Eine vollständige Lieferung ist reine Glückssache
Wer bei Versandhäusern Kleider bestellt, braucht viel Geduld. Resultat eines saldo-Tests von zehn Firmen: Der Service lässt zu wünschen übrig.
Inhalt
saldo 1/2004
21.01.2004
Mirjam Fonti
Um die Lieferdisziplin der Versandhäuser war es auch schon besser bestellt. Zehn Testpersonen orderten im Auftrag von saldo bei zehn Firmen je drei Kleidungsstücke. Das ernüchternde Fazit der 300 Bestellungen: Wer sich per Katalog Kleider liefern lässt, muss damit rechnen, die Ware unvollständig oder verspätet zu erhalten.
Um die Schweizer Kundschaft buhlen sowohl Schweizer Versandhäuser als auch ausländische Unternehmen. Doch der Konkurrenzdruck mag noch so gross sein, Ga...
Um die Lieferdisziplin der Versandhäuser war es auch schon besser bestellt. Zehn Testpersonen orderten im Auftrag von saldo bei zehn Firmen je drei Kleidungsstücke. Das ernüchternde Fazit der 300 Bestellungen: Wer sich per Katalog Kleider liefern lässt, muss damit rechnen, die Ware unvollständig oder verspätet zu erhalten.
Um die Schweizer Kundschaft buhlen sowohl Schweizer Versandhäuser als auch ausländische Unternehmen. Doch der Konkurrenzdruck mag noch so gross sein, Garantie für einen besseren Service bietet er nicht. Nur der deutsche Quelle-Versand schaffte es, alle bestellten Kleidungsstücke zu liefern.
Die meisten anderen Versandhäuser schnitten beim Kriterium «Bestellung und Lieferung» enttäuschend ab: Die Firmen konnten bis zu sechs Artikel nicht zustellen - entweder weil die Kleidungsstücke ausverkauft oder die Bestellung irgendwo untergegangen war. Bei einem analogen saldo-Test im November 1999 war eine vollständige Lieferung noch die Regel.
Unrühmlich ist auch die hohe Zahl der Nachlieferungen. «Es ist ärgerlich, wenn Stücke, die man zusammen tragen möchte, nicht zur selben Zeit eintreffen», sagt eine Kundin. Quelle sandte sechs Kleidungsstücke später zu, Jelmoli und Cornelia muss-ten vier Pakete nachliefern. Nur das Versandhaus Veillon kam ohne Nachlieferungen aus.
Quelle will künftig Problemartikel früher erkennen
Quelle gehört im Wertungsbereich «Bestellung und Lieferung» gleichwohl zu den Besten, weil die durchschnittliche Lieferzeit nur 6,7 Tage betrug. Selbst die Nachlieferungen waren alle nach spätestens 17 Tagen beim Kunden. Quelle-Sprecher Alexander Weih übt Selbstkritik: «Wir müssen Problemartikel, die zu verzögerten Zustellungen führen, früh genug erkennen, um eine schnellere Lieferung sicherzustellen.»
Noch kürzere Lieferzeiten als Quelle erreichte nur Spengler. Trotzdem gab es für den Testsieger von 1999 in diesem Bereich gerade mal die Note 4. Die Gründe: Zwei Kleidungsstücke konnten nicht geliefert werden, und eine Testperson erhielt gar keine Ware. Laut Spengler handelte es sich um eine Neukundin, die im elektronischen Telefonbuch nicht vermerkt war. In solchen Fällen überprüft Spengler per Brief die gemachten Angaben. Retourniert die Kundin das Schreiben nicht, wird eine Liefersperre verhängt. Die Betroffene bestreitet indes, einen solchen Brief erhalten zu haben.
Wegen des fehlenden Telefonbucheintrags wurde dieselbe Testerin auch von Ackermann nicht beliefert und per Brief aufgefordert, Daten zu ergänzen. Ein Ärger für die Kundin: «Ich bezweifle, dass ein Unternehmen für eine gewöhnliche Bestellung solche Angaben braucht.»
Heine: Zwei Bestellungen nicht zugestellt
Nur ungenügende Noten im Teilbereich «Lieferung» gab es für Ackermann, Heine, Jelmoli und Cornelia. Ackermann verschickte bis Testende sechs Kleidungsstücke nicht, Heine fiel durch lange Lieferzeiten auf und stellte zwei komplette Bestellungen nicht zu. Wegen zusätzlich versandter Kataloge während der Testzeit habe eine überdurchschnittlich grosse Nachfrage geherrscht, begründet Heine-Sprecher Emilio Guerini die Lieferfrist. Gewöhnlich würden 80 Prozent der Bestellungen innerhalb von fünf Tagen ausgeführt. Und die nicht ausgeführten Aufträge sind laut Heine nie eingetroffen.
Wo die per Fax und Post versandten Bestellungen verloren gingen, ist schwierig nachzuvollziehen. Sicher ist: Bei Jelmoli und Cornelia gab es ungenügende Noten, weil zwei respektive vier Kleidungsstücke bis zum Testende nicht geliefert wurden und überdies je vier Artikel verspätet nachgesandt wurden - und dies bei ohnehin schon langer Lieferzeit.
