Das Leben von Manfred Schädeli aus Münsingen BE änderte sich vor drei Jahren auf einen Schlag radikal: «Plötzlich musste ich panikartig und unkontrolliert atmen», erinnert sich der 67-Jährige. Die Hausärztin stellte fest, dass es sich um ein Vorhofflattern des Herzens handelte. Schädeli ging ins Spital, wo ihn die Ärzte operierten. Der Eingriff gelang – doch die Ärzte stellten auch eine Herzschwäche fest. Sein Herz konnte nicht mehr genügend Blut durch den Kreislauf pumpen.
Die Ärzte gaben ihm am Anfang viele Medikamente, darunter Metoprolol, Entresto, Aldactone und Forxiga. Doch Schädeli vertrug sie nicht gut: «Mein Blutdruck war so tief, dass ich mehrmals zusammenklappte», erinnert er sich. Wie ein Sack Kartoffeln sei er jeweils zusammengesunken. Nach und nach konnte er die Medikamente weglassen – und seit vergangenem Dezember nimmt er nur noch den Blutdrucksenker Perindopril und den Betablocker Metoprolol.
Heute fühlt er sich gesund. Er bewegt sich viel und geht gern in die Berge. «Durch die Herzschwäche lebe ich heute bewusster – ich will aber mein Leben trotzdem geniessen und nicht auf alles verzichten», sagt er.
Herzschwäche bewirkt Müdigkeit und geschwollene Beine
Manfred Schädeli ist nicht der Einzige: Im Alter haben laut dem Zürcher Ärztenetzwerk Medix viele Leute ein schwaches Herz, bei über 70-Jährigen ist es jeder zehnte. Das führt zu Müdigkeit und manchmal zu geschwollenen Beinen. Ärzte verschreiben am Anfang häufig mehrere Medikamente. Doch das ist meist gar nicht nötig, wie kürzlich die deutsche Fachzeitschrift «Gute Pillen – schlechte Pillen» schrieb. Nicht jeder Patient brauche eine so intensive Behandlung. Ausserdem riskiere man mit mehr Medikamenten auch mehr Nebenwirkungen, warnen die Experten.
Für die meisten Herzpatienten ist ein Blutdrucksenker unerlässlich, in der Regel sind es sogenannte ACE-Hemmer. Sie heissen zum Beispiel Triatec, Ramipril oder Enalapril. Sie entlasten das Herz. Studien zeigten, dass sie die Krankheit aufhalten und die Patienten seltener ins Spital müssen. Zudem verhindern sie nachweislich Todesfälle – zumindest, wenn jemand Beschwerden hat.
Häufige Nebenwirkung Reizhusten
Manche Patienten vertragen die ACE-Hemmer nicht. Jeder fünfte bekommt einen unangenehmen Reizhusten. Dann eignen sich zum Beispiel Pemzek oder Diovan. Man nennt diese Medikamente Sartane. Ihr Nutzen ist nicht klar nachgewiesen. «Gute Pillen – schlechte Pillen» schreibt: «Sartane sind eher zweite Wahl, nämlich dann, wenn Patienten ACE-Hemmer nicht vertragen.»
Betablocker wie Bilol oder Beloc Zok eignen sich ebenfalls für die meisten Patienten. Sie senken Blutdruck und Herzschlag und verbessern den Herzrhythmus. Sie verhindern auch, dass Stresshormone im Körper wirken. Betablocker senken das Risiko für vorzeitigen Tod und die Zahl der Spitalaufenthalte. Doch sie machen oft müde und verlangsamen den Puls. «Patienten geht es zu Beginn der Therapie häufig schlechter», sagt Etzel Gysling, Herausgeber der Fachzeitschrift «Pharma-Kritik» und Hausarzt in Wil SG.
Bei Entresto gehen die Meinungen auseinander
Alle anderen Medikamente sollte man nur nehmen, wenn die bisherigen nichts nützen. Bei Patienten mit geschwächten Nieren oder Diabetes Typ 2 kommen auch Mittel wie Forxiga und Jardiance in Frage. Umstritten ist das Mittel Entresto. Es besteht aus zwei Wirkstoffen. Die Fachzeitschrift «Arznei-Telegramm» schrieb kürzlich, Entresto komme nur in Frage, wenn alle anderen Mittel nicht geholfen hätten.
Gemäss Herstellerin Novartis und einigen Leitlinien kann das Mittel auch von Anfang an statt eines ACE-Hemmers eingenommen werden. «Dafür fehlen jedoch aussagekräftige Daten», schreibt «Gute Pillen – schlechte Pillen». Die Hersteller verweisen auf die Packungsbeilagen.
Beloc-Zok-Herstellerin Recordati schreibt, der Betablocker bewähre sich seit Jahrzehnten. Gemäss Forxiga-Herstellerin Astra Zeneca verbessert das Mittel die Situation der Patienten. Eine frühe Therapie sei empfehlenswert, dies stehe auch in aktuellen Leitlinien. Darauf verweist auch Jardiance-Herstellerin Boehringer Ingelheim.
Allerdings: Erst kürzlich kritisierten die Fachzeitschriften «Arznei-Telegramm» und «Arzneimittelbrief» diese Leitlinien. Ihnen fehle eine gute Datenbasis.