Vielen Jugendlichen dienen Energy-Drinks als Frühstücksersatz. Wie manche Partygänger erhoffen sie sich von Burn, Flying Power, Blue Bear, Red Bull und Konsorten einen Energiekick. Auch Autofahrer und Studierende schwören auf die Energie aus der Dose. Entsprechend gut läuft das Geschäft: Allein im letzten Jahr gingen in der Schweiz über 20 Millionen Liter Energy-Drinks über den Ladentisch.
Neben Marktleader Red Bull behaupten sich inzwischen viele Nachahmerprodukte auf dem Markt. Die Grossverteiler führen Billiglinien, sogar die Bäckereien und die Landi bieten einen eigenen Energy-Drink an.
Inhaltsstoffe: Höchstmengen werden eingehalten
So vielversprechend die Namen, so simpel die Zutaten der Drinks: Sie bestehen zur Hauptsache aus Wasser und Zucker, hinzu kommen Aromen, Farbstoffe und spezielle Inhaltsstoffe wie Taurin, Koffein und Glucuronolacton, welche für die aufputschende Wirkung sorgen sollen.
saldo wollte wissen, ob in den Energy-Drinks das drinsteckt, was die Hersteller deklarieren, und hat von 15 Getränken den Gehalt an Zucker, Taurin, Koffein, Glucuronolacton sowie künstlichen Farbstoffen bestimmen lassen.
Fazit: Die Hersteller halten sich an die gesetzlich festgelegten Höchstmengen für die speziellen Inhaltsstoffe. Dennoch: Unbedenklich ist der Konsum von Energy-Drinks nicht, wie Fachleute warnen (siehe unten).
Das Gesetz schreibt einen hohen Kaloriengehalt vor
Zucker enthalten alle Energy-Drinks reichlich: Zwischen 105 und 149 Gramm pro Liter fand das Labor, das sind bis zu 37 Würfelzucker. Auf die Dose umgerechnet sind das gut 6 Stück, bei Burn sogar über 9 Stück Zucker. Weil so viel Zucker der Figur und den Zähnen schadet, hat saldo die hohen Gehalte abgewertet.
Unverständlich: Die Hersteller sind verpflichtet, den Getränken viel Zucker zuzufügen. Denn das Gesetz schreibt vor, dass Energy-Drinks mindestens 45 Kilokalorien pro Deziliter haben müssen. Laut Sabina Helfer vom Bundesamt für Gesundheit erwartet «der Konsument, dass das Getränk Energie liefert». Aber: Auf diese Energie hoffen die Konsumenten wohl eher wegen der speziellen Inhaltsstoffe der Drinks als wegen des Zuckers. Pia Lehmann von Coca-Cola AG, welche Burn herstellt, sagt zum hohen Zuckergehalt: «Alle Nährwerte sind auf der Dose gesetzeskonform deklariert.»
Unnötig: Allen Drinks sind Farbstoffe zugesetzt
Notenabzug gab es für den Drink Burn zudem, weil das Labor darin den künstlich hergestellten Farbstoff E 129 (Allurarot) fand. Der rote Azo-Farbstoff kann für Allergiker heikel sein. Auch die übrigen Energy-Drinks enthalten Farbstoffe, meist aber unbedenkliche Zuckercouleur. Nötig wären Farbstoffe nicht – die Drinks werden meist direkt aus der Dose konsumiert.
Beim Koffein halten sich die Hersteller ziemlich genau an die deklarierten Mengen. Anders beim Taurin: Die Drinks von Volg, Swiss Bakery, Flying Power M-Budget enthalten über 10 Prozent weniger Taurin als deklariert.
Noch drastischer sind die Unterschiede beim Glucuronolacton. Diese Substanz mischen die Hersteller in die Getränke, weil sie entgiftend wirken soll. Allerdings fand sich in vielen Energy-Drinks nur ein Bruchteil dessen, was die Hersteller deklarieren. David enthielt 493 statt der deklarierten 2400 Milligramm pro Liter. Auch bei Farmer, Techno, Prix Garantie Exotic, Flying Power, Red Bull und M-Budget steckten mindestens 20 Prozent weniger drin als angegeben.
Richtig deklariert: Auf allen Dosen stehen Warnhinweise
saldo hat die Hersteller mit den zu tiefen Werten konfrontiert. Paolo Spagnolo, der den David-Energy-Drink vertreibt, erklärt, dass man den zu tiefen Wert bereits selber bemerkt und entsprechend korrigiert habe. Migros-Sprecher Urs Peter Naef betont, dass die Menge der Zusatzstoffe im M-Budget-Energy-Drink den internen Vorgaben entspreche. Nathalie Lüthi von Red Bull schreibt: «Die Analyse unseres Rückstellmusters hat keine Abweichungen gezeigt.»
Bei Landi Schweiz AG ist man laut Ernst Hunkeler über den zu tiefen Gehalt an Glucuronolacton erstaunt, Testergebnisse der Rückstellmuster würden noch nicht vorliegen. Coop führt den zu tiefen Gehalt beim Exotic Energy Drink auf einen Fehler beim Zusammenmischen der Rezeptur zurück. Dieser wird laut Sprecher Nicolas Schmied sofort behoben.
