Zusatzversicherte: Teurer Griff zum Skalpell
Spitäler verlangen von Patienten mit Halbprivat- oder Privatversicherung für die gleiche Operation massiv mehr als von Grundversicherten. Das zeigt eine Analyse der von den Kassen vergüteten Preise.
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saldo 18/2021
09.11.2021
Eric Breitinger
Grundversicherte zahlen für ein neues Hüftgelenk in einem Zürcher Spital im Durchschnitt 15 493 Franken. Halbprivatversicherte müssen für den gleichen Eingriff 25 833 Franken zahlen – 66 Prozent mehr. Der Unterschied: Halbprivate liegen in einem Zweibettzimmer und haben das Recht, Spital und Arzt frei zu wählen. Privatversicherte kostet die neue Hüfte sogar 33 587 Franken – also über 110 Prozent mehr als der Grundta...
Grundversicherte zahlen für ein neues Hüftgelenk in einem Zürcher Spital im Durchschnitt 15 493 Franken. Halbprivatversicherte müssen für den gleichen Eingriff 25 833 Franken zahlen – 66 Prozent mehr. Der Unterschied: Halbprivate liegen in einem Zweibettzimmer und haben das Recht, Spital und Arzt frei zu wählen. Privatversicherte kostet die neue Hüfte sogar 33 587 Franken – also über 110 Prozent mehr als der Grundtarif. Der Einzelzimmerzuschlag beträgt somit für ein paar Tage im Spital knapp 8000 Franken.
Auch bei anderen stationären Aufenthalten zahlen Patienten mit Spitalzusatzversicherung erheblich mehr als Grundversicherte (siehe Tabelle im PDF). Das zeigen die durchschnittlichen Spitalkosten, die eine grosse Krankenkasse 2019 für ihre Versicherten übernahm. Wie hoch eine Spitalrechnung ausfällt, hängt auch davon ab, wo die Behandlung stattfindet. Spitäler in Zürich stellen für die gleichen Eingriffe stets höhere Rechnungen als die anderen Deutschschweizer Kliniken. Und Spitäler in der Westschweiz verlangen erheblich mehr als Kliniken in der Deutschschweiz.
Die Aufschläge betragen von 30 bis zu horrenden 160 Prozent. Beispielsweise kostet ein Kaiserschnitt für eine Halbprivatversicherte im Durchschnitt in einem Genfer Spital 20 086 Franken, in Zürich 14 457 Franken und in einem Aargauer Spital 12 577 Franken.
«Preise haben oft nichts mit der Leistung zu tun»
Weshalb diese enormen Unterschiede? Eine Krankenkassen-Mitarbeiterin sagt zu saldo: «Die Preise für Zusatzversicherte haben oft nichts mit den Leistungen zu tun.» Sie handelt mit Spitälern Tarifverträge für Zusatzversicherte aus.
Auch Preisüberwacher Stefan Meierhans kommt in einer neuen Studie zum Thema zum Schluss: «Die Tarife stehen in einem groben Missverhältnis zu den Kosten.» Laut seinen Zahlen haben Kliniken im Durchschnitt Extrakosten von 1300 bis 1500 Franken pro Zusatzversicherten, kassieren aber von Halbprivatversicherten das Fünffache und von Privatversicherten sechsmal mehr.
Für Meierhans ist klar: «Die Krankenkassen akzeptieren zu hohe Spitaltarife und wälzen die Kosten auf die Versicherten ab.» Das belegt eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey: So verloren die Krankenkassen von 2014 bis 2019 zwar 100 000 Halbprivat- und Privatversicherte. Gleichzeitig steigerten sie ihre Einnahmen aber um 200 Millionen Franken. Laut der Studie erhöhten sie einfach die Prämien.
Anne Bütikofer vom Verband der Spitäler der Schweiz H+ hält trotz dieser Zahlen daran fest, dass es bei den Spitalrechnungen nur «einzelne Verfehlungen» gebe. Die Preise seien für die Mehrleistungen «adäquat». Die Krankenkassen hätten die Tarife abgesegnet.