Vier von fünf Stimmberechtigten gehen davon aus, dass die Altersvorsorge gegenwärtig gut oder sehr gut funktioniert. Zwei von drei sind auch für die Zukunft optimistisch, 30 Prozent pessimistisch. Diese Zahlen gehen aus dem Mitte September veröffentlichten «Altersvorsorgemonitor» hervor, einer repräsentativen Studie des Forschungsinstituts GFS im Auftrag des schweizerischen Versicherungsverbands. Laut dieser Studie hegen aber 61 Prozent «Bedenken in Bezug auf die Finanzierbarkeit» der künftigen Altersvorsorge.
Das erstaunt nicht. Regelmässig säen Medien Zweifel an der finanziellen Gesundheit von AHV und Pensionskassen – obwohl die finanziellen Polster der beiden Säulen noch nie nur annähernd so hoch waren wie heute (saldo 8/14 und 15/14).
Trotzdem hiess es kürzlich im «Tages-Anzeiger» unter dem Titel «Systemrisiko Lebensversicherer?», die Gewerkschaften würden vor einem «Kollaps der Lebensversicherungen im Geschäft mit der zweiten Säule» warnen. Die Zeitung zitierte den Unia-Gewerkschafter Aldo Ferrari. Ihm zufolge führt die Tiefzinsphase dazu, dass die acht Lebensversicherungen ihre Rentenversprechen der zweiten Säule irgendwann nicht mehr einhalten können.
Die berufliche Vorsorge als «rettender Strohhalm»
In der gleichen Woche wertete die NZZ neueste Zahlen aus der Versicherungswirtschaft aus. Daraus geht hervor, dass das Geschäft mit den Einzellebensversicherungen zurzeit aufgrund der tiefen Zinsen schlecht läuft. Dann heisst es im Bericht wörtlich: «Den rettenden Strohhalm stellt in dieser ungemütlichen Lage aus Sicht der Lebensversicherer die berufliche Vorsorge (BVG) dar.» Die Zahlen sprechen tatsächlich für sich: Im letzten Jahr stiegen die Prämieneinnahmen in diesem Geschäft um 7,9 Prozent auf 24,3 Milliarden Franken. Der Gewinn der grössten Schweizerischen Lebensversicherungsgesellschaft Swiss Life stieg auf 784 Millionen Franken. Im Vorjahr betrug er «nur» 93 Millionen.
Im Spar-, Risiko- und Kostenprozess erwirtschafteten die acht in der beruflichen Vorsorge tätigen privaten Lebensversicherer 2013 insgesamt Bruttogewinne in der Höhe von 8,3 Milliarden Franken. In Form von Versicherungsleistungen, Erhöhungen der technischen Rückstellungen und Überschussbeteiligungen flossen diese zu 91,8 Prozent an die Versicherten zurück. Die gesetzlich vorgeschriebene Mindestquote liegt bei 90 Prozent.
Zum fünften Mal in Folge konnten die acht Gesellschaften ein positives Betriebsergebnis erwirtschaften. 2013 lag der Nettogewinn allein im Geschäft mit der beruflichen Vorsorge bei 678 Millionen Franken. Über sämtliche Geschäftszweige hinweg waren es gar 1,4 Milliarden Franken. Das heisst: Fast die Hälfte ihrer Gewinne erzielen die Lebensversicherer mit der beruflichen Vorsorge. Das Geschäft mit der zweiten Säule ist eine Goldgrube. So konnten die Versicherer dank der Rendite im Sparprozess (Kapitalanlagen) weitere Rückstellungen von fast 1,6 Milliarden bilden.
Die Rückstellungen betragen heute 6 Milliarden Franken
Seit 2009 haben sie laut der Gewerkschaft Travail Suisse ihre technischen Rückstellungen um über 6 Milliarden Franken verstärkt.
Panikmache ist deshalb unbegründet. Sie verunsichert nur die Mehrheit der Bürger. Denn die acht Lebensversicherer versichern fast die Hälfte der 3,9 Millionen aktiven Versicherten in der Schweiz. Darüber hinaus richten sie fast einem Viertel aller Rentner – 236 000 Personen – eine Rente aus. Alle anderen Angestellten und Rentner haben ihre zweite Säule bei einer der rund 2000 Pensionskassen.
Statt Angst vor einem Kollaps der Lebensversicherungen zu machen, wäre es wichtiger, deren Geldmaschinerie zu hinterfragen. Die Gewerkschaft Travail Suisse stellt fest, dass das letzte Jahr keine Ausnahme war. In den letzten fünf Jahren machten die Lebensversicherer laut Berechnungen der Gewerkschaft über 4 Milliarden Franken Gewinn mit der zweiten Säule. Das seien pro Jahr 600 bis 700 Millionen Franken, die nicht für die Finanzierung der Renten zur Verfügung stünden, kritisiert sie.
Gemäss Travail-Suisse-Präsident Martin Flügel ist der Ertrag, den die Lebensversicherer an die Arbeitnehmer ausschütten müssen, zu tief: «Wir erwarten vom Bundesrat eine deutliche Erhöhung auf mindestens 95 Prozent.»
Diese Gewinnbeteiligung von immer noch 5 Prozent ist aber für Matthias Kuert, Leiter Sozialpolitik bei Travail Suisse, nur akzeptabel, wenn die Versicherer die Erträge nicht mit überhöhten Risikoprämien aufpumpen können. Aktuell belaufen sich die Prämien für Todesfall- und Invaliditätsleistungen über Jahre hinweg auf fast das Doppelte der effektiv ausbezahlten Leistungen.
Konkret: 2013 haben die Lebensversicherer 2,6 Milliarden Franken an Risikoprämien eingenommen – für Leistungen aber nur gerade 1,4 Milliarden benötigt. Das zeigt: Ein beträchtlicher Teil der heutigen Gewinne der Lebensversicherer resultiert aus diesen viel zu hohen Risikoprämien.