Der Jurist der Arbeitslosenkasse erscheint locker in Jeans und T-Shirt gekleidet vor dem Bezirksgericht Frauenfeld – begreiflich an diesem warmen Frühlingstag. Der Rechtsanwalt des beklagten Kleinbetriebs erscheint dagegen standesgemäss im dunklen Anzug. Mit dabei ist sein Mandant, der Inhaber des Kleinunternehmens, das sich auf die Reparatur von Booten spezialisiert hat. Der Firmenchef sieht angespannt aus. Vor Gericht geht es um einen Mechaniker, den er Mitte Mai 2014 fristlos entliess. Zuvor hatte er ihm im April 2014 bereits mit dreimonatiger Frist gekündigt.
Der gelernte Automechaniker hatte siebeneinhalb Jahre im Kleinbetrieb gearbeitet und hier auch seine Weiterbildung zum Bootsmechaniker absolviert. Zuletzt war er als Werkstattchef in einer Führungsrolle tätig.
Mechaniker verweigerte Überstunden
Zur Kündigung kam es laut dem Firmenchef, weil sich der Mechaniker weigerte, pro Woche acht Überstunden zu leisten. Die anderen drei Mitarbeiter dagegen hätten dies ohne «Wenn und Aber» getan. Kurze Zeit später sei er an einem Freitagnachmittag einfach nach Hause gegangen, ohne sich abzumelden. «Doch dann habe ich erfahren, dass er am Samstag und Sonntag für eine andere Firma – unsere Konkurrentin – arbeitete. Am Montag wollte er nicht arbeiten, weil er krank sei.»
Der Mitarbeiter sei auch für ein Motorboot verantwortlich, das nach der Reparatur gesunken sei: «Er wäre als Werkstattchef für die Schlusskontrolle zuständig gewesen.» Die Bergung des Bootes habe mehrere Tausend Franken gekostet. «Der gute Ruf meiner Firma ist dahin.»
All diese Ereignisse hätten das Fass zum Überlaufen gebracht. Deshalb habe er ihn kurz nach der ordentlichen Kündigung fristlos entlassen. Der Mechaniker habe ihm daraufhin mehrmals gedroht. Er werde allen nur Schlechtes von ihm erzählen, bis die Firma ruiniert sei.
«Fristlose Kündigung war nicht rechtens»
Nun ist die Reihe am Vertreter der klagenden Arbeitslosenkasse. Er hält fest: «Die fristlose Kündigung war nicht rechtens. Der Mann stand ab Mitte Mai auf der Strasse und hatte kein Geld mehr.» Die Arbeitslosenkasse habe ihm für den Rest der Kündigungsfrist zweieinhalb Monate lang Taggelder von Fr. 7621.65 ausgezahlt. «Dieses Geld wollen wir nun von der Firma zurück.» Er verstehe nicht, warum das Unternehmen den Angestellten trotz erfolgter Kündigung noch fristlos entlassen habe. Aus der Sicht des Mechanikers sehe die Geschichte anders aus: «Er hat sich an diesem Freitag abgemeldet und ging nach Hause, weil er krank war. Das wird durch das Arztzeugnis bestätigt.» Ausserdem sei es nicht sein Fehler gewesen, dass das Boot sank. Ein Mitarbeiter habe dieses Boot repariert.
Der Firmenchef schäumt vor Wut, als er das hört: «Er war Werkstattchef und zuständig für die Abschlusskontrolle! Aus purer Faulheit ist er dieser Aufgabe nicht nachgegangen!» Ausserdem habe er kein Arztzeugnis gehabt. Im vorgelegten Schreiben stehe bloss, dass er beim Arzt gewesen sei. Sein Anwalt fügt noch mit ernster Miene hinzu: «Krank soll er gewesen sein, wieso geht er dann bei der Konkurrenz arbeiten?»
Die Richterin stellt fest: «Der Fall ist unklar. Die vorgebrachten Argumente würden gemäss Rechtsprechung nicht für eine fristlose Entlassung reichen. Man müsste noch ein Beweisverfahren durchführen, um Klarheit zu schaffen.» Darum schlägt sie den Parteien einen Vergleich vor: Der Firmeninhaber soll der Arbeitslosenkasse 3500 Franken auszahlen und beide Parteien sollen für die Anwaltskosten selbst aufkommen. Damit sind beide Seiten einverstanden – wenn auch zähneknirschend.
Prozessieren: Fristlose Kündigung: Sofort zur Arbeitslosenversicherung!
Wer seinen Arbeitsplatz wegen einer fristlosen Kündigung verliert, hat Anspruch auf Arbeitslosentaggelder. Zur Sicherheit sollten Betroffene deshalb sofort nach der Entlassung das Arbeitsamt des Wohnorts aufsuchen und Taggelder beantragen.
Die Arbeitslosenkasse wird den Sachverhalt prüfen und entscheiden, ob die fristlose Entlassung ihrer Ansicht nach vom Angestellten verschuldet wurde. Bejaht sie die Frage, sperrt sie die Auszahlung von Taggelder bis zu 60 Tage. Kommt sie zum Ergebnis, dass die Entlassung ungerechtfertigt war, zahlt sie Taggelder und lässt sich die Forderung des Entlassenen gegenüber dem Arbeitgeber auf Auszahlung der Kündigungsfrist abtreten. So kann sie dann am Gericht für den Entlassenen die restlichen Löhne einklagen. Das Prozessrisiko liegt so bei der Arbeitslosenkasse, Entlassene müssen keine Gerichtskosten befürchten. Ist die Klage erfolgreich, erhalten sie dann aber noch die Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld und ihren offenen Lohnansprüchen.