Schweizer Bauern und Konsumenten zahlen zu viel
Schweizer Früchte und Gemüse sind nicht deshalb teurer, weil die Qualität höher ist. Sondern weil die Schweiz durch hohe Zölle abgeschottet ist. Davon profitiert zum Beispiel der Agrarkonzern Fenaco.
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saldo 07/2008
13.04.2008
Hubert Mooser
Wer Pouletschenkel einführen will, muss heute tief in die Tasche greifen. 1019 Prozent Zollzuschlag kassiert die Eidgenossenschaft auf jedes Pouletbein – das ist mehr als das Zehnfache des Einkaufspreises. Ein Beispiel von vielen, wie die Schweiz ihre Landwirtschaft vor der ausländischen Konkurrenz schützt – auf Kosten der Konsumenten.
Die Schweiz ist nach Norwegen das Land mit den höchsten Schutzzöllen auf Landwirtschaftsprodukten. Davon profitie...
Wer Pouletschenkel einführen will, muss heute tief in die Tasche greifen. 1019 Prozent Zollzuschlag kassiert die Eidgenossenschaft auf jedes Pouletbein – das ist mehr als das Zehnfache des Einkaufspreises. Ein Beispiel von vielen, wie die Schweiz ihre Landwirtschaft vor der ausländischen Konkurrenz schützt – auf Kosten der Konsumenten.
Die Schweiz ist nach Norwegen das Land mit den höchsten Schutzzöllen auf Landwirtschaftsprodukten. Davon profitieren nicht nur die Bauern, sondern auch Agrarkonzerne wie die Fenaco.
Kein anderes Unternehmen beherrscht die Schweizer Landwirtschaft wie dieses. Fenaco liefert den Bauern Futter- und Düngemittel, kauft ihnen die Ernte ab, verarbeitet die Erzeugnisse und vertreibt teilweise auch die Produkte. Wer so viel Macht besitzt, diktiert Preise und Lieferkonditionen. Und zwar den Bauern wie den Abnehmern.
Das Bundesamt für Landwirtschaft hat nachgerechnet: Aufgrund der abgeschotteten Märkte und der marktmächtigen Stellung einzelner Futtermittelhersteller bezahlen die Schweizer Bauern 1,7 Milliarden mehr für Produktionsmittel als etwa die Landwirte in Baden-Württemberg. Diese Mehrkosten fliessen zu einem beträchtlichen Teil in die Kassen von Unternehmen wie der Fenaco. Deren Mediensprecher Peter Kurzen bestreitet dies nicht und erklärt: «Wir wollen eine nachhaltige, tierfreundliche Landwirtschaft», sagt er, «das ist mehr als Heimatschutz und hat einen Preis.»
Pflanzenschutzmittel: Kontrolle über Vertriebsstrukturen
Besonders bei den Futtermitteln hat die Fenaco inzwischen eine dominante Stellung. Es geht hier um ein Geschäft von 2,6 Milliarden Franken. Die Fenaco kontrolliert beim Hühnerfutter 60 Prozent des Handels, beim Schweinefutter gegen 50 Prozent. Mit dem Kauf der Steffen-Riis ist sie auch bei den Kartoffeln zum wichtigsten Schweizer Händler aufgerückt.
Ihre Muskeln lässt die Fenaco auch bei den Pflanzenschutzmitteln spielen. Seit Anfang Jahr sind hier zwar Parallelimporte möglich. Doch Unternehmen wie die holländische Realchemie, die als Preisbrecher auftritt, haben grösste Mühe, in der Schweiz Fuss zu fassen. «Fenaco kontrolliert die Absatzkanäle und Strukturen derart», sagt Michael Keil von der Realchemie, «dass viele Landwirte sich nicht trauen, Produkte bei der Konkurrenz einzukaufen.» Keil spricht auch von robusten Methoden, mit denen die Fenaco Discounter wie die Realchemie aus dem Markt drängen wolle.
Bei den Pflanzenschutzmitteln läuft das so ab: Anfang Jahr kommen die Berater der Pflanzenschutzhersteller zu den Bauern und nehmen die Bestellung auf. Sie liefern aber nicht direkt an die Landwirte, sondern an die jeweilige Landi. «Pflanzenschutzmittel brauchen spezielle Sicherheitsvorkehrungen. Die Landi spielt hier die Rolle von Apotheken», behauptet Peter Kurzen. Man kann das auch anders sehen. «Indem sie die Landwirte zwingt, Pflanzenschutzmittel bei der Landi abzuholen, kann sie diese an der kurzen Leine halten», entgegnet Keil.
Agrarfreihandel: Die Fenaco scheut den Wettbewerb
Geschäft und Gegengeschäft – mit diesem System kontrolliert die Fenaco Markt und Produzenten. Im September 2005 schritt der Preisüberwacher zur Tat: Er war bei seinen Abklärungen zu den hohen Preisen für Dünger, Pflanzenschutzmittel und Tierarzneimittel auf sogenannte Knebelverträge gestossen. Landwirte dürfen ihr Gemüse, Kartoffeln und Rüebli den Landis nur abliefern, wenn sie im Gegenzug Dünger und Pflanzenschutzmittel in einem bestimmten Umfang beziehen. Der Preisüberwacher schlug auf den Tisch, die Fenaco ver-sprach schriftlich Besserung. Mediensprecher Kurzen heute: «Die Fenaco macht keine solchen Verträge.»
