Grillwürste: Mehr Masse als Klasse
In Würsten steckt nur wenig Muskelfleisch. Das zeigt ein saldo-Test. Der Rest besteht aus viel Wasser, viel Fett und minderwertigem Fleisch.
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saldo 12/2004
23.06.2004
Jeannette Büchel
Grillfans dürfen punkto Fleischqualität nicht allzu hohe Erwartungen hegen: Die von saldo untersuchten Würste enthalten nämlich neben Muskelfleisch auch grosse Mengen an minderwertigem, billigem Bindegewebe.
Kein Wunder: Die Lebensmittelverordnung lässt den Metzgern bezüglich der Zusammensetzung von Wurstwaren einen breiten Spielraum. Nur gerade 20 Prozent der Masse einer Wurst muss aus Fleisch hergestellt sein. Das wiederum heisst nicht, dass dieser Fünftel der Wurst aus M...
Grillfans dürfen punkto Fleischqualität nicht allzu hohe Erwartungen hegen: Die von saldo untersuchten Würste enthalten nämlich neben Muskelfleisch auch grosse Mengen an minderwertigem, billigem Bindegewebe.
Kein Wunder: Die Lebensmittelverordnung lässt den Metzgern bezüglich der Zusammensetzung von Wurstwaren einen breiten Spielraum. Nur gerade 20 Prozent der Masse einer Wurst muss aus Fleisch hergestellt sein. Das wiederum heisst nicht, dass dieser Fünftel der Wurst aus Muskelfleisch bestehen muss. Denn die Verordnung versteht in diesem Zusammenhang unter Fleisch auch Fett, Schwarten, Speck, Bindegewebe und Ähnliches. Im Wortlaut: «Alle geniessbaren Tierkörper und Tierkörperteile, die keiner Behandlung unterzogen worden sind.»
Wassergehalt: Durchschnittlich rund 60 Prozent
Entsprechend frei sind die Metzger bei der Herstellung der Würste. Für jede Wurstart gibt es eine Grundrezeptur. Im Übrigen richten sich die Zusammensetzungen in erster Linie nach dem Ausgangsmaterial des Metzgers.
Eine Wurst besteht zur Hauptsache aus Wasser, Fett und Eiweiss. Der Gesamtwassergehalt der meisten Würste beträgt rund 60 Prozent. Wasser kommt natürlicherweise im Fleisch vor. Zudem fügen die Metzger beim Herstellen des Wurstbräts meist noch Eis zu, um so die Schnittfestigkeit und den Biss der Wurst zu
beeinflussen. Dies geschieht offensichtlich in sehr unterschiedlichem Masse. Zudem ist in der Schweiz - anders als beispielsweise in Deutschland - der Zusatz von Milch in den Bratwürsten erlaubt.
Die geringste Wasserzugabe von 2,76 Prozent mass das Labor bei den Cervelats der Metzgerei Horber in Zürich. Der höchste Wert lag bei 19,8 Prozent und wurde in der Globus-Kalbsbratwurst gemessen. Hohe Werte von über 15 Prozent fanden sich auch in der Olma-Bratwurst und dem Cervelat der Metzgerei Schmid aus St. Gallen, in der Kalbsbratwurst der Migros St. Gallen, in der Züri-Bratwurst von Jelmoli und in der Bratwurst der Metzgerei Eiche aus Basel. «Bei solch hohen Fremdwassergehalten liegt die Überlegung nahe, dass einzelne Metzger mit dem in der Schweiz zulässigen Milchzusatz und vielleicht auch mit Wasser und Eis Gewicht machen», sagt Untersuchungsleiter und Chemiker Uwe Kempf.
Züri-Bratwurst von Jelmoli enthielt am wenigsten Fett
Zum Vergleich: In Deutschland sollten derartige Wurstwaren nicht mehr als 8 Prozent Fremdwasser enthalten. Liegen die Werte darüber, kann die Lebensmittelkontrolle den Herstellern Bussen aussprechen. Entsprechende Richtlinien existieren in der Schweiz nicht.
