Fleischpreise: Darfs etwas mehr sein?
Schweizer Fleisch kommt die Konsumenten teuer zu stehen - zu teuer, sagen selbst die Metzger. Doch auch bei den Grossverteilern fahren die Kunden nicht günstig.
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saldo 9/2004
12.05.2004
Thomas Roth
Ein Kilogramm Fleischkäse - zwei Preise: Bei der Metzgerei Bär in Zürich zahlt der Kunde 26 Franken, bei Metzger Junker in Bern kommt er mit 16 Franken weg. Das gleiche Bild beim Schweinsfilet: Kilopreise zwischen gut 43 und 62 Franken in der Schweiz für ein Angebot, das bei der Migros im deutschen Lörrach keine 20 Franken kostet.
saldo nahm die Fleischpreise von hiesigen Metzgereigeschäften und Grossverteilern sowie von der Konkurrenz in der deutschen Grenzregion unter die ...
Ein Kilogramm Fleischkäse - zwei Preise: Bei der Metzgerei Bär in Zürich zahlt der Kunde 26 Franken, bei Metzger Junker in Bern kommt er mit 16 Franken weg. Das gleiche Bild beim Schweinsfilet: Kilopreise zwischen gut 43 und 62 Franken in der Schweiz für ein Angebot, das bei der Migros im deutschen Lörrach keine 20 Franken kostet.
saldo nahm die Fleischpreise von hiesigen Metzgereigeschäften und Grossverteilern sowie von der Konkurrenz in der deutschen Grenzregion unter die Lupe (siehe Tabelle und Kasten). Das Resultat: Zwar sind bestimmte Produkte in Deutschland bis zu dreimal günstiger, doch auch in der Schweiz gibt es gewaltige Preisunterschiede.
So verlangte die St. Galler Metzgerei Rietmann am Stichtag für 1 Kilogramm Rindsentrecôte 72 Franken - bei den beiden Metzgereien Hulliger in Bern und Hauser in Schaffhausen war das edle Stück hingegen für 54 Franken zu haben. Exakt diesen Preis verlangte auch die Migros Zürich, derweil Coop in Luzern den Kilopreis bei gut 69 Franken ansetzte.
Sibyl Anwander, Landwirtschaftsexpertin bei Coop, rechtfertigt diesen hohen Preis mit Mehrkosten beim Natura-Beef-Label, «mit dem wir bei den Kunden zusätzliches Vertrauen schaffen». Das Rindfleisch stamme aus besonders tierfreundlicher Haltung, so Anwander, «und damit brechen wir auch eine Lanze für die gewerblichen Metzgereibetriebe».
Kompetente Kundenberatung an oberster Stelle
Ein leichter Tritt ans Schienbein der regionalen Metzger. Susanna Zimmerli, Metzgersfrau aus Aarau, hält jedoch nicht viel «von diesem Label-Salat» bei den Giganten des Detailhandels: «Unser Fleisch stammt von Bauernhöfen der näheren Umgebung. Wir wissen also genau, wie die Tiere gehalten und gefüttert werden - dafür brauchen wir kein Label.» Qualität heisse überdies eine kompetente Beratung der Kundschaft.
Ähnlich argumentiert der Luzerner Quartiermetzger Urs Doggwiler: «Im Gegensatz zu Migros und Coop kennen wir unsere Kunden noch beim Namen - sie sind für uns nicht einfach irgendwelche Nummern auf Cumulus- und Superkarten.» Auch wenn das Fleisch nicht mit einem Label versehen sei - «kleine Betriebe bürgen für gute Qualität».
Ebenfalls Unterstützung gibt es von Balz Horber, Direktor des Verbandes der Schweizer Metzgermeister (VSM): «Mit Herkunftsnachweisen sowie Kontrollen bei Fütterung und Haltung kopieren die grossen Anbieter gewerbliches Brauchtum. Nun den Schluss zu ziehen, Fleisch ohne Label bedeute minderwertige Qualität, ist absolut unzulässig.»
Gleichwohl, unter Qualität verstehen nicht alle Metzgereigeschäfte dasselbe. Beispiel mageres Kalbsvoressen: Der eine Metzger entfernt sogar das letzte Fetthäutchen, der andere setzt das Messer weniger grosszügig an. Feine Unterschiede, die sich aber auf den Preis auswirken.
