Ranzig, sauer oder alt: Fast jede dritte Probe fiel durch
saldo liess den Reibkäse von 21 Restaurants analysieren. Das Resultat: Fast jeder dritte Käse war ranzig.
Inhalt
saldo 16/2006
11.10.2006
Sabine Rindlisbacher
Der Kellner trägt dampfende Pasta auf. Jetzt fehlt nur noch eins: eine schöne Schicht Parmesan. In italienischen Restaurants gehört Reibkäse auf den Tisch wie Salz und Pfeffer.
Im Idealfall bekommt der Gast den Käse frisch am Stück in einer Drehmühle serviert. Doch präsentiert die Mehrheit der Restaurants den Käse bereits gerieben. In den Lokalen grosser Kaufhäuser wird der Reibkäse meist ohne Abdeckung in einer grossen Schüssel angeboten, während Stunden ungekühlt.
<...>
Der Kellner trägt dampfende Pasta auf. Jetzt fehlt nur noch eins: eine schöne Schicht Parmesan. In italienischen Restaurants gehört Reibkäse auf den Tisch wie Salz und Pfeffer.
Im Idealfall bekommt der Gast den Käse frisch am Stück in einer Drehmühle serviert. Doch präsentiert die Mehrheit der Restaurants den Käse bereits gerieben. In den Lokalen grosser Kaufhäuser wird der Reibkäse meist ohne Abdeckung in einer grossen Schüssel angeboten, während Stunden ungekühlt.
saldo wollte wissen, welche Qualität der in Restaurants angebotene Reibkäse hat, und liess Proben aus 21 Lokalen im Zürcher Labor Veritas testen. Die gute Nachricht: In keiner der Proben wurden Darmbakterien oder Staphylokokken (Eitererreger) gefunden. Und die 40-fache Vergrösserung unter dem Mikroskop zeigte keinerlei Fremdkörper. Ein weniger erfreuliches Resultat lieferte die sensorische Prüfung: Sechs Reibkäseproben waren ranzig. Und der Reibkäse aus dem Liestaler Restaurant Pine wies einen undefinierbaren Fremdgeruch auf.
«Das Fett in diesen Proben war am Verderben, was dazu führte, dass der Käse schlecht roch oder teilweise gar stank», erklärt Markus Lüönd, Abteilungsleiter Organische Chemie des Labors Veritas. Zusammen mit vier weiteren Labormitarbeitern hat Lüönd den Geruch und Geschmack der 21 Proben untersucht. Fast jeder dritte Reibkäse fiel bei dieser Prüfung durch. Die Urteile der fünf Experten reichten von «leicht ranzig» über «sauer» bis «alt».
Reibkäse: Eigentlich unproblematisches Produkt
Überrascht von dem Ergebnis der saldo-Stichprobe ist der Berner Kantonschemiker Otmar Deflorin. «Der Käse kann höchstens ranzig geworden sein, weil er zu lange in der Wärme stand und mit zu viel Sauerstoff aus der Luft in Kontakt gekommen ist», so Deflorin. «Reibkäse ist eigentlich ein unproblematisches Produkt, er sollte nicht so schnell schlecht werden.» Er müsse lediglich kühl gelagert und frisch serviert werden, am besten in kleinen Portionen.
Dem Gast wird wohl das Essen, nicht aber der Magen verdorben: Laut Deflorin ist der Verzehr von ranzigem Käse unbedenklich, gesundheitliche Folgen schliesst er aus.
saldo hat die betroffenen Restaurants mit den schlechten Ergebnissen des von ihnen aufgetischten Reibkäses konfrontiert. Daniel Müller, Geschäftsleiter der Bindella SA, zu der auch die Restaurantkette Spaghetti Factory gehört, reagiert erstaunt: «Wir servieren unseren Gästen nur Parmigiano Reggiano, also ein Spitzenprodukt.» Mittags und abends werde der nicht gebrauchte Reibkäse in den Spaghetti Factorys jeweils eingesammelt und für die Zubereitung von Carbonara-Sauce verwendet. Die Ranzigkeit führt Müller auf menschliches Versagen oder auf die sommerlichen Temperaturen zurück. Ab jetzt will er vermehrt Kontrollen durchführen lassen: «So etwas darf nicht mehr passieren.»
Die Restaurants Molino und Giardino gehören beide zur Jelmoli Holding SA, welche jährlich 16 Tonnen Reibkäse unter die Gäste bringt. Der Reibkäse im Molino wurde von den Laborexperten als «ranzig, sauer», jener vom Giardino als «leicht ranzig» kritisiert.