Die Basler Metzgerei Eiche bestätigt die hohe Wasserzugabe: «Wir verwenden sehr mageres Kalbfleisch, deshalb können wir mehr frische Vollmilch beigeben, was den Fremdwasseranteil erhöht.» Die Migros Ostschweiz betont, dass sie mehr Magerfleisch verwende, das natürlicherweise einen höheren Wassergehalt habe als fettes Wurstfleisch oder Speck.
Damit eine Grillwurst schön knackig und nicht zu trocken ist, muss sie Fett enthalten. Doch wie viel ist nötig? Tierische Fette (mit Ausnahme von Fisch) enthalten einen hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren, welche aus ernährungswissenschaftlicher Sicht in grösseren Mengen ungesund sind.
Der saldo-Test zeigte sehr unterschiedliche Fettanteile. Am wenigsten enthielt die Züri-Bratwurst von Jelmoli mit gerade mal 12,7 Prozent. Am andern Ende der Rang-liste liegt die Bell-Kalbsbratwurst von Coop mit sage und schreibe 32,8 Prozent Fettanteil. Bei Bell kann man sich den hohen Wert nicht erklären. Eigene Kontrollen bei Würsten aus späterer Produktion hätten Werte zwischen 20 und 20,9 Prozent ergeben.
Um den Muskelfleischanteil der Würste zu berechnen, stellte das Labor den Eiweissgehalt fest (siehe Kasten «So wurde getestet»). Resultat: In kaum einem Produkt ist mehr als 10 Prozent hochwertiges Muskeleiweiss enthalten.
Globus-Cervelats: Tiefster Gehalt an Muskeleiweiss
Den mit 11,6 Prozent (bezogen auf das Gewicht der Wurst) höchsten Muskeleiweissanteil stellte das Labor in den Bell-Cervelats von Coop fest. Auch die Migros-Cervelats aus St. Gallen, die Naturaplan-Cervelats von Coop, die Cervelats der Zürcher Metzgerei Horber sowie die Kalbsbratwurst von Pick Pay aus Basel enthielten über 11 Prozent Muskeleiweiss.
Den tiefsten Gehalt mit nur 8,17 Prozent mass das Labor in den Globus-Cervelats. Auch in den Cervelats und Bratwürsten des beliebten Zürcher Imbissstandes «Vorderer Sternen» am Bellevue fand das Labor nur gerade 8,76 und 8,53 Prozent hochwertiges Fleischeiweiss. Zudem enthalten die Produkte des «Vorderen Sternen» mit 4,19 Prozent einen relativ hohen Anteil an minderwertigem Bindegewebeeiweiss. Mit anderen Worten: Vom ohnehin schon geringen Fleischanteil besteht bei diesen Würsten ein Drittel des Fleisches aus qualitativ schlechter Ware. Ein ähnlich ungünstiges Resultat ergibt sich für die Globus-Cervelats und die Cervelats der Metzgerei Steiner in Bern.
Deutschland: Würste enthalten mehr Fleisch
Zum Vergleich: Die deutsche Zeitschrift «Öko-Test» liess vergangenes Jahr ebenfalls den Anteil an Muskelfleisch in Grillwürsten messen. Ergebnis: Die deutschen Produkte enthielten wesentlich mehr Qualitätsfleisch. Der Anteil des Muskelfleischs am gesamten Fleischanteil lag durchwegs zwischen 85 und 90 Prozent. Der saldo-Test ergab viel tiefere Werte: Nur wenige der getesteten Würste haben einen Muskelfleischanteil von über 80 Prozent. Die meisten Werte liegen zwischen mageren 67 und 80 Prozent.
Hans Tanner von der Dorfmetzg in Henau SG liefert die Wurstwaren für den Imbissstand «Vorderer Sternen» in Zürich. Er schreibt: «Unser Rezept erzeugt den Biss und das entsprechende Mundgefühl unserer Wurstwaren. Die Rezepte entsprechen der gewerbeüblichen Herstellung.»
