Aceto balsamico steht heute fast in jedem Haushalt. Selten jedoch handelt es sich dabei um das Original, den Aceto balsamico tradizionale di Modena, sondern meist um Kopien, denen im klingenden Namen der Zusatz «tradizionale» fehlt. Denn so darf sich nur ein Essig nennen, der nach strengen Regeln in einem jahrelangen Verfahren hergestellt wird (siehe unten).
Zwischen Original und Kopie liegen denn auch Welten: Für einen «Tradizionale» bezahlt man 80 und mehr Franken pro Deziliter, industriellen Essig gibt es bereits ab 35 Rappen pro Deziliter zu kaufen. Die meisten günstigen Essige werden in einem Schnellverfahren aus Weinessig, Karamellzucker und Traubenmost hergestellt.
Coop Fine Food und Globus: Gesamtsäuregehalt zu niedrig
saldo wollte wissen, wie es um die Qualität der Essige bestellt ist, und liess zehn häufig verkaufte Produkte analysieren. Die Laborexperten kontrollierten, ob die Produkte die gesetzlichen Bestimmungen einhalten und ob sie problematische Substanzen enthalten.
Im Test vertreten sind neben sehr günstigen Essigen der Grossverteiler auch solche aus der mittleren Preisklasse, Produkte von Luxus-Linien und einer aus dem Bio-Laden. Ausgerechnet die beiden teuersten Produkte von Coop Fine Food und Globus schneiden ungenügend ab: Beide Essige enthalten nicht so viel Säure, wie sie vom Gesetz her sollten. Testsieger ist der Aceto Antica Modena von Coop.
Die Lebensmittelverordnung schreibt vor, dass der Säuregehalt beim Aceto balsamico mindestens 60 Gramm pro Liter (g/l) betragen muss. Der Fine-Food-Balsamico enthielt nur 54,5 g/l und der Globus-Essig nur 57,8 g/l. Dies führte mit anderen Abzügen zum Gesamturteil «ungenügend».
Coop-Sprecher Takashi Sugimoto erklärt, dass die Gesamtsäure des Essigs laut Lieferant unmittelbar vor der Abfüllung 61,2 g/l betrug. Der Produzent mache als Ursache für die Abweichung unterschiedliche Analysemethoden verantwortlich.
Auch Ernst Pfenninger von Globus erklärt, dass der Lieferant zwei voneinander unabhängige Analyseergebnisse vorlegen könne, welche bestätigen, dass der Essig einen Säuregehalt von 60 und 62 g/l habe.
Schwefeldioxid: Bei Rapunzel nicht deklariert
Schwefeldioxid wird bei der Weinherstellung als Konservierungsmittel verwendet. Weil Aceto balsamico oft zur Hauptsache aus Weinessig besteht, findet man das Konservierungsmittel auch darin. Schwefeldioxid kann bei empfindlichen Personen Kopfweh und Asthmaanfälle auslösen. Ein gesetzlicher Höchstwert speziell für Aceto balsamico existiert nicht, für Gärungsessig beträgt er 170 Milligramm pro Liter (mg/l).
Die gemessenen Werte liegen alle weit unter dieser Höchstmenge. Übersteigt das Schwefeldioxid den Gehalt von 10 mg/l, müssen die Hersteller den Zusatzstoff auf dem Etikett deklarieren. Beim Aceto balsamico von Rapunzel fehlt jedoch dieser für Allergiker wichtige Hinweis, obwohl das von saldo beauftragte Labor 13 mg/l nachweisen konnte. Steffen Rapp von Rapunzel betont, dass auch Bio-Essig natürlicherweise Schwefeldioxid enthalte. Deshalb verlange Rapunzel von jedem Lieferanten für jedes Warenlos eine Analyse. Hierbei seien Werte zwischen 4 und 9 mg/l üblich, Ware mit Werten über 10 mg/l würde Rapunzel nicht in den Handel bringen.
Pestizide: Labor fand erfreulicherweise kaum Rückstände
Erfreulich ist die Bilanz in Sachen Pestizide. Das Labor prüfte eine Reihe von Substanzen. Die Hälfte der Essige sind frei von Rückständen, bei fünf Essigen fand das Labor Spuren des Fungizids Procymidon, das im Weinbau oft zur Anwendung kommt. Die Gehalte sind aber so tief, dass sie nicht zwingend von einem bewussten Pestizideinsatz stammen müssen, sondern auch durch Verwehungen von benachbarten Reben oder durch Rückstände aus dem Boden erklärbar sind.
Ochratoxin A ist ein Schimmelpilzgift. Es kann entstehen, wenn zur Herstellung des Aceto angefaulte Trauben verwendet wurden. Dabei genügen kleinste Mengen. Weil Ochratoxin im Tierversuch als krebserregend gilt, existieren für diese Substanz Grenzwerte in Lebensmitteln. So dürfen Traubenmost und Wein nicht mehr als 2 Mikrogramm pro Kilogramm (µg/kg) enthalten.
