Stefan Tobler gehört zu einer Minderheit, die nicht über ihre Wohnkosten klagen kann: «So günstig habe ich noch nie in meinem Leben gewohnt.» Tatsächlich: Für seine 280-Quadratmeter-Wohnung an guter Lage in Basel zahlt er als Eigentümer zurzeit gerade 1200 Franken pro Monat – inklusive Nebenkosten. Grund ist der niedrige Hypothekarzins von 1,04 Prozent (Geldmarkthypothek).
Von derart niedrigen Wohnkosten können Mieter nur träumen. Denn auch in Perioden mit tiefen Hypothekarzinsen sinken die Mieten nicht. Der Mietpreisindex des Bundesamts für Statistik kennt seit 1982 nur eine Richtung: nach oben (siehe Grafik im pdf-Artikel links).
Für Wohneigentümer steigen und fallen die Kosten mit der Höhe der Bankzinsen. Anders als der Mietindex kann diese Kurve aber durchaus tief fallen – wie dies gegenwärtig der Fall ist (siehe Grafik im pdf-Artikel rechts). Bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB) etwa beträgt der Zinssatz für eine variable Hypothek zurzeit 2,5 Prozent.
Tiefer war dieser Zinssatz in den letzten 30 Jahren noch nie. Und es dürfte noch einige Monate so bleiben: Angesichts der Schuldenkrise einiger Euro-Länder rechnen nun viele Ökonomen frühestens Ende Jahr mit einer Erhöhung der Leitzinsen durch die Schweizerische Nationalbank.
Die tiefen Zinsen haben in den letzten Jahren viele Mieter dazu bewogen, Wohneigentum zu erwerben, um die Kosten zu senken. Laut Bundesamt für Wohnungswesen ist die Eigentümerquote in der Schweiz seit dem Jahr 2000 von 34,6 auf aktuell 40 Prozent geklettert.
Schlechte Zinsen auf Geldanlagen machen das Kaufen zurzeit attraktiv
Ist es aber tatsächlich günstiger, die eigenen vier Wände zu bewohnen als Mieter zu bleiben? Eine Vergleichsrechnung einer Neubauwohnung im Wert von 700‘000 Franken bestätigt die These. Die Wohnkosten für die nächsten zehn Jahre belaufen sich für den Eigentümer dieser Wohnung auf 283‘360 Franken, weniger als 30‘000 Franken pro Jahr.
Der Rechnung zugrunde liegt der ZKB-Zinssatz (Stand 27.5.2010) für eine 10-jährige Festhypothek von 2,81 Prozent auf 560‘000 Franken, eine Amortisation der Hypothek von 1 Prozent inklusive Unterhalt und Nebenkosten von 1 Prozent pro Jahr.
Wer dieselbe Wohnung mietet, zahlt während zehn Jahren 350‘000 Franken. Dies unter der Annahme einer Bruttorendite des Vermieters von 5 Prozent. Dies entspricht gemäss ZKB dem gängigen, aktuellen Wert. Die Variante Kauf schneidet also 66‘640 Franken oder 19 Prozent günstiger ab als die Miete.
Urs Hausmann vom Immobilienberatungsunternehmen Wüest & Partner ist überzeugt, dass sich ein Kauf von Wohneigentum lohnt, wenn man die laufenden Kosten betrachtet. Er warnt aber davor, nur diesen Aspekt zu beachten: «Der Erwerb von Wohneigentum ist eine vielschichtige Angelegenheit.»
Hausmann kennt diverse Untersuchungen, die sich mit der Frage «Miete oder Kauf?» befassen. Das Manko dabei: Je nach Annahmen und Zeitpunkt kommen sie zu ganz anderen Resultaten. «Ob der Kauf von Wohneigentum ein gutes Geschäft ist, kann man eigentlich erst im Nachhinein beurteilen.»
Für den Kauf einer Eigentumswohnung oder eines Einfamilienhauses spricht zurzeit, dass die Ersparnisse auf einem Bankkonto kaum Zins abwerfen. Dieses Geld kann für die üblichen 20 Prozent Eigenkapital beim Erwerb von Wohneigentum verwendet werden. Auf einem normalen Sparkonto gibt es bloss zwischen 0,25 und 0,75 Prozent Zins. Das Pensionskassenguthaben, das viele als Eigenkapital einsetzen, wird zurzeit ebenfalls nur mit 2 Prozent verzinst.