Jelmoli-Parmesan wird per sofort zurückgezogen
Thomas Roth, Einkäufer der Jelmoli Gastronomie, ist das Ergebnis peinlich. Schuld sei der Lieferant. «Normalerweise bestellt er Parmesan in Italien und lässt ihn erst in der Schweiz reiben.» Nun ist der Käse aus Kostengründen ohne das Wissen des Einkäufers bereits in Italien gerieben worden - und wurde knapp zwei Wochen lang in sämtlichen Restaurants der Jelmoli Holding serviert. Roth: «Der Reibkäse hat einen penetranten Ammoniak-Geruch. Wir ziehen ihn per sofort zurück.»
Als saldo die Inhaber des Bella Sicilia in Liestal mit den Laborergebnissen konfrontierte, war man dort zunächst sprachlos. Dass der Fehler beim Restaurant liegt, will man nicht recht glauben. Jetzt wird auch hier Rücksprache mit dem Lieferanten genommen. Seitens des Restaurants Einhorn in Luzern wird betont: «Wir haben immer nur frische Ware. Wahrscheinlich wurde der Käse am Morgen bereitgestellt und stand dann den ganzen Tag draussen. Vielleicht wurde er deshalb ranzig.»
Weniger einsichtig zeigt sich das Restaurant Da Pepino in Wetzikon: Die Tatsache, dass der hier aufgetischte Reibkäse ranzig ist, wollen die Inhaber gar nicht erst kommentieren. Dafür schimpft man umso mehr über die von saldo nicht angekündigte Stichprobe.
«Einige Käse rochen nach gar nichts, nicht mal nach Käse»
Ob in den getesteten Restaurants Parmesan, Sbrinz oder ein anderer Käse serviert wurde, konnte im Labor allein aufgrund des Geschmacks und Geruchs nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Laut Markus Lüönd ist es gängige Praxis, dass Restaurants einen Käse, der nicht mehr unter der Käseglocke präsentiert werden kann, reiben und später zu Pasta servieren. Auf diese Weise vermengen sich verschiedene Käsedüfte. Bei den 21 Stichproben war die Geruchsvermischung jedoch nur selten schuld am Identifikationsproblem. Lüönd: «Einige der Reibkäse rochen und schmeckten nach überhaupt nichts, nicht mal nach Käse.»
Diese Proben waren ranzig:
Da Pepino, Bahnhofstrasse 99, Wetzikon
Einhorn, Hertensteinstrasse 23, Luzern
Giardino Jelmoli, Seidengasse 1, Zürich
Molino, Limmatquai 16, Zürich
Bella Sicilia, Poststrasse 2, Liestal
Spaghetti Factory, Schifflände 6, Zürich
Diese Proben waren in Ordnung:
Commercio, Mühlebachstrasse 2, Zürich
Coop City, Bahnhofstrasse 57, Zürich
Globus, Schweizergasse 11, Zürich
Helvetia, Waldstätterstrasse 9, Luzern
Mamma Mia, Giebeleichstrasse 9, Glattbrugg
Manor, Bahnhofstrasse 75, Zürich
Marché Mövenpick, Halle Bahnhofplatz, Zürich
Migros, Falkenstrasse 19-21, Zürich
National, Stadthausstrasse 24, Winterthur
Pine, Benzburweg 18, Liestal
Santa Lucia, Theaterstrasse 10, Zürich
Hotel Schiff, Unter der Egg 8, Luzern
Stella del Centro, Marktgasse 61, Winterthur
Tre Cucine, Niederdorfstrasse 33, Zürich
Unterlachenhof, Tribschenstrasse 20, Luzern
Beurteilung der Qualität: So wurde getestet
Die saldo-Tester besuchten 21 Restaurants in der deutschen Schweiz. Mittels sterilen Bechern entnahmen sie Proben vom angebotenen Reibkäse. Der Käse wurde gekühlt und innert 24 Stunden ins Labor Veritas in Zürich gebracht. Dort wurde die mikrobiologische Qualität begutachtet: Das Labor prüfte die Proben auf Darmbakterien und Staphylokokken (Eitererreger). Zusätzlich wurde eine mikroskopische Untersuchung bei 40-facher Vergrösserung vorgenommen. Hier wurde speziell nach Lebewesen wie Milben gesucht. Schliesslich fand noch eine sensorische Prüfung statt: Fünf Labormitarbeiter beurteilten Geruch und Geschmack der Reibkäseproben.