Futtermittel aus China für Schweizer Bio-Eier
Bio-Händler werben mit der Schweizer Herkunft ihrer Ware. In vielen Bio-Produkten stecken aber Rohstoffe aus fernen Ländern. Für Kritiker widerspricht das dem Bio-Gedanken.
Inhalt
saldo 17/2013
23.10.2013
Eric Breitinger
Die Bio-Branche inszeniert sich gerne als Lieferant natürlicher Produkte aus der Schweizer Heimat. So füttern schöne junge Menschen in den TV-Spots von Coop Naturaplan freilaufende Hühner, Kühe und Ferkel mit offenbar selbst produziertem Futter. Dazu besingen sie ihre Liebe zu «Bio, Bio, Bio».
Doch die Werbung entwirft ein trügerisches Bild: Schweizer Bio-Bauern holen riesige Mengen Futtermittel aus dem Ausland – nur sprechen sie ni...
Die Bio-Branche inszeniert sich gerne als Lieferant natürlicher Produkte aus der Schweizer Heimat. So füttern schöne junge Menschen in den TV-Spots von Coop Naturaplan freilaufende Hühner, Kühe und Ferkel mit offenbar selbst produziertem Futter. Dazu besingen sie ihre Liebe zu «Bio, Bio, Bio».
Doch die Werbung entwirft ein trügerisches Bild: Schweizer Bio-Bauern holen riesige Mengen Futtermittel aus dem Ausland – nur sprechen sie nicht gerne darüber. Auf den Verpackungen der Produkte bleibt die Herkunft der Futtermittel unerwähnt – die Angabe ist gesetzlich nicht vorgeschrieben.
In der Bio-Fleischproduktion stammen laut dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick AG 70 Prozent des Kraftfutters aus Importen. Fast 100 Prozent sind es bei den Eiweissträgern wie Soja und Hülsenfrüchten wie Bohnen. Viele Importe sind um die halbe Welt gereist (siehe Kasten). Schweizer Bio-Bauern beziehen damit noch mehr Kraftfutter aus dem Ausland als konventionell arbeitende Landwirte. Diese führen laut Bundesamt für Landwirtschaft 60 Prozent ihres Kraftfutters ein (saldo 20/12).
«Wir nehmen Menschen in Entwicklungsländern Nahrungsmittel weg»
Bio-Importe sind umstritten. Für Bio-Bauer Armin Capaul aus Perrefitte BE hat «Soja aus China nichts mehr mit dem ursprünglichen Bio-Gedanken zu tun». Christophe Notz vom Forschungsinstitut hält Importe von Eiweissträgern sowie Futtergetreide für «ein ungelöstes ethisches Problem»: «Wir nehmen dadurch Menschen in Entwicklungsländern Nahrungsmittel weg.» Laut seinen Berechnungen könnten die Kalorien im Kraftfutter der Schweizer Milchkühe bis zu 2 Millionen Menschen ernähren.
Laut Notz wird ein Drittel der weltweiten Getreideernte an Tiere verfüttert. Der wachsende Kraftfutterverbrauch treibt den Weltmarktpreis für Getreide mit in die Höhe. Folge: Viele Arme können sich ihre Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten. Andreas Bosshard vom Agrarverband Vision Landwirtschaft kritisiert: «Auf diese Weise produzierte Bio-Eier und Poulets entsprechen nicht den sozialen und ökologischen Grundsätzen des Bio-Landbaus.»
Bio Suisse sagt dazu, Rohstoffe seien möglichst in der Nähe zu beschaffen. Der Verband erlaube Schweizer Lizenznehmern nur dann Bio-Ware im Ausland zu kaufen, wenn diese nachweislich im Inland nicht zu haben sei. Zudem hätten Importe aus umliegenden Ländern Priorität. Für Importe würden dieselben Knospe-Regeln wie für Schweizer Produkte gelten. Kontrolliert werden dabei aber praktisch nur die Papiere (saldo 1/12). Dazu kommt: Die Bio-Verordnung beschränkt die Kraftfutterabgabe bei Wiederkäuern auf 40 Prozent – konventionell arbeitende Bauern haben keine Limite. Bio-Suisse-Bauern dürfen maximal 10 Prozent Kraftfutter verfüttern. Über 90 Prozent der Schweizer Bio-Bauern gehören Bio Suisse an.
Laut Kritikern lassen sich Importe vermeiden. Bio-Milchbauern könnten laut Christophe Notz bis zur Hälfte des Kraftfutters einsparen, wenn sie ihr Vieh mit «gutem Grundfutter» wie Gras und Heu versorgen und Kraftfutter nur gezielt geben. Das Forschungsinstitut führte in 74 schweizerischen und süddeutschen Betrieben eine Studie zur Kraftfutterreduktion durch. Ergebnis: Die 1400 Kühe gaben kaum weniger Milch, auch wenn sie ein Viertel weniger Kraftfutter erhielten.
Umweltschonung: Bio-Produktion am Ort, wo das Futter wächst
Anders ist das bei Bio-Geflügelzüchtern und Bio-Eierproduzenten: Sie könnten ohne Futtermittel aus dem Ausland nicht mehr so viel produzieren. Experte Notz fragt daher, «ob die Schweizer Bio-Landwirtschaft ausgerechnet eine expansive Bio-Geflügel- und Schweineproduktion betreiben muss». Er fordert, dass die Halter auch Abfälle füttern dürfen.
Andreas Bosshard von Vision Landwirtschaft geht einen Schritt weiter. Er befürwortet, dass in Zukunft auch Bio-Eier und Bio-Poulets aus dem Ausland kommen können. Bauern in Entwicklungsländern bekämen so Verdienstmöglichkeiten, das Fleisch würde dort produziert, wo das Futter wächst, und so würde die Umwelt geschont.
Von solchen Bio-Importen könnten Konsumenten in der Schweiz profitieren. Sie zahlen heute für Bio-Produkte happige Aufschläge. Bio-Fleisch kostet bei Grossverteilern bis 70 Prozent mehr als konventionell produziertes Fleisch. Ein Grossteil der Marge schöpfen die Händler ab (saldo 4/11). Schweizer Bio-Produkte sind oft auch teurer als solche aus dem Ausland (saldo 8/13).
Weitgereist
Bei Bio Suisse machten Futtermittel 31 Prozent aller Importe von 137 000 Tonnen im letzten Jahr aus. Darunter waren 21 000 Tonnen Futtergetreide und 17 000 Tonnen Soja. Davon stammten 11 000 Tonnen aus China. Die Schweizer Bio-Suisse-Lizenznehmer importierten 2012 zudem 23 000 Tonnen Brotgetreide, zwei Drittel des Bio-Suisse-Bedarfs. Laut der Verbandsstatistik kamen 562 Tonnen Getreide aus Indien, 114 Tonnen aus Argentinien, 284 Tonnen aus China und 5006 Tonnen aus Kanada.