Zivilschutz: Abkommandiert zum Festzeltbau
Zivilschützer sollten bei Notfällen und Katastrophen zum Einsatz kommen. In der Realität sind sie vor allem bei Sportanlässen aktiv.
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saldo 18/2018
06.11.2018
Letzte Aktualisierung:
19.11.2018
Herbert Lanz
Der Zivilschutz kostet laut Bundesamt für Bevölkerungsschutz pro Jahr 324 Millionen Franken. Finanziert wird er durch die Steuerzahler sowie über Lohnabzüge der Angestellten und Arbeitgeber für die Erwerbsersatzordnung (EO). Diese Gelder kompensieren den Verdienstausfall der aktiven Zivilschützer. Im vergangenen Jahr erhielten sie für jeden Einsatztag laut Bundesamt für Sozialversicherungen im Durchschnitt 156 Franken pro Person – total 49,6 ...
Der Zivilschutz kostet laut Bundesamt für Bevölkerungsschutz pro Jahr 324 Millionen Franken. Finanziert wird er durch die Steuerzahler sowie über Lohnabzüge der Angestellten und Arbeitgeber für die Erwerbsersatzordnung (EO). Diese Gelder kompensieren den Verdienstausfall der aktiven Zivilschützer. Im vergangenen Jahr erhielten sie für jeden Einsatztag laut Bundesamt für Sozialversicherungen im Durchschnitt 156 Franken pro Person – total 49,6 Millionen Franken.
Zentrale Aufgabe des Zivilschutzes wären laut Gesetz Einsätze bei Notlagen und Katastrophen. Doch die Realität sieht anders aus: Zivilschützer bauen Tribünen und Festzelte, präparieren Skipisten und transportieren Sportfunktionäre. Im Jahr 2005 bewilligte das Bundesamt noch 7192 Diensttage für solche Einsätze. Im vergangenen Jahr waren es schon 17 102 Tage. Etwa am Ski-Weltcuprennen in Adelboden BE (3665 Diensttage), am Unspunnen Schwinget in Interlaken BE (1937 Dienstage) und am Eidgenössischen Jodlerfest in Brig VS (1866 Diensttage). Die Gesamtkosten für die zwei Skirennen in Adelboden betrugen rund 850 000 Franken (Zivilschutzaufwand und EO-Kosten). Davon übernahm der Veranstalter ganze 48 000 Franken – ein Anteil von 5,6 Prozent. Bei den Lauberhorn-Skirennen in Wengen waren es rund 20 Prozent.
Auch Kantone und Gemeinden ordnen Einsätze an. Zivilschützer putzen Bäche, schneiden Hecken oder bessern Wanderwege aus. 2017 kamen so weitere 72 481 Diensttage dazu. Dem gegenüber stehen lediglich 17 328 Diensttage für Not-Einsätze, etwa beim Hochwasser im St. Galler Rheintal oder nach Unwettern in Zofingen und Baden.
Billige Arbeitskräfte für Sport- und Festanlässe
Für Kantone, Gemeinden und die Veranstalter von Sport- und Festanlässen sind Zivilschützer billige Arbeitskräfte. In den Kantonen Zürich und Graubünden zum Beispiel müssen die Veranstalter lediglich für Verpflegung, Transport und eine allfällige Unterkunft aufkommen. Im Kanton Bern kommt meist noch ein Sold von 5 bis 13 Franken pro Tag dazu. Die Zivilschützer kosten total pro Tag nur «zwischen 30 und 50 Franken», sagt Olivier Andres vom Amt für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär des Kantons Bern.
Solche Einsätze sind mittlerweile selbst den Zivilschutzchefs nicht mehr ganz geheuer. Zivilschützer sollten «nicht zu oft für Einsätze als Festzeltbauer eingesetzt werden», sagt Oliver Caspari, Kommandant der regionalen Zivilschutzorganisation St. Gallen. Das sei für die Motivation der Dienstleistenden «nicht besonders förderlich» und laufe «dem Grundauftrag zuwider». Und Walter Müller, Präsident des Schweizerischen Zivilschutzverbands, findet: «Bloss Wanderwege zu sanieren, damit sie saniert sind, ist nicht Aufgabe des Zivilschutzes.»