Migros-Genossenschaften machen verschiedene Preise
Das weiss auch Jürg Sachs, Marketingleiter Fleisch bei der Migros-Genossenschaft Aare: Die zehn Genossenschaften, die ihre Produkte selbständig einkaufen, hätten nicht überall dasselbe Sortiment, zudem seien «gewisse Qualitätsunterschiede» möglich. Und unterschiedliche Preise: So zahlten die Kunden bei der Migros in Aarau am Stichtag fürs Kilogramm Schweinsnierstück gut 37 Franken - bei den Zürcher Filialen wurde die gleiche Menge für 34 Franken angeboten.
Viel Geld, denn 100 Kilometer von der Wirtschaftsmetropole entfernt bot der orange Riese im deutschen Lörrach das Kilogramm Nierstück für gut 13 Franken an. «Und zwar zu einer Qualität wie in der Schweiz», wie Erich Fischer, Geschäftsleiter Migros Deutschland, versichert. Günstigere Produzentenpreise, grösserer Konkurrenzdruck und geringere Mehrwertsteuer-Abgaben - das sind laut Fischer die drei Hauptgründe, weshalb deutsches Fleisch derart günstig offeriert werden kann.
Bei solchen Preisen müssen VSM-Direktor Horber und seine 1500 Metzgermeister leer schlucken. Trotz anderer Produktionsbedingungen, tieferer Löhne und weniger harten Vorschriften in der Tierhaltung: «Das Fleisch kostet im Schnitt die Hälfte weniger als bei uns. Diese Differenz kann aber nur zum Teil durch die bessere Qualität in der Schweiz erklärt werden», gesteht der höchste Schweizer Metzger.
Die Konsumenten kaufen billiges Fleisch im Ausland
Die Tendenz der Schweizer Kundschaft, vor allem Edelstücke wie Filet und Entrecôte ennet der Grenze zu kaufen, macht der heimischen Fleischbranche Bauchweh. 2003 verzehrte der durchschnittliche Konsument knapp 60 Kilogramm Fleisch - ein Wert, der seit einigen Jahren mehr oder weniger stabil ist. Allerdings wurden von diesem Konsum nach Horbers Schätzung 5 bis 10 Prozent im nahen Ausland gedeckt. In Zahlen: Den Schweizer Metzgern gingen im letzten Jahr 350 bis 700 Millionen Franken verloren.
Horber hat kein pfannenfertiges Rezept, um die Abwanderung der Käuferinnen und Käufer zu stoppen. Im Hinblick auf eine teilweise Liberalisierung des Fleischmarkts verlangt er aber, dass die Schutzzölle auf ausländischem Fleisch nach und nach reduziert werden. Konkret: Die Kunden hätten mehr Auswahl zwischen günstigen Auslandprodukten und teurem Inlandfleisch - die Schweizer Metzgereibranche käme gehörig unter Druck.
Dabei seien die Margen schon heute nicht berauschend, tönt es bei den Metzgereibetrieben. Laut VSM-Berechnung verbleiben den Metzgern von einem Kilogramm verkauftem Schweinefleisch gut 6 Franken und von einem Kilo Rind annähernd 11 Franken in der Kasse - brutto indes. Sämtliche Betriebskosten wie Löhne müssen mit diesem Geld berappt werden.
Ein wenig Luft scheint es aber zu geben: Weil Gastrofirmen Fleisch in erheblichem Umfang beziehen, dürfen Restaurantbesitzer und Hoteliers mit happigen Rabatten rechnen. So zahlen Wirte für ein Kilogramm Entrecôte bei vielen Metzgereien statt rund 60 nicht einmal 40 Franken.
Privatkunden bezahlen für die Gastrobranche
Die Verkäufer rechtfertigen diese Praxis unter anderem damit, dass der Absatz von grösseren Mengen notwendig sei, um frische Produkte zu garantieren. VSM-Chef Horber formuliert es noch ein wenig anders: «Überspitzt könnte man sagen, dass die Metzgereikunden die Gastrobranche quersubventionieren.»
Preisvergleich
Saldo verglich die Preise von sechs Fleischsorten bei 18 Metzgereien und Grossverteilern in sieben Schweizer Städten sowie im deutschen Grenzgebiet. Die Auswahl der Geschäfte erfolgte nach dem Zufallsprinzip, und für die Stichprobe galten vier Bedingungen: Fleisch aus dem Offenverkauf, Produkte aus einheimischer Produktion (Schweiz oder Deutschland), keine Bio-Artikel und keine Aktionen.