Nachgewiesen werden konnte der Stoff in allen Essigen. Der Testsieger Antica Modena enthielt jedoch nur Spuren davon. Mit 0,8 µg/kg deutlich belastet war der Sélection-Balsamico der Migros.
Kupfer: Gehalt war bei drei Produkten relativ hoch
Kupfer wird im Weinbau oft eingesetzt, um die Pflanzenkrankheit Mehltau zu bekämpfen. Das Schwermetall ist in geringen Dosen nicht gefährlich, in hohen Konzentrationen kann es aber Pflanzen und Tiere schädigen. Zudem reichert es sich im Boden an. Für Aceto balsamico existiert keine gesetzliche Höchstmenge, für andere Lebensmittel jedoch schon. So darf Wein nicht mehr als 1 mg/kg, Bier nicht mehr als 0,2 mg/kg enthalten.
Kupfer wurde in allen Essigen nachgewiesen. Die höchsten Konzentrationen fand das Labor mit 0,9 mg/kg im Sélection-Balsamico der Migros und mit 0,7 mg/kg im Delikata-Balsamico von Aldi sowie im Fine-Food-Balsamico von Coop.
Eine Delikatesse für besondere Gelegehheiten
Aceto balsamico tradizionale di Modena ist eine geschützte Bezeichnung und darf nur für Essig verwendet werden, der aus den Regionen Modena oder Reggio Emilia stammt und nach strengen Richtlinien produziert wird. Er wird hergestellt aus eingekochtem Traubenmost, Zusatzstoffe sind nicht erlaubt. Nach der Fermentation wird der Essig in verschiedene Holzfässer umgefüllt und lagert für mindestens zwölf Jahre.
Je länger die Lagerzeit, desto ausgeprägter und sämiger wird der Essig. Aceto balsamico tradizionale ist ein Luxusprodukt mit stolzem Preis: Ein Deziliter kostet 80 Franken rund mehr.
«Aceto balsamico di Modena» hingegen ist kein geschützter Name. «So darf sich auch ein Essig nennen, der nur aus billigem Weinessig, Karamellzucker und ganz wenig Traubenmost besteht», erklärt Lucas Rosenblatt, Koch und Kochbuchautor. Der Küchenprofi macht keinen Hehl daraus, dass er von den Essigen aus dem Supermarkt nicht viel hält. Er rät: «Wer einen wirklich guten Aceto balsamico will, wählt am besten einen aus einer Aceteria, die auch Tradizionale herstellt.»
Meist produzieren diese Betriebe neben dem teuren Original auch einen preiswerteren Balsamico von hoher Qualität. Zu kaufen gibt es diese Essige vorwiegend im Spezialitätengeschäft. Einige der bekanntesten Produzenten sind Leonardi, Gusti oder Delizia Estense.
Aceto balsamico ist für Lucas Rosenblatt kein Alltagsprodukt: «Das ist wie mit einem ausgezeichneten Wein, der wird auch nicht jeden Tag getrunken.» Er empfiehlt, Aceto balsamico sparsam und für spezielle Gerichte zu verwenden. «Toll» findet er einen Tradizionale zu Vanilleglace oder über frischen Erdbeeren mit etwas schwarzem Pfeffer. Balsamico könne aber auch zum Verfeinern einer Sauce verwendet werden: «Die süsssaure Note gibt der Sauce Spannung.» Kombiniert man den Aceto mit Öl, sollte man darauf achten, dass das Öl nicht zu dominant ist, sehr gut eignet sich ein neutrales Olivenöl.
Skeptisch steht Rosenblatt Trendprodukten auf Balsamico-Basis gegenüber. «Was heute im Supermarkt als Balsamico bianco angeboten wird, ist nichts anderes als gesüsster Weissweinessig.» Balsamico bianco sei speziell für Schweizer Konsumenten «erfunden» worden, weil sich die an der dunkelbraunen Farbe des Aceto balsamico gestört hätten. Trotzdem gäbe es auch traditionelle Betriebe, die guten weissen Balsamessig herstellen. «Schrecklich und völlig überteuert», findet der Profi hingegen die Balsamico-Creme, die bei vielen Hobbyköchen Anklang findet: «Wenn es sein muss, kann man das viel billiger selber herstellen, indem man günstigen Balsamico mit Zucker einkocht.»
Wer gerne etwas Hervorragendes probieren will, dem hat Rosenblatt einen anderen Tipp: «Guter Balsamico wird nicht nur in Italien produziert. Es gibt österreichische und deutsche Betriebe, die ausgezeichnete Essige herstellen.» Sie wenden das gleiche Herstellverfahren an wie die italienischen Betriebe, als Basis dient aber nicht Most aus Trauben, sondern aus Quitten, Pflaumen oder anderen Früchten.