Mit dem Kauf des Bauernhauses auf einer sonnigen Anhöhe erfüllte sich die Chefsekretärin einen Traum. Sie baute es um und versprach sich Ruhe und Erholung. Doch nun sitzt sie zusammen mit ihrem Anwalt in einem Saal des Bezirksgerichts Zürich und schüttelt verärgert den Kopf. Mehrfach.
Seit einer Stunde legt der Anwalt der eingeklagten Baugarantieversicherung dar, wie der Umbau für knapp 200 000 Franken aus seiner Sicht verlaufen ist. Er schildert die Arbeiten so wort- und detailreich, als wäre er selbst dabei gewesen. Sein Fazit: Die Zürich Versicherung müsse die von der Klägerin geforderten 19 900 Franken nicht zahlen.
Dabei ist eine Baugarantieversicherung ausdrücklich für Mängel gedacht, die nach der Fertigstellung des Werks auftauchen. Der Vorteil für Bauhandwerker: Sie übergeben dem Bauherrn die Police und erhalten das Geld für ihre Arbeit in voller Höhe. Sonst hätte der Bauherr das Recht, einen bestimmten Teil der Rechnungssumme zurückzubehalten.
Der Vorteil der Baugarantiepolice für den Bauherrn: Die Versicherung haftet bei Mängeln solidarisch mit dem Handwerker und kann auch dann belangt werden, wenn der Handwerker Konkurs macht. Genau dies hat die Chefsekretärin erlebt.
Handwerker sparte beim Isolationsmaterial
Nach der Abnahme des Umbaus dauerte es einige Zeit, bis sie den versteckten Mängeln auf die Spur kam. Oberflächlich sah alles hübsch aus. Doch im Winter wurde es nie warm im Haus.
Eine Wärmebildkamera brachte dann Klarheit: Der Handwerker hatte zwischen den Dachsparren kein Isolationsmaterial angebracht, sondern gleich die Gipsplatten draufgeschraubt. Ein klarer Pfusch, wie ein Gutachten ergab.
Der Anwalt der Versicherung hingegen preist den Handwerker als «erfahrenen und zuverlässigen Berufsmann», der so etwas nie und nimmer anrichten würde. Am Fehler müsse ein anderes Unternehmen schuld sein. Dass der Handwerker ohnehin verantwortlich war, weil er als Generalunternehmer auch für die Bauführung zuständig war, will der Anwalt der Versicherung nicht gelten lassen. Das stehe zwar so in der Offerte, doch ein Beweis dafür fehle, weil kein unterschriebener Werkvertrag vorliege.
Keine Spitzfindigkeit lässt der Anwalt aus. Eigentlich handle es sich gar nicht um einen Mangel, sagt er, sondern nur um «nicht fertiggestellte Arbeiten». Dieser Fall sei laut Versicherungsbedingungen nicht abgedeckt. Auch das Gutachten beweise nichts. Es stütze sich auf SIA-Baunormen, die nur dann gültig seien, wenn es beide Seiten ausdrücklich vereinbart hätten. «Selbst wenn es sich um versteckte Mängel handeln würde, bestünde keine Zahlungspflicht», sagt er. Zwischen der Entdeckung und der Rüge sei zu viel Zeit verstrichen. Die Versicherungsdauer wäre zudem damals schon abgelaufen gewesen.
Kein Protokoll bei der Bauabnahme
Die Versicherung macht geltend, die Garantiefrist habe begonnen, als die Eigentümerin die Handwerkerrechnung bezahlte. Der Anwalt der Klägerin entgegnet, die Abnahme des Umbaus habe erst später stattgefunden. Die Frau habe aus Goodwill schon viel früher bezahlt, weil der Handwerker ja auch seine Unterakkordanten entlöhnen müsse. Dummerweise wurde bei der Bauabnahme kein Protokoll erstellt, das als Beweis dienen könnte.
Und so beugt sich das Gericht über die Bilder der Spezialkamera aus dem Gutachten. Blaue und grüne Bereiche zeigen Stellen mit fehlender Isolation an. Fast die Hälfte der Flächen sind grün und blau. Die Richterin fragt die Eigentümerin, ob es stimme, was die Versicherung behaupte. Nämlich, dass sie darauf gedrängt habe, möglichst wenig Isolationsmaterial zu verwenden. «Sicher nicht», entgegnet sie.
Die Richterin kündigt an der Verhandlung an, ihr Urteil schriftlich zu eröffnen. Anderthalb Jahre später ist es so weit. Das Gericht weist ihre Klage wegen verspäteter Mängelrüge ab. Ein erstes Schreiben sei unklar gewesen: «Der Besteller muss mit einer Mängelrüge zum Ausdruck bringen, dass er das Werk nicht anerkennen und den Unternehmer haftbar machen will.» Und die effektive Mängelrüge fast einen Monat darauf erweise sich «als verspätet». Versteckt seien die Mängel nicht gewesen. Es sei davon auszugehen, «dass die fraglichen Isolationsmängel bei einer ordnungsgemässen Prüfung eben doch erkennbar waren».
Die Klägerin muss die Gerichtskosten von 4100 Franken tragen und der Versicherung 6300 Franken für Anwaltskosten zahlen. Mit dem Urteil ist die Chefsekretärin nicht einverstanden. Sie verzichtet aber aus Kostengründen darauf, es beim Obergericht anzufechten.
Baumängel rechtzeitig geltend machen
Entdeckt ein Bauherr einen Mangel, muss er ihn sofort beim Bauunternehmen rügen – in der Regel bei der Bauabnahme. Nur «verdeckte Mängel» können auch später noch gerügt werden. Das ist bis fünf Jahre nach Bauabnahme möglich. Als verdeckt gilt ein Mangel, wenn er bei der Bauabnahme nicht erkennbar war. Auch ein verdeckter Mangel muss sofort nach Entdecken gerügt werden, also innert weniger Tage. Diese Regelung gilt dann, wenn die Parteien nichts anderes vereinbarten. Die meisten Verträge regeln die Mängelrüge laut SIA-Norm. Diese Fristen sind für Bauherren grosszügiger.