Kochsalzgehalt: Nur zwei Werte relativ hoch
saldo liess auch den Kochsalzgehalt der Würste analysieren. Studien zeigen, dass zu hohe Mengen an Salz zu erhöhtem Blutdruck führen kann. Erfreulicherweise enthalten die meisten untersuchten Wurstwaren aber nicht allzu viel Salz. Negativ aufgefallen sind einzig die Cervelats aus dem «Vorderen Sternen» sowie die Cervelats der Metzgerei Eiche aus Basel.
Im Labor zeigte sich, dass der Kalziumgehalt der Bratwürste im Vergleich zu jenem der Cervelats eher hoch ist. Das kann daran liegen, dass vielen Bratwürsten Milch beigemischt wird. Deutlich erhöht waren die Kalziumwerte der Bratwürste der Metzgereien Schmid aus St. Gallen und Kauffmann aus Luzern sowie Globus.
«Es kann vorkommen, dass nicht nur Milch, sondern auch Milchpulver beigemischt wird», so Chemiker Uwe Kempf. Die Metzgerei Schmid erklärt sich den hohen Kalziumgehalt ihrer Bratwürste durch die ausschliessliche Verwendung von Milch. Das sei ein wesentlicher Bestandteil des überlieferten Olma-Bratwurst-Rezeptes.
So bleibt das Grillieren ungefährlich
Sommerzeit ist Grillzeit. Damit der Bratspass unter freiem Himmel zum gesunden Vergnügen wird, gilt es einige Tipps zu beachten:
- Das Grillgut nie direkt über die Glut legen. Wenn Fett in die Glut tropft, können sich Krebs erregende Stoffe bilden, die über den Rauch ins Fleisch gelangen. Werden Alufolie oder Aluschalen verwendet, besteht das Risiko nicht.
- Fleisch nie anbrennen lassen, denn dann können kanzerogene Substanzen entstehen. Falls doch mal etwas anbrennt, sollten die verkohlten Stellen grosszügig weggeschnitten werden.
- Fleisch und Fisch sollten vor dem Zubereiten nicht lange an der Wärme herumstehen.
- Geflügelfleisch, Würste und Hamburger sollten vollständig durcherhitzt werden. Rindfleisch kann hingegen «saignant» zubereitet werden.
- Die genussfertigen Lebensmittel sollten nicht mit rohem Fleisch in Kontakt kommen.
- Nach dem Würzen und Marinieren von rohem Fleisch Hände waschen. Finger nicht ablecken und Marinade nicht essen.
- Gepökeltes Fleisch wie Cervelats sollte nicht in grösseren Mengen grilliert gegessen werden. Denn die roten Würste enthalten Pökelsalze, die sich zu Krebs erregenden Nitrosaminen umwandeln können. Auch die getesteten Cervelats enthalten Pökelsalze, der Gehalt lag jedoch bei allen Produkten weit unter den gesetzlich erlaubten Höchstmengen. Die Krebsliga Schweiz empfiehlt, nicht mehr als einmal pro Woche gepökeltes Fleisch wie Wurstwaren, Schinken und Speck zu essen, um das Risiko möglichst klein zu halten.
So wurde getestet
Der Fleischanteil setzt sich bei der Wurst aus Muskelfleisch und billigem Bindegewebe zusammen. Je höher der Anteil an Muskelfleisch, desto hochwertiger ist die Wurst. Um den Fleischanteil zu bestimmen, ermittelte das Labor den Eiweissgehalt der Würste. Gemessen wurde zudem der Anteil an Fett und zugesetztem Fremdwasser.
Eine Wurst sollte nicht zu viel Fett und eher wenig Fremdwasser enthalten. Ermittelt wurden auch der Gesamtwasser-, Kalzium-, Kochsalz- und Pökelsalzgehalt. saldo liess den Inhalt der Wurstwaren im spezialisierten Labor des Tiergesundheitsdienstes Bayern analysieren.
Getestet wurden Bratwürste und Cervelats aus Metzgereien und Grossverteilern in Basel, Bern, Luzern, St. Gallen und Zürich.