Monat für Monat zahlen die Angestellten einen Teil ihres Lohnes in die Pensionskasse (2. Säule) ein. Knapp 80 Prozent davon werden fürs Alter auf die Seite gelegt. Das angesparte Geld wird dann bei der Pensionierung entweder als Kapital ausgezahlt oder in eine Rente umgewandelt.
Wie bei einem normalen Sparbuch müssen die Pensionskassen das Altersguthaben verzinsen. Über den Zinssatz wird jedes Jahr gestritten: Die Versicherten haben ein Interesse an einer guten Verzinsung, die Pensionskassen wollen so wenig wie möglich zahlen. Über den Mindestzins entscheidet der Bundesrat. Für letztes Jahr hat er die Pensionskassen verpflichtet, die Guthaben der Versicherten mit mindestens 1,5 Prozent zu verzinsen.
Der Mindestzins hat grosse Auswirkung
Dieser Mindestzins ist für die Angestellten sehr wichtig. Je mehr Zins sie während ihrer Arbeitstätigkeit erhalten, desto höher ist die Rente im Alter. Das Altersguthaben liegt mehrere Jahrzehnte bei der Pensionskasse. Deshalb tragen auch die Zinse wieder Früchte: Der Zinseszinseffekt macht bei der Pensionierung einen grossen Teil der Rente aus.
Im Streit um die Zinsgutschriften haben die Versicherten Jahr für Jahr das Nachsehen. Im vergangenen Jahr erzielten die Pensionskassen mit dem Altersguthaben der Versicherten eine Rendite von durchschnittlich 6,2 Prozent. Das ergab eine Umfrage des Schweizerischen Pensionskassenverbandes ASIP bei seinen Mitgliedern. Ein Jahr davor waren es gar 7,9 Prozent. Grund: Wertpapiere und Immobilien legten in den letzten zwei Jahren deutlich an Wert zu.
Von diesen hohen Renditen gaben die Pensionskassen so wenig wie noch nie an die Versicherten weiter: ganze 1,5 Prozent. Das zeigt eine Umfrage des K-Tipp bei 25 Pensionskassen. Rund zwei Drittel verzinsen das Altersguthaben nur gerade zu diesem gesetzlichen Mindestzins.
Die Zinsdifferenz bleibt bei den Kassen. Es sind riesige Summen, um die sie auf diese Weise Jahr für Jahr reicher werden. Konkret: Letztes Jahr beliefen sich die von den Pensionskassen verwalteteten Guthaben der Erwerbstätigen laut unabhängigen Experten auf rund 450 Milliarden Franken. Dazu kommen noch die Guthaben der Rentner von rund 420 Milliarden. Die 2. Säule verwaltet also total rund 870 Milliarden Franken.
Das bedeutet rechnerisch: Auf den 450 Milliarden Guthaben der Angestellten machten die Pensionskassen letztes Jahr einen Gewinn von rund 28 Milliarden Franken. Davon gaben sie nur knapp 7 Milliarden an die Versicherten weiter. Die restlichen 21 Milliarden behielten sie für sich.
Nicht nur das: Die Pensionskassen machten auch mit den Rentnern ein gutes Geschäft. Ihr Guthaben muss rechnerisch mit 3,5 Prozent verzinst werden, damit das Geld bis zum Lebensende reicht. Somit blieben noch 11 Milliarden Franken Überschuss für die Pensionskassen. Zusammengerechnet war das Geschäft mit der 2. Säule für die Pensionskassen und Versicherungen allein im letzten Jahr ein riesiges Geschäft: Sie wurden rund 32 Milliarden Franken reicher.
Die Reserven steigen und steigen
Im Vorjahr wurde dieser Betrag sogar noch übertroffen: Damals waren es rund 47 Milliarden Franken Zinsdifferenz, die in ihre Taschen flossen. Zum Vergleich: Das ist deutlich mehr, als die Bundeskasse pro Jahr an Mehrwertsteuern einnimmt.