Tendenziell besser als 1999 schnitten die Versandhäuser dafür bei der Bewertung der allgemeinen Vertragsbedingungen ab. Die Umtausch- und Zahlungsfristen sind heute bei den meisten Firmen vorteilhafter. Klarer Sieger ist das Haus Bader, das im letzten Test noch nicht vertreten war. Bader bietet eine Umtauschfrist von 14 Tagen, eine Zahlungsfrist von 30 Tagen sowie einen sehr tiefen Ratenzahlungszuschlag von maximal 0,68 Prozent pro Monat. Und vor allem: Bader verlangt als einziges Unternehmen keine Versandkosten.
Kundenfreundlichkeit: Schlechte Note für La Redoute
Bei der Kundenfreundlichkeit findet sich La Redoute am unteren Ende der Bewertungsskala. Vor allem sind bei diesem Versandhaus die Fristen für Umtausch und Bezahlung mit fünf beziehungsweise zehn Tagen sehr knapp bemessen. Antoine Thooris, Leiter Kundendienst von La Redoute, sieht das anders: «Eine Umtauschfrist von fünf Tagen ist ausreichend.» Bei der Zahlungsfrist sei man dagegen grosszügig: «Die meisten Kunden bezahlen innerhalb von 30 Tagen.»
Teilzahlung: Veillon mit dem höchsten Verzugszins
Doch selbst sieben Tage Umtauschfrist, wie etwa bei Ackermann und Spengler, halten viele Kundinnen noch für knapp bemessen. Ackermann verweist jedoch darauf, dass man sich bei der Rücknahme der Artikel weit über die in den Bestimmungen vermerkte Frist hinaus kulant zeige. Und Spengler gewährt stets eine längere Umtauschfrist, wenn nicht alle bestellten Teile komplett geliefert werden. Davon erfährt die Kundschaft in den Unterlagen aber nichts.
Ausser La Redoute offerieren alle Versandhäuser die Möglichkeit der Teilzahlung. Allerdings ist dieses Angebot nicht gratis. Es werden unterschiedliche Zinsaufschläge auf die Restsumme erhoben:
von 0,68 Prozent bei Bader bis 1,5 Prozent bei Veillon. Meist wird zudem ein Mindestbetrag verlangt. Dieser beträgt zwischen Fr. 2.80 und Fr. 5.50.
Die Testpersonen beurteilten auch Angebot, Qualität und Service. Die besten Noten gab es erneut für Bader - der Verzicht auf Versandkosten und die Qualität der Kleider wurden positiv gewertet. Veillon, Neckermann und Heine kamen ebenfalls gut an. Während Quelle einmal nur die Note 2,5 erhielt, weil ein falscher Artikel geliefert wurde, benoteten andere das Versandhaus mit bis 5,5 und lobten das Verhältnis zwischen Preis und Leistung.
Ausländische Anbieter auf den Spitzenplätzen
Auch bei Spengler gingen die Meinungen stark auseinander: Die einen lobten die gute Qualität, andere klagten über die zu teure Ware. Kritisiert wurde zudem, dass Spengler für fehlende Artikel beliebigen Ersatz liefert: «Der Ersatzjupe war sportlich statt elegant und auch von ganz anderer Qualität», so eine Kundin.
Gesamtsieger im saldo-Test ist das Versandhaus Bader. Drei weitere Firmen erhielten das Prädikat «gut», für sechs Unternehmen gab es nur genügende Noten. Auffallend: Drei Häuser mit deutschen Wurzeln belegen die Podestplätze.
Das Schlusslicht im Test bildet mit La Redoute ein französischer Anbieter, der noch nicht lange in der Schweiz ist. Das Unternehmen gelobt jedoch Besserung: «Wir arbeiten daran, die Verfügbarkeit unserer Artikel zu steigern.»
So wurde benotet
Zehn Testpersonen bestellten für saldo bei zehn der grössten in der Schweiz tätigen Versandhäuser je drei Kleidungsstücke aus den Herbst/Winter-Katalogen. Sie protokollierten und bewerteten den Ablauf von der Bestellung bis zur Lieferung. Neben dem praktischen Test benotete saldo die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Firmen.
Die saldo-Gesamtnote ist der rechnerische Durchschnitt aus den drei Teilnoten «Bestellung und Lieferung», «Allgemeine Geschäftsbedingungen» und «Note der Testpersonen». Die Testerinnen und Tester berücksichtigten dabei das Angebot, die Qualität und den Service.
Die Bewertung erfolgte nach Noten, abgestuft von 1 (schlecht) bis 6 (sehr gut).
Harte Konkurrenz aus dem Ausland
Rund zwei Milliarden Franken Umsatz erzielt die Schweizer Versandhandel-Branche pro Jahr - davon machen Textilien mehr als die Hälfte aus. Aber: Der Bereich Textilien ist rückläufig, zudem drängen ausländische Gruppen auf den Schweizer Markt. Bereits wird mehr als die Hälfte des hiesigen Versandhandels vom Ausland beherrscht - angeführt von den deutschen Giganten Otto (Heine und Jelmoli) sowie Quelle und Neckermann. Auch der französische Konkurrent La Redoute wächst stark.
Schweizer Häuser, die allein auf dem heimischen Markt tätig sind, haben gegenüber der ausländischen Konkurrenz einen schweren Stand. Weil sie nur kleine Mengen ordern können, zahlen sie für die Ware deutlich mehr als deutsche Firmen mit grossem Einkaufsvolumen. Wohl um vorteilhafter einkaufen zu können, agieren die einheimischen Versandhäuser Ackermann und Veillon seit Anfang Jahr als Regula Holding AG. Die Marken Ackermann und Veillon bleiben eigenständig erhalten.