Die Hersteller sind verpflichtet, Warnhinweise auf der Verpackung anzubringen: «Energy-Drinks sollten nur in begrenzten Mengen konsumiert werden und sind für Kinder, Schwangere und koffeinempfindliche Personen ungeeignet» und «nicht mit Alkohol mischen». Erfreulicherweise halten sich alle Produzenten an diese Vorschrift.
Kriterien
Die Gesellschaft für Lebensmittel-Forschung in Berlin hat die Energy-Drinks auf folgende Punkte analysiert:
Zuckergehalt: Das Labor bestimmte den Gehalt an Saccharose, Glucose und Fructose. Die drei Zuckerarten zusammen ergeben den Gesamtzuckergehalt.
Farbstoffe: Im Labor wurde untersucht, ob die Drinks umstrittene künstliche Farbstoffe enthalten.
Koffein: Energy-Drinks dürfen 250 bis 320 mg/l Koffein enthalten. Zum Vergleich: Bohnenkaffee enthält je nach Sorte und Zubereitung rund 500 mg/l. Koffein regt Herztätigkeit und Stoffwechsel an.
Taurin: Die Aminosulfonsäure wird im menschlichen Körper produziert und auch über die Nahrung aufgenommen. In grossen Mengen wird Taurin in Energy-Drinks und Sportlernahrung verwendet. Es soll leistungssteigernd wirken, Beweise dafür gibt es nicht. Taurin wurde erstmals 1827 aus Stierhoden isoliert. Heute wird es synthetisch hergestellt. Energy-Drinks dürfen nicht mehr als 4000 mg/l der Substanz enthalten.
Glucuronolacton: Das Kohlenhydrat wird im menschlichen Stoffwechsel aus Glucose gebildet und ist an Entgiftungsreaktionen in der Leber beteiligt. Die Hersteller werben damit, dass Glucuronolacton den Körper beim Abbau von Abfallstoffen unterstützt. Die Substanz wird allerdings in ausreichender Menge im Körper produziert. Energy-Drinks dürfen nicht mehr als 2400 mg/l des Stoffs enthalten.
Deutsche Behörde warnt vor Energy-Drinks
Seit in den 80er-Jahren Marktführer Red Bull den ersten Energy-Drink auf den Markt brachte, wird über dessen gesundheitliche Gefahren diskutiert. In Dänemark und Norwegen dürfen Energy-Drinks nicht verkauft werden, weil sie als Medikamente gelten. Frankreich hat erst im Mai das Verkaufsverbot aufgehoben. In den meisten übrigen europäischen Ländern sind die Getränke zugelassen.
Trotzdem kann man nicht davon ausgehen, dass ihr Konsum unbedenklich ist. Deshalb hat saldo im Test kein Gesamturteil vergeben. Irene Lukassowitz vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung (BFR) erklärt: «Es gibt berechtigte Zweifel daran, dass Energy-Drinks grundsätzlich als sicher gelten.»
Das Problem: Wissenschafter vermuten, dass sich die Inhaltsstoffe von Energy-Drinks gegenseitig verstärken. Es gibt Belege dafür, dass Menschen nach deren Konsum an Herzrhythmusstörungen, Krampfanfällen oder Nierenversagen litten. Sogar Todesfälle wurden beobachtet, aber ein kausaler Zusammenhang ist nicht bewiesen.
Was fehlt, sind wissenschaftliche Studien über solche möglichen Wechselwirkungen. «Wissenschaftlich begründete Höchstmengen für die Inhaltsstoffe von Energy-Drinks, deren Aufnahme als sicher betrachtet werden kann, können wir aufgrund fehlender Daten nicht ableiten», sagt Irene Lukassowitz.
Das BFR ruft deshalb zur Vorsicht auf:
- Wer unter Bluthochdruck und Herzkrankheiten leidet, sollte keine Energy-Drinks zu sich nehmen. Dasselbe gilt für Kinder, Schwangere und koffeinempfindliche Personen.
- Wer Sport treibt, sollte auf Energy-Drinks verzichten, weil erhebliche Gesundheitsrisiken drohen.
- Niemals sollte man Energy-Drinks mit Alkohol mischen. Die Kombination kann gefährliche Folgen haben für das Nerven- und Herz-Kreislauf-System. Zudem kann der gleichzeitige Konsum von Energy-Drinks und Alkohol dazu führen, dass man die Wirkungen des Alkohols – etwa die nachlassende Reaktionsfähigkeit – nicht mehr realistisch wahrnimmt.
Grundlage für die Warnungen des BFR ist unter anderem eine schwedische Studie, die Krankheits- und Todesfälle untersucht hatte, bei denen Energy-Drinks beteiligt waren. Darin werden mehrere Fälle beschrieben von jungen Menschen, die starben, nachdem sie Energy-Drinks zusammen mit Alkohol getrunken hatten.
Beschrieben ist etwa der Fall eines 18-jährigen Mannes, der sich mit Energy-Drinks für die Fahrprüfung fit halten wollte und plötzlich leblos zusammenbrach. Ein anderer junger Mann wurde mit Krämpfen ins Spital eingeliefert, nachdem er Red Bull mit Wodka konsumiert hatte. Ein Sportler landete mit Nierenversagen im Spital – er hatte vor einem Wettkampf drei Dosen Energy-Drinks getrunken.
Noch sind viele Fragen zum Konsum von Energy-Drinks und möglichen Gesundheitsfolgen ungeklärt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit überarbeitet zurzeit die Bewertung der Inhaltstoffe.