Und auch die Börse ist keine Gewinnmaschine mehr: Man spricht vom «verlorenen Jahrzehnt» an der Börse. Wer vor zehn Jahren in Aktien investierte und diese gehalten hat, verdiente praktisch nichts. Beim Wohneigentumskauf kann der Besitzer hingegen von der Wertentwicklung der Immobilie profitieren.
Das beste Argument für den Erwerb von Wohneigentum sind heute die historisch tiefen Zinsen. Wer jetzt eine Festhypothek abschliesst, kann sich auf Jahre hinaus günstige Zinsen sichern. Auch Geldmarkthypotheken (Libor) mit einer Begrenzung gegen oben versprechen eine gewisse Budgetsicherheit.
Käufer sollten immer eine Tragbarkeitsrechnung durchführen
Klar ist, dass die Zinsen irgendwann wieder steigen werden. Damit die Wohneigentümer ihre Immobilie auch in Hochzinsphasen halten können, machen die Banken eine Tragbarkeitsrechnung: Bei einem Hypozinssatz von 5 Prozent (teilweise wird auch mit 4,5 Prozent gerechnet) sollte die Belastung des Familienbudgets durch die Wohnkosten (ohne Nebenkosten) einen Drittel des Brutto-Haushalteinkommens nicht überschreiten.
Während der Hypothekenkrise Anfang der 90er-Jahre betrug der variable Zinssatz für Neuhypotheken bei der ZKB 8 Prozent. In den letzten 15 Jahren bewegte sich der Satz jedoch stets unter 5 Prozent. Wohneigentümer haben die Möglichkeit, hohe Zinssätze abzumildern: Sie können die Schuldzinsen beim steuerbaren Einkommen abziehen.
Eigentumswohnungen: Starke Nachfrage liess die Preise ansteigen
Adrian Wenger, Leiter Hypothekarberatung beim VZ Vermögenszentrum, warnt potenzielle Käufer davor, sich angesichts der heute tiefen Hypozinsen verleiten zu lassen, sich ein kaum erschwingliches Traumobjekt zuzulegen. Besser sei es, ein Objekt zu wählen, das den finanziellen Möglichkeiten angepasst ist.
In den letzten Jahren war die Nachfrage nach Eigentumswohnungen sehr stark. Das führte dazu, dass die Preise innert zehn Jahren um 40 Prozent anstiegen. Wenger mag zwar nicht von einer Preisblase sprechen. Er gibt aber zu bedenken, dass Eigentumswohnungen bei einem späteren Zinsanstieg an Wert verlieren könnten.
Wer dieses Risiko klein halten will, kauft Wohnungen an guter Lage, die von Gestaltung und Ausstattung her einer breiten Käuferschaft gefallen. Bei Einfamilienhäusern ist die Gefahr von Preiskorrekturen viel geringer, da der Preisanstieg in diesem Segment in den letzten Jahren bescheidener war.
Wohneigentum: Hohe finanzielle Hürde
Die eigenen vier Wände zu bewohnen, ist der Traum der überwiegenden Mehrheit der Mieter. Das zeigen Erhebungen der ETH Lausanne. Nur eine Minderheit der Mieter schafft es aber, den Traum in die Realität umzusetzen.
Das Haupthindernis beim Erwerb von Wohneigentum sind laut einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften die Finanzen: Die meisten Miethaushalte sind finanziell nicht in der Lage, das nötige Eigenkapital von 20 Prozent aufzubringen.
Auch das Einkommen für die langfristige Begleichung der Hypozinsen und die Amortisation reicht häufig nicht aus. Die Hochschule kommt zum Schluss, dass sich die Frage «Miete oder Kauf?» realistischerweise nur bei maximal 10 Prozent aller Mieter stellt.
Es gibt aber auch Mieter, die ganz bewusst auf Wohneigentum verzichten. Wer zur Miete wohnt, ist flexibler: Bei einem Jobwechsel kann die Wohnung kurzfristig gekündigt werden. Der zeitliche Aufwand ist geringer, die Nebenkosten sind berechenbar – und man geht keine längerfristige finanzielle Belastung ein.
Für den Erwerb von Wohneigentum sprechen tiefere Wohnkosten, sofern die Immobilie über mehrere Jahre gehalten wird, der Wegfall des Kündigungsrisikos und mehr Gestaltungsfreiheit. Ferner besteht die Chance, von der Wertsteigerung des Wohneigentums zu profitieren.