Es ist keine gute Idee, regelmässig Thon oder Ravioli aus der Büchse zu essen. Solche Lebensmittel können die gesundheitsschädliche Chemikalie Bisphenol A enthalten. Der Schadstoff geht beim Sterilisieren von Konserven und während der Lagerung aus der Innenbeschichtung in die Lebensmittel über.
In der aktuellen Stichprobe von saldo enthielten nebst dem Thunfisch «Tonno all’Olio di Oliva» von Rio Mare und den «Eier Ravioli» von Hero auch der «Würzige Brotaufstrich» von Le Parfait und der «Aufstrich Poulet» von Argeta viel Bisphenol A.
Insgesamt suchte das von saldo beauftragte Chemielabor in den Lebensmitteln in zehn Büchsen und Tuben nach Bisphenol A. Positiv: Weitere zehn geprüfte Süssgetränke enthielten keine Bisphenol-A-Rückstände. Im Labor getestet wurden «Coca-Cola Original Taste», «Pepsi Regular», «Red Bull Energy Drink», «Ok.– Energy Drink Mango», «Nestea, Energy Tea Guarana Passion Fruit», «Fonti di Crodo, Oran Soda Originale Aranciata Italiana», «El Tony Mate», «Bilz Panache», «M-Budget, Energy Drink Original» und «Coop Prix Garantie, Energy Drink».
Nach einer neuen Einschätzung der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit zeigen Daten aus Tierstudien, dass Bisphenol A nicht nur das Hormonsystem, sondern auch das Immunsystem stören kann. Eine Folge könnten Autoimmunerkrankungen oder allergische Lungenentzündungen sein. Insgesamt hatte die Behörde für ihre Neubewertung mehr als 800 aktuelle Studien ausgewertet.
Schon seit längerem ist bekannt: Bisphenol A schädigt die Fortpflanzungsfähigkeit und die Hirnentwicklung von Kindern. Die Europäische Umweltagentur schreibt in einer neuen Studie, dass Bisphenol A auch die Risiken für Fettleibigkeit, Krebs, Stoffwechselstörungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht.
Diese Effekte treten schon bei sehr kleinen Mengen auf. Deshalb schlug die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) im April dieses Jahres der EU-Kommission einen neuen Tagesgrenzwert für Bisphenol A vor. Dieser liegt mit 0,2 Nanogramm pro Kilo Körpergewicht um das 20'000-Fache unter dem noch geltenden Grenzwert von 4 Mikrogramm pro Kilo.
Mit Thon, Ravioli oder Aufstrich weit über dem Tagesgrenzwert
Ein 80 Kilogramm schwerer Erwachsener sollte gemäss dem neuen Grenzwert täglich nicht mehr als 16 Nanogramm Bisphenol A aufnehmen. Die Behörde schliesst nur bei einer so geringen Menge langfristige Gesundheitsprobleme aus.
Die in den vier belasteten Produkten der saldo-Stichprobe gefundenen Bisphenol-A-Konzentrationen liegen deutlich darüber. Ein Erwachsener, der 80 Gramm Rio-Mare-Thunfisch oder eine Dose Argeta-Brotaufstrich isst, überschreitet die tolerierbare Tagesdosis um mehr als das 70-Fache. Ein Erwachsener, der 200 Gramm Hero-Eier-Ravioli aus der Büchse konsumiert, hat sogar 4000 Nanogramm Bisphenol A intus. Damit wäre der neue Grenzwert der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit um das 250-Fache überschritten.
Die von saldo gemessenen Werte decken sich mit den Resultaten einer Stichprobe der Konsumentenorganisation Foodwatch aus Österreich. Auch sie fand die höchsten Bisphenol-A-Werte in Thon und in Dosen-Mais.
Bisher wurde europaweit zu wenig gegen die Verbreitung dieses Schadstoffs unternommen. Das zeigen im September veröffentlichte Daten der europäischen Umweltagentur. In einer Studie untersuchte sie Urinproben von 2756 Europäern. In der Schweiz hatten fast drei Viertel von total 300 Studienteilnehmern zu viel Bisphenol A im Urin. In Deutschland überschritten 83 Prozent den neuen Grenzwert. In Luxemburg, Portugal und Frankreich war sogar jede Urinprobe mit Bisphenol A belastet.
Auch Schuhe und Spielsachen enthalten Bisphenol A
Bisphenol steckt in vielen Epoxidharz-Innenbeschichtungen von Konserven, Trinkflaschen oder Wasserleitungen. Auch in Spielsachen, Schuhen und Plastikgeschirr wurde Bisphenol A gefunden. Einzig Frankreich verbot Bisphenol A in Beschichtungen von Verpackungen mit Lebensmittelkontakt. Es gibt Alternativen zu Epoxidharz auf Basis von Polyester und anderen Kunststoffen. Wie gesund oder ungesund die neuen Beschichtungen sind, ist aber noch kaum erforscht.
Nicht alle Hersteller der belasteten Produkte der saldo-Stichprobe sind bereit, das Bisphenol-Problem zu lösen. Der Schweizer Vertrieb des beliebten Brotaufstrichs Argeta verteidigt sein Produkt und verweist darauf, dass die zurzeit geltenden Grenzwerte eingehalten werden.
Gleicher Ansicht ist der Hersteller von Le Parfait. Bis zur definitiven Festlegung eines neuen Grenzwerts gelte noch der alte. Der Hersteller des Rio-Mare-Thons erklärt hingegen, dass für den schweizerischen und den französischen Markt mittlerweile nur noch Dosenbeschichtungen ohne Bisphenol A verwendet würden. Die gefundene Menge Bisphenol führt die Firma auf eine Kreuzkontamination zurück: «Bisphenol A ist mittlerweile überall in der Umwelt vorhanden.»
Ähnlich argumentiert Hero. Gemäss dem Unternehmen werden seit Februar 2023 nur noch Dosenbeschichtungen ohne Bisphenol A eingesetzt. Das allein garantiere aber nicht, dass der Stoff im Lebensmittel künftig nicht mehr vorkomme.
So vermeiden Sie im Alltag Bisphenole
Die Schweizer Behörden unternehmen nichts Konkretes, um die Konsumenten vor der Chemikalie Bisphenol A (BPA) zu schützen. Deshalb gibt es nur eine Möglichkeit: im Alltag den Kontakt mit belasteten Produkten vermeiden. Tipps dazu:
- Trinkflaschen aus Kunststoff meiden – Produkte aus Edelstahl oder Glas bevorzugen.
- Kein warmes Wasser aus alten Trinkwasserleitungen trinken, die mit Epoxidharz behandelt wurden. Das Chemische- und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (D) stellte im vergangenen Jahr in fast allen Warmwasserproben aus solchen Leitungen besorgniserregend hohe Bisphenol-A-Rückstände fest. Laut dem deutschen Umweltbundesamt wurden in kaltem Wasser bisher keine solchen Rückstände gefunden.
- Möglichst keine fettigen oder sauren Lebensmittel aus beschichteten Metallverpackungen konsumieren. Maiskörner und Thon in Glasverpackungen bevorzugen. Darin fand die Organisation Foodwatch kein Bisphenol A.
- Lebensmittel selbst kochen und frisch konsumieren.