Der Strompreis für Haushalte steigt im kommenden Jahr um 1 Prozent. Doch das ist bloss der schweizerische Durchschnitt. Die Unterschiede zwischen den Gemeinden sind enorm. In Steckborn TG muss ein Durchschnittshaushalt im 2014 15 Prozent weniger zahlen. Er spart bei einem Jahresverbrauch von 4500 Kilowattstunden gut 120 Franken. In der Stadt Bern muss ein Haushalt mit gleichem Verbrauch nächstes Jahr gut 92 Franken mehr zahlen (siehe Tabelle). Ein Schweizer Durchschnittshaushalt zahlt im Normalfall zwischen 600 und 1100 Franken pro Jahr für Strom. Das zeigen Daten der Eidgenössischen Elektrizitätskommission Elcom. 

Grund für die grossen Unterschiede: Die Energiepreise sind auf dem internationalen Markt massiv gesunken. Aber nicht alle Elektrizitätswerke lassen die Haushaltskunden davon profitieren. Denn nur Grossverbraucher können den Stromverkäufer frei wählen. Die Haushaltskunden hingegen haben keine Wahl. 

Konkret: Ein Elektrizitätswerk zahlt heute 24 Prozent weniger als vor ­einem Jahr. Dies zeigen die Zahlen für einjährige Grundlast-Stromverträge der europäischen Energiebörse EEX. Die Preise liegen laut Romano Zgraggen vom Verband Thurgauischer Elektrizitätsversorgungen erstmals 10 bis 20 Prozent unter den Lieferpreisen der Axpo-Gruppe. 

Einzelne Gemeindewerke machen sich diese Preissenkung zunutze. Das Regionalwerk Baden etwa kauft seit Januar rund 80 Prozent des Stroms zum Börsenpreis statt via die Axpo. Geschäftsleitungsmitglied Heinz Bolliger zum neuen Strompreis: «Die Haushalte zahlen insgesamt 6,3 Prozent weniger pro Kilowattstunde als bisher, weil wir neu im freien Markt einkaufen.» Für die Energie zahlt das Werk 16,1 Prozent weniger. Der Gesamtpreis sinkt aber nur um 6,3 Prozent, weil die Netzkosten und die Lenkungsabgaben gestiegen sind.


Interessenkonflikt: Viele Kantone sind Aktionäre von Elektrizitätswerken

Eine ähnliche Strategie verfolgen die Stromversorger von Steckborn TG, Schaffhausen, Solothurn oder Brugg AG. Allein im Aargau beziehen seit diesem Jahr zwölf unabhängige Gemeindewerke 1600 Gigawattstunden Strom zu den günstigeren Marktpreisen – so viel, wie das AKW Mühleberg in rund sechs Monaten produziert. Das zeigen die Zahlen des Verbands Aargauischer Stromversorger.

Das passt nicht allen. So ermahnte der Thurgauer FDP-Regierungsrat Kaspar Schläpfer die Gemeindeverantwortlichen in einem Brief, nicht den günstigen Marktstrom zu kaufen. Sie sollten solidarisch mit dem Kantonswerk EKT sein, das zur Axpo-Gruppe zählt. Hintergrund: Viele Kantone stehen als Mitbesitzer der Elektrizitätswerke in einem Interessenkonflikt. Ruedi Zurbruegg, Geschäftsführer des Verbands Aargauischer Stromversorger, spricht Klartext: «Als Aktionär der Axpo haben die Kantone ein Interesse an hohen Steuereinnahmen und Dividenden. Dies kollidiert mit dem Wunsch der Bürger nach günstiger Stromversorgung.»

Die Haushalte von Stadt und Kanton Bern können nicht von den gesunkenen Marktpreisen profitieren. Im Gegenteil: Die Energielieferanten EWB und BKW werden 2014 den Strompreis erhöhen. Die Stadtberner EWB sagen, die Produktionskosten des neuen Gaskraftwerks überstiegen die Einsparungen durch tiefere Börsen-Strompreise. Und die Bernischen Kraftwerke BKW, die das AKW Mühleberg betreiben, machen steigende Instandhaltungskosten geltend. 

Das stimmt nicht ganz: Die BKW verkaufen als Stromhändlerin anderen Energieversorgern Strom zu günstigeren Marktpreisen – bei den eigenen 351 000 Haushaltkunden verlangen sie 9,4 Prozent mehr. 

Sonderbar auch die Preispolitik der Bündner Repower: Das günstigste Stromprodukt Mixpower liefert den Haushalten Strom vom europäischen Markt. Trotzdem sinkt der Energiepreis nicht. Repower sagt, die Kalkulationen liessen keine weitere Senkung zu. Andere Stromversorger zeigen: Bei den Preisen ist noch Spielraum nach unten.