Beirut ist voller Extreme. Da sind edle Restaurants, vor denen Porsches parken. Und nur einige Kilometer entfernt betteln syrische Flüchtlingskinder um Essen. Die Wirtschaftskrise seit 2019 hinterliess eine kleine Schicht sehr Reicher, während die grosse Mehrheit in Armut versinkt. Vom Mittelstand sind wenige übriggeblieben. Einer von ihnen ist Emile Faraj (50). Er betreibt mit seiner Frau Silva (40) einen Coiffeursalon. Mit den Kindern Caren (13) und Christian (15), die beide zur Schule gehen, leben sie in einer Eigentumswohnung in einem christlich geprägten Wohnquartier.
Die Libanesen hoffen, dass ihr Land nicht zu stark in den Krieg zwischen Israel und der Hamas hineingezogen wird. Die Stimmung in Beirut ist angespannt. Aber die Scharmützel an der libanesisch-israelischen Grenze sind weit genug entfernt, sodass der Alltag im Moment noch normal weitergeht.
Finanzielle Situation
- Haushaltseinkommen: 1800 Franken brutto pro Monat
- Kosten fürs Wohnen pro Monat: 450 Franken Miete für den Coiffeursalon, 11 Franken Hypothek für die Wohnung, Nebenkosten je nach Jahreszeit 120 bis 180 Franken
- Kosten für die Krankenversicherung: 1800 Franken pro Jahr für die ganze Familie
- Steuern pro Jahr: 360 Franken
Sind Sie mit Ihrer Wohnsituation zufrieden?
Emile: Sehr. Wir wohnen seit sechs Jahren in dieser Wohnung, sie ist gross, und die Strasse ist ruhig. Wir fühlen uns wohl hier.
Silva: Früher lebten wir in einem anderen Quartier, wo wir uns Sorgen machten, wenn die Kinder rausgingen. Hier dagegen leben gute Kinder in der Nachbarschaft.
Was gibt es heute zum Abendessen?
Silva: Wir essen abends stets etwas Leichtes. Heute gibt es Brot, Käse und Labneh – ein typisch libanesisches Joghurt.
Was hat Ihre Berufswahl bestimmt?
Emile: Als ich Anfang 20 war, rappelte sich das Land gerade vom Bürgerkrieg auf. Meine Freunde sagten, einen Beruf zu erlernen sei besser, als beim Staat angestellt zu sein.
Silva: Ich arbeitete 17 Jahre in einer Konditorei. Nach der Covid-19-Pandemie begann ich, im Coiffeursalon meines Mannes mitzuhelfen, weil er während des Lockdowns alle Mitarbeiter entlassen musste.
Wie lange arbeiten Sie?
Emile: Unsere Tage sind manchmal sehr lang, bis zu zehn Stunden. Im Sommer arbeiten wir fünf Tage pro Woche, im Winter sogar sechs.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Silva: Im Winter nicht viel, weil wir nur einen Tag frei haben.
Emile: Im Sommer fahren wir am Wochenende ans Meer oder in die Berge in ein Häuschen, das meinen Eltern gehörte.
Wo verbringen Sie Ihre Ferien?
Emile: Vor der Krise flogen wir manchmal für eine Woche in die Türkei. Das können wir uns nicht mehr leisten. Im August, wenn wir am wenigsten Kunden haben, verbringen wir manchmal drei bis vier Tage in den Bergen.
Sparen Sie Geld?
Emile: Nein. Wir versuchen einfach, durchzukommen. Unser Erspartes verloren wir wegen der Bankenkrise und der Inflation. Früher verdiente ich viel mehr. Aber jetzt in der Krise kann ich die Preise nicht anheben, weil die Leute kein Geld mehr haben.