Damit ist klar: Es ist eine Mär, dass in der Pensionskasse die Jungen für die Alten sparen. Richtig ist: Die 2. Säule macht sowohl mit Erwerbstätigen als auch mit Rentnern ein gutes Geschäft. Das bestreiten die Kassen nicht. Sie machen geltend, aus den Gewinnen würden Reserven für schlechte Zeiten gebil det. Viele verweisen auch auf die Bankenkrise von 2008. Die Entwicklung über die letzten Jahre und Jahrzehnte zeigt aber: Die Pensionskassen verfügen über immer mehr Reserven und können ein schlechtes Jahr leicht verdauen. Der durchschnittliche Deckungsgrad steigt von Jahr zu Jahr.
Übrigens: Der K-Tipp machte die Rechnung auf der Basis von 1,5 Prozent Zins. Es gibt aber einige Pensionskassen, die mehr Zins vergüten: Die Pensionskasse der Stadt Zürich vergütet 2,5 Prozent Zins. Ebenso die Kasse von Coop. Die Profond schreibt ihren Mitgliedern 3,5 Prozent gut. Sie verzinst die Guthaben der aktiven Erwerbstätigen also gleich wie die der Rentner. Stiftungsratspräsident Olaf Meyer: «Die Profond hat sich zum Ziel gesetzt, aktiv Versicherte und Rentner gleich zu behandeln.»
Der Unterschied aus der Zinsdifferenz
Das rechnet sich: Ein 40-jähriger Arbeitnehmer mit einem Jahreslohn von 78 000 Franken und einem Altersguthaben von 71 640 Franken erreicht bei einem Zinssatz von 1,5 Prozent bis zur Pensionierung ein Alterskapital von 345 300 Franken. Wären es jedoch 3,5 Prozent, würde das Alterskapital 477 100 Franken betragen. Also 131 800 Franken mehr. Das ergeben Berechnungen des Beratungsunternehmens Vermögenspartner AG in Winterthur.
Für das laufende Jahr hat der Bundesrat den Mindestzins ganz leicht auf 1,75 Prozent erhöht. Für den 40-Jährigen bedeutet das mindestens 13 700 Franken mehr Alterskapital bei der Pensionierung.
Pensionskassen knausern – Gerichte korrigieren
Laut Gesetz müssen die Pensionskassen das Altersguthaben der Versicherten bis zur Pensionierung verzinsen. In der Praxis wird dies immer wieder umgangen. Die Versicherten müssen sich den Zins jeweils vor Gericht erkämpfen.
«Bundesgericht stoppt Zinsklau»: So lautete der Titel der ersten Ausgabe des K-Tipp im letzten Jahr. Die Pensionskasse der Firma SR Technics hatte sich geweigert, das Guthaben einiger Versicherter im letzten Jahr vor der Pensionierung zu verzinsen. Damit wollte sie 320 000 Franken sparen. Ein Betroffener klagte und erhielt vor Bundesgericht Recht. Es verpflichtete die Kasse, das Altersguthaben zum gleichen Zinssatz zu verzinsen wie jenes der übrigen Versicherten.
Diesen Wink mit dem Zaunpfahl nahmen nicht alle Pensionskassen ernst. So weigerte sich die Gemeinschaftsstiftung der Zellweger Luwa AG, das Guthaben eines Versicherten für das Jahr 2010 zu verzinsen, weil er auf den 1. Januar 2011 die Stelle gewechselt hatte und somit am 31. Dezember aus der Pensionskasse ausgetreten war. Begründung: Der Mann sei «unterjährig», also im Laufe des Jahres, ausgetreten, deshalb dürfe auf die Verzinsung verzichtet werden.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hat mit Urteil vom 21. März die Klage des Versicherten gutgeheissen. Die Kasse muss sein Altersguthaben wie das der übrigen Versicherten verzinsen. Sein Geld war das ganze Jahr von der Pensionskasse verwaltet und angelegt worden. Es hatte also wie das Guthaben der andern Versicherten zur Rendite beigetragen. Deshalb müsse der Versicherte gleichbehandelt werden. Die Argumente der Pensionskasse bezeichnete das Gericht als «nicht stichhaltig». Sie hatte buchhalterische und verwaltungstechnische Gründe für die Ungleichbehandlung aufgeführt.
Das Verfahren war vom Rechtsschutzfonds des K-Tipp unterstützt worden – wie schon jenes gegen die Pensionskasse der SR Technics. Aus diesem Fonds finanziert der K-Tipp Gerichtsverfahren von grundsätzlicher Bedeutung für die Bevölkerung.