Kunstvoll gestaltete Etiketten mit edlem Goldrand und die Angabe «extra vergine» sind nach wie vor keine verlässlichen Entscheidungshilfen bei der Suche nach einem hochklassigen Olivenöl. Das zeigt die neueste Degustation von saldo und der TV-Sendung «Kassensturz». Jedes der in den Läden eingekauften 16 Produkte wird als «extra vergine» angepriesen. Das ist laut Gesetz die höchste Qualitätsstufe beim Olivenöl.
Das heisst aber nicht viel. Konkret bedeutet «extra vergine» gemäss der europäischen Verordnung nur, dass so beworbene Öle keine Fehler aufweisen dürfen und fruchtig schmecken müssen. Ein Fehler wäre zum Beispiel ein ranziges, stichiges Aroma. «Extra vergine» bezeichnet also bloss geschmackliche Mindestanforderungen.
Das «Barbera»-Öl von Denner fiel durch
In der Verkostung der saldo-Fachjury war ein Produkt fehlerhaft. Das «Barbera» von Denner war ranzig. Deshalb hätte es nicht als «extra vergine» verkauft werden dürfen. Denner bedauert das schlechte Ergebnis und kündigt an, in Zukunft noch mehr eigene sensorische und chemische Analysen durchzuführen, bevor ein Öl in den Verkauf gelangt.
Sechs weitere Öle hatten zwar keine Fehler, sie konnten die strenge zwölfköpfige Jury aber geschmacklich nicht überzeugen. Die Produkte schmeckten unharmonisch oder hatten nur ein äusserst schwaches Aroma. Diese Öle schnitten deshalb ungenügend ab. Zum Vergleich: Ein Spitzenöl muss auf der Geschmacksskala 7,5 bis 10 Punkte erreichen. Die ungenügenden Produkte im Vergleich erreichten nicht einmal 4,5 Punkte.
Am besten schnitt das spanische «Oro Bailén» von Manor mit 7 Punkten ab. Es war nicht nur fehlerfrei, sondern auch harmonisch im Geschmack. Vier weitere Produkte erreichten eine gute Punktzahl.
Erfreulich: Im Vergleich zur Degustation vor vier Jahren verbesserten sich die Produkte der Grossverteiler. 2016 waren noch 9 von 16 Ölen nach Ansicht der Experten fehlerhaft («K-Tipp» 10/2016). Seit Jahren gleichbleibend in der Qualität sind die Produkte «Monini» von Migros und «Naturaplan» von Coop. Schon 2016 schnitten diese Olivenöle fehlerfrei und geschmacklich positiv ab. Auffallend stark verbesserten sich die Öle «Primadonna» von Lidl und «Bertolli» von Denner. Mit einem Literpreis von Fr. 9.95 und Fr. 11.90 sind sie zudem sehr günstig.
Tipp: Fehlerfreies Olivenöl riecht und schmeckt nach unreifen grünen Oliven. Exzellente Produkte bieten darüber hinaus wie gute Weine ein interessantes, harmonisches Geschmackserlebnis. Sie riechen und schmecken zum Beispiel nach Kräutern, Tomaten, Mandeln oder exotischen Früchten. Muffige, stichige und ranzige Aromen haben in «extra vergine» nichts zu suchen. Gutes Olivenöl schmeckt zudem scharf-pfeffrig. Die Schärfe kann beim Degustieren auch etwas zeitversetzt eintreten. Ein leichtes Brennen ist positiv.
Dass Olivenöle der Qualitätsklasse «extra vergine» von minderer Qualität sein können, ist nicht neu. Grund: Die Hersteller kaufen und mischen Oliven verschiedenster Qualität. In Laboranalysen sind minderwertige Produkte nur schwer zu entlarven, da die Produkte bei der Herstellung bearbeitet werden. Schlechte Gerüche und Inhaltsstoffe können mit Dampf und anderen Methoden entfernt werden.
Keine regelmässigen Kontrollen durch die Kantonschemiker
Wichtig wären regelmässige amtliche Kontrollen der in der Schweiz verkauften Produkte. Den Kantonschemikern ist das Problem bekannt. Wiederkehrende Kontrollen gibts jedoch nach wie vor nicht. Letztmals überprüften die Labore Zürich, Thurgau, Genf und Luzern vor zwei Jahren gemeinsam 50 Proben. Damals wurden sieben Öle beanstandet. Eine Geschmacksprüfung fand nicht statt – obwohl die EU-Gesetzgebung eine solche sensorische Prüfung vorschreibt.
Laut dem Zürcher Kantonschemiker Martin Brunner betreiben die kantonalen Vollzugsbehörden keine eigene Geschmacksprüfergruppe, weil der Aufwand sehr hoch ist. Der Bund setze auf die Selbstkontrolle der Olivenölhersteller. Das heisst, die Kantonschemiker kontrollieren nur die Prüfungsergebnisse der Hersteller auf Papier. Eigene sensorische Prüfungen gibt es nicht.
So wurde geprüft
Im Auftrag von saldo und «Kassensturz» überprüften zwölf auf Olivenöl spezialisierte Sensoriker die Eigenschaften von 16 Extra-vergine-Ölen. Sämtliche Produkte stammten aus den Regalen der Grossverteiler und wurden blind degustiert.
Beim Expertengremium der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften handelt es sich um ein speziell für Olivenöl zugelassenes Fachgremium. Die Mitglieder der Sensorikergruppe müssen ihre Fähigkeiten regelmässig trainieren und sich in den Produktionsländern weiterbilden. Wegen der Coronakrise wurden die anonymisierten Ölproben per Paketpost an die Sensoriker verschickt und von diesen an akkreditierten Heimprüfplätzen geschmacklich beurteilt.