Clementinen und Mandarinen sind in der Vorweihnachtszeit beliebt. Doch fast alle enthalten Pestizide: Das Labor fand in 19 der 20 von saldo eingekauften Produkte im Fruchtfleisch Rückstände von bis zu vier agrochemischen Substanzen. Unbelastet waren nur die Satsuma-Mandarinen von Lidl. Sie waren mit Fr. 1.46 pro Kilo zusammen mit den Clementinen von Aldi sehr günstig. Die grösste Menge Pestizide fanden die Experten in den Primagusto-Clementinen von Coop. Mit fast 6 Franken pro Kilo zählten die Früchte aus Israel zu den teuersten Produkten der Stichprobe.
saldo kaufte im November 20 Packungen Mandarinen und Clementinen und schickte sie ins Labor. Die Experten untersuchten das Fruchtfleisch auf Rückstände von über 500 Pestiziden. Die meisten Früchte stammten laut den Läden aus Spanien. Einzig die besuchte Landi-Filiale beschriftete ihre Clementinen mit der Herkunft Schweiz.
Die Laborexperten fanden in allen vier Bio-Produkten Phosphonsäure. Am meisten davon enthielten die Bio-Früchte von Aldi mit über 1 Milligramm pro Kilo. In der konventionellen Landwirtschaft kommt Phosphonsäure in der Regel durch Dünger oder das Pestizid Fosetyl in die Produkte. Im Bio-Landbau ist Phosphonsäure in der Schweiz und der EU verboten. Laut dem deutschen Bundesamt für Verbraucherschutz ist der Stoff für Vögel, Säugetiere und Wasserorganismen ein Risiko. Den EU- Düngern dürfen ab Juli 2022 keine Phosphonate mehr zugesetzt sein.
Laut Bernhard Speiser, Pflanzenschutzexperte am Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick AG, stammt die Phosphonsäure der Bio- Produkte wohl aus dem Holz der Pflanzen. Die Substanz werde nach der Anwendung dort eingelagert, dann in die Blätter und Früchte transportiert. Stellt ein Bauer auf Bio-Produktion um, beträgt die Übergangsfrist in der EU drei Jahre. Clementinen können also noch für einige Jahre Rückstände von Phosphonsäure aufweisen, obwohl diese gar nicht mehr eingesetzt wurde. Möglich ist auch eine Verwehung aus Nicht-Bio-Betrieben durch die Luft. Gerade bei Obstanlagen ist dieses Risiko laut Speiser besonders gross, da man die Bäume ganz einsprühe.
Gefährliche Pestizide in den meisten Früchten
Auch bei den konventionellen Früchten enthielten 13 von 16 Produkten Spuren von mindestens einem für Mensch oder Umwelt besonders schädlichen Pestizid. Die meisten dieser Stoffe kommen erst nach der Ernte zum Einsatz. Sie sollen Schimmel verhindern und die Früchte länger haltbar machen.
Beispiel Imazalil. Das Labor fand dieses Fungizid im Fruchtfleisch von zwölf Proben. Es kann laut der EU-Datenbank für Pestizide vermutlich Krebs erzeugen.
Die «Clementinen mit Blatt» von Globus sowie die Mandarinen von Manor und Spar enthielten Thiabendazol. Der Stoff ist im Boden schwer abbaubar und giftig für Wasserorganismen. Das Bundesamt für Landwirtschaft bezeichnet die Substanz als «Pflanzenschutzmittel mit besonderem Risikopotenzial».
In den Globus-Clementinen «Blue Orange» sowie den Migros-Mandarinen «Satsuma Owarin» steckte Pyrimethanil. Laut Greenpeace kann das Pestizid vermutlich die Hormonproduktion der Schilddrüse blockieren.
Keine Deklarationspflicht für behandelte Zitrusfrüchte
Die Konsumenten erfahren in der Regel nichts von den giftigen Substanzen. saldo fand entsprechende Angaben nur vereinzelt bei Migros, Denner, Lidl und Aldi. In der EU müssen die Händler die nach der Ernte behandelten Zitrusfrüchte deklarieren.
Gesetzliche Höchstwerte für Pestizidrückstände wurden bei keinem Produkt überschritten. saldo bewertet Chemierückstände in den Früchten allerdings bewusst streng. Denn das Gesetz kennt nur Höchstwerte für einzelne Substanzen, aber keine für den Pestizidcocktail insgesamt. Wie sich dieser Mix aus mehreren Substanzen auf die menschliche Gesundheit auswirkt, ist ungeklärt. Die europäische Lebensmittelbehörde geht davon aus, dass sich die Wirkung der einzelnen Stoffe in der Kombination verstärken kann.
Die Migros schreibt zur Phosphonsäure in den Bio-Clementinen und denen von Alnatura, die europäische Lebensmittelbehörde bewerte Rückstände von Phosphonsäure «als kaum toxisch».
Migros, Alnatura, Denner, Aldi und Lidl erklären, dass die eingesetzten Substanzen auf der Etikette des Produkts oder auf dem Karton deklariert seien: «Ist nichts deklariert, wurde nichts eingesetzt.» Globus verspricht, entsprechende Angaben neu auf den Schachteln zu machen. Volg und Landi sagen: «Für Konservierungs- und Wachsmittel besteht keine Deklarationspflicht.» Auf die Frage, ob die Landi-Clementinen tatsächlich aus der Schweiz stammen, erwidert Landi: «Sie stammen aus Spanien.»