Auf seiner Website schreibt der Aarauer Zahnarzt Matthias Schmid: «Weisheitszähne sind heutzutage meist ein Leid.» Laut der Zahnarztkette Swisssmile sollen die Zähne «möglichst im jugendlichen Alter» raus, wenn Probleme «absehbar» seien. Auch andere Zahnärzte entwerfen düstere Szenarien, wenn es um Weisheitszähne geht.
Doch ein vorschnelles Ziehen bringt keinen Vorteil, sagen Experten. Der Zahnarzt Jakob Roethlisberger aus Langnau im Emmental BE: «Es macht keinen Sinn, Weisheitszähne vorbeugend zu ziehen.» Auch die Cochrane Collaboration – ein internationales Netzwerk von Wissenschaftern – kam vor zwei Jahren zum Schluss: Der Beweis sei «ungenügend», dass ein vorsorgliches Entfernen von Weisheitszähnen einen Vorteil bringt.
Bei jedem dritten Patienten mit Problemen wachsen die Zähne bis zum 30. Lebensjahr wieder korrekt. Das zeigen diverse Studien. Zahnärzte können nur abschätzen, wie der Zahn herauswächst. Christel Maria Foch von der Internationalen Gesellschaft für ganzheitliche Zahnmedizin in Mannheim (D): «Es gibt keine allgemeingültige Regel, wann ein Weisheitszahn entfernt werden muss.»
Kommt dazu: Das Ziehen eines Weisheitszahnes ist ein happiger Eingriff. Im Idealfall lässt sich der Zahn mit der Zange ziehen. Meist muss ihn der Zahnarzt aber in mehreren kleinen Stücken herausholen und manchmal dabei das Zahnfleisch einschneiden. Patienten brauchen nach dem Eingriff ein bis zwei Tage Schonung. Zwei bis drei Nachuntersuchungen sind üblich.
Häufige Komplikationen: Beschädigter Nerv, schwere Entzündungen
Die Risiken sind beträchtlich: Bei jedem 20. Patient beschädigt der Zahnarzt den Nerv, der im Unterkiefer verläuft. Es kommt zu einer vorübergehenden Gefühlsstörung der Unterlippe. Bei jedem Hundertsten wird der Nerv dauerhaft beschädigt. Zudem können schwere Entzündungen oder Blutungen auftreten. Das Risiko für Komplikationen steigt mit dem Alter. Deshalb drängen Zahnärzte auf ein rasches Entfernen.
Doch das ist nur dann angebracht, wenn der Zahn bereits Beschwerden bereitet – etwa wenn er das Zahnfleisch nur unvollständig durchstossen hat und teilweise von Zahnfleisch bedeckt ist. Dann ist der Zahn mit der Zahnbürste nur schwer sauber zu halten. Es bilden sich Zahnfleischtaschen mit Essensresten und Bakterien, die für eine ständige Entzündung auslösen. In einem solchen Fall ist auch das Risiko für Karies erhöht.
Ein schiefer Weisheitszahn kann Zysten oder Abszesse bilden. Ist der Abstand zum Nachbarzahn zu klein, kann er zudem dessen Wurzel angreifen und diese langsam auflösen. Manchmal erschwert oder verhindert der Weisheitszahn eine kieferorthopädische Behandlung. Etwa wenn schiefstehende Zähne mittels Spange wieder in die Reihe gerückt werden sollen.
Tipps
- Lassen Sie sich Eingriff und Folgen genau erklären.
- Holen Sie im Zweifelsfall eine Zweitmeinung ein.
- Machen Weisheitszähne keine Beschwerden, ist das Ziehen meist unnötig.
- Lassen Sie sich höchstens zwei Weisheitszähne aufs Mal und auf der gleichen Seite herausnehmen.
- Klären Sie vorher ab, ob die Grundversicherung die Behandlung zahlt. Bei Infektionen und Zysten ist das in der Regel der Fall.