Todkranke Menschen brauchen in ihrer letzten Lebensphase intensive Pflege, gut ausgebildete Ärzte und die richtigen Schmerzmittel. Fachleute sprechen von Palliative Care (siehe Unten).
Die meisten schwerkranken Menschen würden am liebsten in den eigenen vier Wänden sterben. Doch in der Schweiz ist das nur jeder fünften Person vergönnt. Grund: Es fehlt an der nötigen ärztlichen Pflege daheim. Darum beenden die meisten Menschen ihr Leben im Spital oder Pflegeheim.
Gemäss einer Studie zur ärztlichen Versorgung von schwerkranken und sterbenden Menschen der Zeitschrift «The Economist» belegt die Schweiz nur Rang 15 von 80 untersuchten Ländern. Am besten versorgt sind todkranke Menschen in Grossbritannien.
Der Grund fürs schlechte Abschneiden der Schweiz: Das Tarifsystem in der Grundversicherung vergütet den Mehraufwand für Pflege und Ärzte ungenügend. Steffen Eychmüller, Leitender Arzt des Zentrums Palliative Care am Berner Inselspital und Mitautor der Studie, sagt, die Palliativabteilungen in Spitälern seien «sehr defizitär». Seine Abteilung mit zehn Betten schrieb 2014 zwei Millionen Franken Verlust.
Fallpauschalen decken die Kosten nicht
Spitäler bekommen eine von der Diagnose abhängige Fallpauschale für jeden Patienten, unabhängig davon, wie lange er ein Bett belegt. Bei Palliativpatienten deckt diese Pauschale die Kosten oft nicht. Spitäler haben deshalb ein finanzielles Interesse daran, Palliativpatienten in Pflegeheime zu verlegen, sobald sich ihr Gesundheitszustand etwas stabilisiert.
Der Gesetzgeber hat es bislang unterlassen, die Tarifsysteme entsprechend anzupassen. Niemand hat Zahlen, wie viel der entsprechende Ausbau des Gesundheitssystems kosten würde.
Alters- und Pflegeheime schlecht gerüstet
Nur 10 von rund 1600 Alters- und Pflegeheimen sind gemäss Curaviva, dem Verband der Schweizer Pflegeinstitutionen, auf die Bedürfnisse von Palliativpatienten eingerichtet. Hinzu kommen 21 mobile Palliativdienste wie die Spitex und 4 Palliativkliniken.
Von den rund 300 Spitälern verfügen laut dem Spitalverband H+ nur etwa 30 über spezielle Palliativabteilungen. In den Palliativkliniken und Spitälern gab es 2013 laut einem Bericht der kantonalen Gesundheitsdirektoren insgesamt rund 370 Betten. Zum Vergleich: Im selben Jahr hätten rund 40 000 Erkrankte palliative Pflege benötigt.
Glück hatte die 87-jährige Mutter von Silvia B. aus Zürich. Die krebskranke Frau ergatterte im Herbst 2013 einen Platz in der Palliativklinik Châtel-St-Denis FR. Erst dort bekam sie die passenden Schmerzmittel in der richtigen Dosis – dank für Schmerzpatienten ausgebildeten Pflegekräften. Laut Silvia B. fühlte sich ihre Mutter «gut aufgehoben». Doch die Ärzte drängten sie, die alte Frau in ein Pflegeheim zu verlegen: Laut Silvia B. verschlechterte sich der Zustand ihrer Mutter, sodass sie nicht zügeln konnte: Nach vier Monaten in der Palliativklinik starb sie.
Ob Schwerkranke eine angemessene Versorgung bekommen, hängt stark vom Wohnkanton ab. Laut Eychmüller ist die Versorgung im Tessin und im Waadtland gut. Wenige bis keine Palliativ-Institutionen gibt es laut dem Bericht der Gesundheitsdirektoren in den Kantonen Luzern, Obwalden, Nidwalden, Uri und Glarus.
Leiden lindern
Palliativpatienten sind Patienten, bei denen es keine Heilungsmöglichkeit mehr gibt. Palliative Care umfasst alle Massnahmen, die das Leiden eines unheilbar kranken Menschen lindern und seine Lebensqualität verbessern – auch wenn es ihm im Augenblick noch gut geht und unabhängig davon, ob seine Lebensprognose Wochen, Monate oder Jahre beträgt.
Neben der medizinischen Behandlung und Pflege der Kranken umfasst Palliative Care auch die psychische und soziale Unterstützung der Angehörigen.