Doch die Machtposition der Fenaco ist bedroht. Die Welthandelsorganisation WTO fordert deutliche Zollsenkungen bei den Agrargütern. Und Wirtschaftsministerin Doris Leuthard will im Gegenzug einen Agrarfreihandel mit der EU – damit die Landwirte ihre Produkte auch auf dem EU-Markt verkaufen können.
«Mit dem Agrarfreihandel hat der Konsument mehr Auswahl und günstigere Preise», sagt Leuthard. Sie verweist auf Finnland, wo man die Märkte geöffnet hat. «Heute ist dort der Inlandkonsum viel grösser – trotz der EU-Konkurrenz», weiss die Bundesrätin.
Wenn sich die Schweizer Grenzen öffnen, gibt es auch hier mehr Wettbewerb. Folge: Die Margen der Verkäufer schrumpfen und die Preise purzeln. Doch die Chefs der Fenaco befürchten, dass dann der Verkauf von Schweizer Lebensmitteln schwieriger wird. Darum tingeln ihre Manager seit Monaten durch die Schweiz und warnen Land und Leute vor einem Abkommen mit der EU.
Parallel dazu bereitet sich die Fenaco aber auf die Marktöffnung vor und fährt deshalb einen forschen Expansionskurs. So hat der Konzern in den letzten Monaten nacheinander Getränkehersteller Granador, Düngemittelproduzent Agroline und Kartoffelproduzent Steffen-Riis eingekauft. Was den Eindruck verstärkt, die Fenaco spiele mit ihrer Opposition gegen einen Agrarfreihandel auf Zeit – um die eigene Position zu festigen.
Prominente SVP-Politiker im Verwaltungsrat
Auch politisch hat der Konzern grossen Einfluss. Er hat mit dem Schweizerischen Bauernverband (SBV) und der SVP mächtige Verbündete. Kurzen betont aber, die Fenaco pflege keine Zusammenarbeit mit der SVP: «Die Fenaco spendet jährlich je 10 000 Franken an CVP, FDP und SVP. Sonst politisieren wir nicht», versichert er. Im Verwaltungsrat sitzen jedoch einflussreiche SVP-Politiker wie Fraktionschef Caspar Baader oder der Westschweizer Nationalrat Guy Parmelin. Bis 2006 war auch der frühere SVP-Parteipräsident Ueli Maurer Fenaco-Verwaltungsrat.
Baader, Parmelin und Maurer haben noch etwas gemeinsam: Alle drei engagieren sich heute gegen einen Agrarfreihandel mit der EU. «Wenn das Einkommen der Bauern halbiert werden soll, ist die SVP gefordert», sagt dazu Baader. Aber warum sollen die Konsumenten mehr bezahlen? Baader: «Die Schweiz ist ein Hochlohnland. Man kann nicht erwarten, dass wir das gleiche Preisniveau haben wie die EU-Länder.»
Für die Kampagne gegen den Agrarfreihandel ist zwar hochoffiziell der SBV verantwortlich. Doch die Fenaco spielt im Hintergrund den Financier: Sie unterstützt laut Peter Kurzen einen Teil der Werbung des SBV. Sollte das Geld dafür nicht ausreichen – «dann wird unsere Verwaltung die Anfrage sicher positiv beantworten».
Fenaco: Agro-Riese und Subventionsempfänger
Die Fenaco ist eine Genossenschaft, entstanden aus dem Zusammenschluss von 350 landwirtschaftlichen Landi-Genossenschaften.
Im Jahr 2006 erwirtschaftete die Fenaco einen Umsatz von 4,7 Milliarden Franken. Nur schon die mehr als 300 Landi-Läden konnten ihren Umsatz im 2006 um 14,4 Prozent auf 858 Millionen Franken steigern.
Die Fenaco hat ausserdem mit den 400 Volg-Läden einen Fuss im Detailhandel, mit den Agrola-Tankstellen einen anderen im Energiesektor. Auch Elmer Citro, Ramseier Süssmost, Granador gehören zur Fenaco.
Zudem liefert der Konzern die Pommes frites für McDonald’s und das Ufa-Tierfutter für die Landwirte. Gleichzeitig expandiert die Fenaco in Europa: Ein Tochterunternehmen im Sektor Fleischverarbeitung, die Ernst Sutter AG, hat vor geraumer Zeit eine Zweigstelle in Konstanz eröffnet. Sie beliefert erfolgreich Deutschland mit Bündnerfleisch, Rohschinken, Mostbröckli, Wurstspezialitäten.
Die Fenaco besitzt aber auch Beteiligungen an Düngemittelherstellern wie der Fertag-France SA in Frankreich und an der Interore SA in Belgien. Der Konzern beschäftigt rund 7400 Mitarbeiter.
Die Fenaco ist hochrentabel: Sie erzielte im Jahr 2006 einen Gewinn von 52,2 Millionen Franken. Und trotzdem erhält der Konzern Subventionen vom Bund. Im Jahr 2005 kassierte sie vom Bund für Lagerhaltung und Trocknung der Kartoffelernte über 1,8 Millionen Franken, weitere Beiträge von 477 000 Franken erhielt das Unternehmen für Saatkartoffeln.