Jahrelang warb Proviande, die Vermarktungsorganisation der Schweizer Fleischproduzenten, mit dem Slogan: «Alles andere ist Beilage.» Der Appetit der Konsumenten auf Fleisch nahm aber offenbar nicht zu: Pro Kopf ging die verkaufte Fleischmenge im letzten Jahr um 2 Prozent zurück. Seit kurzem wirbt Proviande nun in ihren Inseraten mit dem Satz: «Unsere Allesfresser fressen nicht alles.» Darunter steht gut lesbar: «Keine Antibiotika» und «keine GVO».
Die Aussage, Schweizer Nutztiere würden «keine Antibiotika» erhalten, ist falsch. Proviande schreibt den Anzeigentext deshalb um. Ein Sprecher behauptet zwar, die Aussage sei nicht irreführend. Er gibt aber gleichzeitig zu: «Die Glaubwürdigkeit unserer neuen Kampagne ist für uns oberstes Gebot, deshalb haben wir den Text geändert.» Neu lautet er: «Keine Leistungsförderer.» Und klein darunter: «Hormone und Antibiotika zur Leistungsförderung sind in der Schweiz verboten.»
Das ist richtig. Doch das gilt auch in den Ländern der EU. Was weiterhin nicht im Inserat steht: Anders als zur Leistungsförderung sind Antibiotika gegen Krankheiten erlaubt und bei Nicht-Bio-Fleisch auch zur Vorbeugung (saldo 6/2016).
Im letzten Jahr kauften Schweizer Nutztierzüchter nicht weniger als 41 378 Kilogramm Tier-Antibiotika. Dies geht aus dem Antibiotika-Resistenz-Report des Bundes hervor. Weil die Bauern ihre Tiere zu oft behandeln, fordern Veterinäre nun gar eine «Antibiotikasteuer». Der Leiter der Schweinemedizin des Tierspitals Zürich sagt, Schweinezüchter könnten den Antibiotikaeinsatz um gut die Hälfte reduzieren (saldo 17/2016).
Hoher Antibiotikaeinsatz fördert Resistenzen beim Menschen
Besonders problematisch: Die Bauern setzen auch Antibiotika ein, die in der Humanmedizin verwendet werden. Dadurch können bei Menschen gefährliche Resistenzen entstehen. Zu den wichtigsten Wirkstoffen zählen die Cephalosporine der dritten und vierten Generation. Der Verkauf dieser Antibiotika-Gruppe stieg seit 2008 um 31 Prozent.
Zu dieser heiklen Gruppe gehört beispielsweise das Antibiotikum Cefoperazon. Schweizer Tierärzte setzen es zur Behandlung von Euterentzündungen bei Milchkühen ein. Zum Vergleich: Innerhalb der EU geben nur die Bauern in Zypern und Litauen den Kühen noch mehr Antibiotika zur Euterbehandlung. In Deutschland, Frankreich, Italien und 13 weiteren EU-Ländern wird pro Tier nur ein Drittel der Schweizer Menge verabreicht. Dies geht aus den Zahlen im Agrarbericht des Bundesamts für Landwirtschaft von 2013 hervor. Immerhin: Der Bund will den Antibiotikaeinsatz senken. Bauern dürfen seit April unter anderem weniger Antibiotika auf ihren Höfen lagern.
Steuergelder für die irreführende Fleischwerbung
Die neue Proviande-Kampagne ist zu einem grossen Teil mit Steuergeldern finanziert. Letztes Jahr waren es 5,9 Millionen Franken. Das Ziel: Konsumenten sollen sich dank «transparenten Informationen und Fakten» bewusst «für einheimisches Fleisch entscheiden». Und offenbar die irreführende Werbung auch gleich noch selbst bezahlen.
Dabei wird es wohl bleiben: Die Wirtschaftskommission des Nationalrats lehnte Ende Oktober eine parlamentarische Initiative mit 17 gegen 6 Stimmen ab, welche diese Subventionen für Fleischwerbung streichen wollte. Der Basler Nationalrat Beat Jans (SP) kritisierte in seiner Initiative, die Subventionen würden die Bemühungen des Bundes zum Klimaschutz und zur Gesundheitsvorsorge unterlaufen – und Steuergelder verschwenden.