Nutzlose und schädliche Therapien
Viele medizinische Behandlungen sind überflüssig, manche sogar schädlich. Eine neue Website erklärt, welche etwas taugen und welche nicht.
Inhalt
saldo 03/2012
12.02.2012
Letzte Aktualisierung:
13.02.2012
Eric Breitinger
Rund 30 Prozent des Gesundheitsbudgets fallen in den USA für nutzlose Untersuchungen und Behandlungen an. Das sagen die Ärzte mehrerer Eliteuniversitäten im Fachmagazin «Archives of Internal Medicine». Vergleichbare Zahlen für die Schweiz gibt es nicht. Doch auch hiesige Ärzte und Naturmediziner führen Behandlungen durch, die nichts bringen oder gar kränker machen. Sie benutzen zum Beispiel Computertomografen zu häufig oder mit zu hoher Stra...
Rund 30 Prozent des Gesundheitsbudgets fallen in den USA für nutzlose Untersuchungen und Behandlungen an. Das sagen die Ärzte mehrerer Eliteuniversitäten im Fachmagazin «Archives of Internal Medicine». Vergleichbare Zahlen für die Schweiz gibt es nicht. Doch auch hiesige Ärzte und Naturmediziner führen Behandlungen durch, die nichts bringen oder gar kränker machen. Sie benutzen zum Beispiel Computertomografen zu häufig oder mit zu hoher Strahlendosis (saldo 9/11.)
Die Homepage www.igel-monitor.de zeigt neu weitere unsinnige Therapien, deren Kosten viele Zusatzversicherungen erstatten. Ärzte und Wissenschafter des Medizinischen Dienstes der deutschen Krankenkassen bewerten hier 24 populäre Behandlungsmethoden nach ihrem Nutzen. Ihr Urteil stützen sie auf die Fachliteratur. Wolfgang Becker-Brüser, Arzt und Chefredaktor der pharmakritischen Fachzeitschrift «Arznei-Telegramm», hat das neue Portal geprüft. Er sieht keinen Hinweis auf eine nicht nachvollziehbare, einseitige, durch die Interessen der Krankenkassen bestimmte Bewertung. Er hält die bisherigen Analysen vielmehr für «aussagekräftig und verlässlich». Folgende Therapien sind fragwürdig:
MRT zur Früherkennung einer Alzheimer-Demenz
Ärzte benutzen die Magnetresonanztomografie (MRT) zur frühzeitigen Diagnose einer Alzheimer-Erkrankung. Die von den deutschen Wissenschaftern ausgewerteten Studien zeigen jedoch, dass MRT Alzheimer-Demenz «nur sehr unzureichend» vorhersagen können. Die Experten gehen zudem davon aus, dass ein positiver Befund beim Patienten unnötige Ängste weckt. Expertenurteil: «Tendenziell negativ.»
Colon-Hydro-Therapie
Sie ist eine Form der Darmspülung, soll Verdauungsbeschwerden lindern und das Wohlbefinden des Patienten heben. Die Experten raten davon ab. Ein eindeutiger Nutzen ist nicht belegt. In den Studien fanden sich vielmehr Hinweise, dass die Spülung gravierende Schäden verursachen kann, etwa Blutungen im Darm oder den Durchstoss der Darmwand.
Eigenbluttherapie bei Sehnenreizung
Dabei zapft man Patienten Blut ab, bereitet es mit Ozon, UV-Licht oder anderen Substanzen auf und führt es ihnen wieder zu. Das Verfahren soll die Selbstheilungskräfte des Körpers anregen. Laut den Experten bewies aber keine aussagekräftige Studie positive Effekte. Unerwünschte Ereignisse wie eine Verunreinigung des Blutes liessen sich nie ausschliessen.
Operative Behandlung des Schnarchens
Hier strafft oder entfernt der Chirurg weiches Gewebe im Rachenraum. Die Experten halten solche Operationen für «tendenziell negativ». Die von ihnen analysierten Studien liessen keine Aussagen über langfristige Effekte der Operation zu. Klar ist hingegen: Es treten danach häufig Schmerzen und Schluckprobleme auf.
Toxoplasmose-Test bei Schwangeren
Diese von Katzen übertragene Infektion kann schwere Schäden bei Ungeborenen verursachen. Die Grundversicherung der Schweizer Krankenkassen übernimmt die Kosten des Tests bei einem begründeten Verdacht. Die Experten fanden jedoch keine Belege dafür, dass die Messungen die Anzahl infizierter Kinder verringert. Sie befürchten vielmehr, dass es durch nachfolgende Tests – wie eine Fruchtwasseruntersuchung – zu einer Fehlgeburt kommen könne.
Augendruck- und PSA-Test
Die Experten prüften auch Therapien, mit denen sich saldo bereits befasst hatte: Sie warnen davor, regelmässig den Augendruck messen zu lassen, um einen grünen Star frühzeitig zu entdecken (saldo 20/11). Auf die Ergebnisse des Tests sei kein Verlass, er berge das Risiko von Reizungen oder Infektionen. Ebenfalls wenig taugen PSA-Tests, um Prostatakrebs im Frühstadium zu erkennen (saldo 15/10). Sie lösten «viele Fehlalarme» und unnötige Eingriffe bei harmlosen Tumoren aus. Urteil: «Tendenziell negativ.»