzenprodukte.»
Überreife Oliven ergeben ein minderwertiges Öl
Zum Beispiel Olivenöl aus der Toscana: Kleine Produzenten pflücken von Hand nur gesunde, unverletzte Früchte - und zwar bevor die Oliven ganz reif sind. Sie ergeben so das beste Öl. Entscheidend ist ferner, dass die Früchte nach der Ernte so schnell wie möglich in die Ölmühle gelangen, denn sie sind leicht verderblich.
Ganz anders arbeiten Grossproduzenten auf den riesigen Olivenplantagen, wie es sie vor allem in Spanien gibt: Hier fehlt die Zeit für die schonende Handlese. Maschinen rütteln so lange an den Bäumen, bis die letzte Frucht herunterfällt. Solche Oliven sind überreif und ergeben nur noch ein minderwertiges Öl.
Aber aufgepasst: Nicht alle Flaschen, auf denen ein italienischer Name steht, enthalten nur Olivenöl aus Italien. Einige Hersteller kaufen billiges Öl aus Spanien, Griechenland oder Tunesien und mischen es dem italienischen bei. Steht als Herkunftsbezeichnung auf der Etikette «aus dem mediterranen Raum», ist dies auch legal.
Ist hingegen «100 % italiano» angegeben, muss das Öl zwingend aus Italien stammen. Produkte mit einer geschützten Herkunftsbezeichnung - DOP oder AOC - dürfen nur Öl aus einer bestimmten Region enthalten.
Nur: Wer kann das überprüfen? Mit chemischen Analysen sind weder Herkunft noch Qualität eines Olivenöls nachzuweisen. Das können nur professionelle Verkoster, die entsprechend ausgebildet sind. Ihre geschulten Nasen und Gaumen entdecken nicht nur geschmackliche Fehler; sie erkennen auch das spezifische Aroma eines Öls und können es einer Anbauregion zuordnen - ähnlich wie professionelle Weinkenner.
Monini: Bestes Preis-Leistungs-Verhältnis
Vier solche Olivenölexperten vom Laboratoire de la Repression des Fraudes in Marseille (F) haben für saldo, «Kassensturz» und die Westschweizer TV-Sendung «A Bon Entendeur» zwölf verschiedene Olivenöle getestet. Alle analysierten Produkte enthielten Herkunftsbezeichnungen und waren als extra vergine klassiert.
Die Bestnote 18 von 18 möglichen Punkten erhielt das italienische Öl Monini Val di Mazara, eingekauft bei Migros für Fr. 21.80 pro Liter. Ebenfalls die Bestnote erzielte das Öl Dauro de l'Empordà aus dem spanischen Girona, gekauft bei Globus; es ist mit einem Literpreis von Fr. 37.60 jedoch um einiges teurer als das Produkt der Migros. Die professionellen Verkoster attestierten beiden Ölen einen intensiven, harmonischen und komplexen Geschmack, und sie seien typisch. «Typisch, das heisst: Das Öl ist charakteristisch für die Region und die Olivensorte», so Experte Denis Ollivier.
Castello del Trebio: Gute Noten, aber wenig Geschmack
Das Urteil «typisch» erhielten vier weitere Olivenöle (siehe Tabelle); wegen leichter geschmacklicher Mängel reichte es aber nur für eine Note 16 respektive 15 im Falle des Gaea-Sitia-Öls von Manor.
Das mit Fr. 55.20 teuerste Öl Castello del Trebio aus der Toscana, gekauft bei Globus, schnitt mit 16 Punkten zwar relativ gut ab; die Verkoster fanden es aber geschmacklich wenig intensiv und nur leicht typisch für die Anbauregion.
Die schlechteste Note erhielt das Öl des bekannten Herstellers Carapelli, gekauft bei Carrefour für Fr. 14.60 pro Liter: Es erhielt nur 9 von 18 Punkten. Die Begründung der Experten: geschmacklich leicht vergoren und nicht typisch - also ein Öl, das von irgendwoher kommen könnte. Auf der Etikette steht aber «100 Prozent italienisch».
Carapelli zweifelte in einer schriftlichen Stellungnahme die Seriosität des Labors an und bestritt das Urteil.
Griechisches Oliven-öl Bio: Herkunft nicht erkennbar
Auch die Herkunft des griechischen Olivenöls Bio von Migros konnten die Verkoster nicht identifizieren. Denis Ollivier: «Entweder handelt es sich um eine Olivensorte, die wir nicht kennen, oder die Oliven könnten überreif gewesen sein, sodass sie ihre Charakteristik verloren haben.»
Olivenöl extra vergine mit Herkunftsgarantie weckt hohe Erwartungen: Es muss erstklassig produziert sein und erstklassig schmecken. Sonst ist es seinen Preis nicht wert.
Zu viele Öle als Topware verkauft
Drei von vier Olivenölen extra vergine sind gar keine. Zu diesem niederschmetternden Resultat kam in diesem Sommer eine gross angelegte Untersuchung von 31 Extra-vergine-Ölen, die in Deutschland auf dem Markt sind (saldo 12/04). Im Auftrag der Redaktionen von ZDF, «Stern», «Slow Food» und «Merum» analysierten zwei verschiedene Verkostergruppen die Öle; nur vier Proben erhielten von beiden Expertengruppen das Prädikat «extra vergine».
Die Tester stützten sich bei ihrem Urteil auf die neue EU-Verordnung, laut der ein Olivenöl nur dann der Topklasse extra vergine entspricht, wenn es fruchtig und ohne sensorische Fehler ist. Gemäss «Merum», dem Fachmagazin für Olivenöl und Wein, schmeckt ein solches Spitzenprodukt nach frischen Oliven, hat eine gewisse Bitterkeit und Schärfe.
Dass schlechte Billigöle als angebliche Topware auf den Markt kommen und die Behörden nichts dagegen unternehmen, bezeichnet «Merum» als skandalös: «Die Konsumenten werden angeschmiert und die Qualitätsproduktion riskiert, durch die massive unlautere Konkurrenz zunehmend ins wirtschaftliche Abseits gedrängt zu werden.»