Laut der Bundesverfassung muss in der Schweiz jeder nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden. Das gilt für Private wie für Unternehmen. Aber nur theoretisch. Denn die Praxis sieht anders aus: Zahlreiche Steuererleichterungen haben diesen Grundsatz in den letzten Jahren immer mehr ausgehöhlt.
Mit der Unternehmenssteuerreform I schafften Bundesrat und Parlament 1998 auf Bundesebene die Kapitalsteuer ab. Das war sozusagen die Vermögenssteuer für Unternehmen. Und der Steuersatz auf die Gewinne wurde einheitlich auf 8,5 Prozent gesenkt. Die Unternehmenssteuerreform II aus dem Jahr 2008 bescherte den Firmen weitere Vergünstigungen – und der Bundeskasse hohe Steuerausfälle. Kommt hinzu: In den letzten Jahren senkten praktisch alle Kantone ihre Steuersätze für Unternehmen.
Dabei geht es den Unternehmen nicht schlecht. Ein Vergleich der Gewinne sämtlicher Unternehmen mit den Steuererträgen der juristischen Personen zeigt: In den Jahren 1990 bis 1995 verlaufen die Unternehmensgewinne und Steuereinnahmen parallel. Das ist der Normalzustand.
Dann aber öffnet sich die Schere: Die Unternehmensgewinne heben ab und klettern von 1995 bis 2010 durchschnittlich auf das 8,3-Fache. Nur ein paar konjunkturelle Schwächeanfälle unterbrechen den Anstieg der Kurve. In der gleichen Periode wuchsen die Steuererträge viel geringer: Bis 2010 stiegen die Bundessteuern auf lediglich das 3,6-Fache an, die Kantons- und Gemeindesteuern sogar nur um knapp das Zweifache. Die Bundessteuern liegen bis 2013 und die Gemeinde- und Kantonssteuern bis 2012 vor. Eine Trendänderung ist nicht in Sicht.
Steuersenkungen auf Kosten der Haushalte
Kantone wie Zug und Schwyz senkten die Unternehmenssteuern in den letzten Jahren massiv. Dies in der Hoffnung, steuerkräftige Unternehmen anzuziehen. Diese Rechnung ging aber selten auf, wie eine Auswertung des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes zeigt: Die Unternehmen verschoben zwar ihre Gewinne in erheblichem Ausmass in die Tiefsteuerkantone. Die Mehreinnahmen des Fiskus aufgrund dieser höheren Gewinne waren aber kleiner als die Verluste aufgrund des tieferen Steuersatzes.
Die Steuersenkungen führten in einigen Kantonen und Städten sogar dazu, dass die Haushalte einen immer höheren Anteil der Staatsaufgaben berappen müssen (siehe die Beispiele oben).
Als Folge der Steuersenkungen für Unternehmen kamen auch Private in den Genuss von Steuererleichterungen. Richtig profitiert haben aber nur die hohen Einkommensklassen. Anders bei den Wenigverdienern: Laut Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, führten die gestiegenen Krankenkassenprämien und höhere staatliche Gebühren dazu, dass die Belastung durch den Staat bei diesen gleich blieb oder gar höher ausfiel.
«Dramatische Auswirkungen»
Noch mehr Steuerlasten drohen den Bürgern durch die Unternehmenssteuerreform III: Der Bundesrat schlägt den Kantonen vor, die Unternehmenssteuern in der ganzen Schweiz zu senken, um international steuerlich attraktiv zu bleiben und die Abwanderung der Unternehmen ins Ausland zu verhindern. Als Kompensation der damit zusammenhängenden tieferen Einnahmen will der Bund den Kantonen rund 1,2 Milliarden Franken zukommen lassen. Die voraussichtlichen Milliardenausfälle beim Bund sollen die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer auf bewegliche Vermögen (zum Beispiel Aktien) ausgleichen.
Kommen die Vorschläge durch, hätte dies gemäss Lampart für die Bevölkerung «dramatische Auswirkungen». Städte und Gemeinden würden sich beim Bürger schadlos halten. Das heisst: tiefere Leistungen, höhere Gebühren und mehr Steuern. Und der Bund würde versuchen, den Bundesbeitrag an die AHV zu senken und die Mehrwertsteuer anzuheben.
Kanton Schwyz: Hier trugen die steuerpflichtigen Privatpersonen im Jahr 2007 insgesamt 84,3 Prozent an die direkten Steuereinnahmen bei. 2013 lag dieser Anteil bereits bei 91,8 Prozent. Das heisst: Im letzten Jahr stammten im Kanton Schwyz gerade noch 8,2 Prozent der Steuererträge von Unternehmen.
Stadt Zug: Hier kam die Bevölkerung im Jahr 2013 für 57 Prozent der Kantonssteuern auf, 2007 waren es erst 50,8 Prozent. Entsprechend entlastet wurden die Unternehmen.
Stadt Luzern: Luzern senkte die Unternehmenssteuern im Jahr 2012. Folge: Die Zahl der Unternehmen in der Stadt Luzern nahm zwischen 2011 und 2013 um 200 auf rund 5100 zu. In der gleichen Zeit stiegen die Steuern für Privatpersonen.
2011 lieferten die Stadtbewohner 78,3 Prozent der Steuern ab, 2013 bereits 83,7 Prozent.