Drei- bis viermal pro Woche bietet die Netpulse AG in der Deutschschweiz den Gratiskurs «Wie Google dein Freund wird» an. Es geht um Adwords (siehe Kasten). Netpulse versucht, Betriebe für die Google-Werbeplattform zu gewinnen und mit der Betreuung dieser Kunden Geld zu verdienen.
Der saldo-Reporter trifft an einer dieser Veranstaltungen zuerst auf einen Versicherungsmakler. Er ist Mitte fünfzig und will sich selbständig machen. Ein paar Kunden zieht er vom alten Arbeitgeber ab, die anderen will er mit Werbung erreichen. Wie? Ein Kollege habe ihm gesagt: «Du musst unbedingt Google-Werbung machen, sonst funktioniert das nicht.» Das Problem des Maklers: «Ich habe keinen Schimmer, wie das geht.»
Auch einige jüngere Leute kommen in den kleinen Saal. Ein etwa 30-Jähriger stellt Werbegeschenke her. Tassen, T-Shirts oder Mützen mit Firmenlogos. Das Geschäft läuft mässig. Neben ihm sitzt ein Mann mit viel Gel im Haar. Er hat für seine Frau eine Homepage aufgebaut. Sie verkauft Haarverdickungsprodukte.
Endlich erscheint Kursleiter Norman Irion. Unter dem Google-T-Shirt spannen sich die Muskeln. «Ich komme gerade aus den USA!» Dort habe er an einem Meeting von «Black Hats» teilgenommen. Das seien Computerhacker. Dann zeigt Irion auf der Leinwand eine Kurve. Dort, wo die Kurve am Boden liegt, ist die klassische Werbung: Presse, Radio, TV. Einfluss auf potenzielle Kunden: gering. «Aber guckt: Jetzt steigt die Kurve. Höher, immer höher. Das ist die Google-Werbung. Damit könnt ihr euren Umsatz verdrei-, vervier-, verfünffachen!» Nächstes Bild: ein Malermeister. «Für 25 000 Franken habe ich ihm alles installiert.» Homepage, Bannerwerbung, Adwords-Konto. Jetzt laufe es ihm wie geschmiert.
Später zeigt Irion auf der Leinwand die Homepage des Kursteilnehmers mit den Werbegeschenken – und donnert los: Fast keine Google-Werbung! Und warum «Herzlich willkommen» stehe? Das sei so was von unprofessionell. Der Angesprochene guckt betreten auf den Boden. «Jungs, so geht das nicht!» Irion: «Wie könnt ihr eure Konkurrenten fertigmachen?» Die Antwort: «Adwords! Und Netpulse hilft euch dabei.»
KMU: Bis zu 1000 Franken pro Tag
Google verdient viel Geld mit seinen Werbeanzeigen («Adwords»). Sie sollen die Benutzer der Suchmaschine zum Konsum verleiten. Wer zum Beispiel das Schlagwort «Rollkragenpullover» eingibt, erhält zuoberst auf der Ergebnisliste einige Links mit dem Vermerk «Anzeige» von Verkäufern von Rollkragenpullovern. Für jeden Klick müssen die Website-Inhaber Google einen bestimmten Geldbetrag überweisen. Je beliebter ein Schlagwort ist und je besser platziert man erscheinen möchte, desto höher sind die Kosten. Pro Klick mindestens 5 Rappen. Es können laut Netpulse aber auch mehrere Dutzend Franken sein. Für KMUs geht die Rechnung häufig nicht auf. «Uns sind Fälle bekannt, in denen KMUs bis zu 1000 Franken pro Tag für Google-Werbung ausgeben!», sagt Roland M. Rupp vom Schweizerischen KMU-Verband.
Ein anderes Problem sind die hohen «Betreuungskosten» von Google-Partnern wie Netpulse: Für 260 Franken erhält man einmal pro Monat telefonische Unterstützung.
2015 investierten Firmen in der Schweiz gemäss der AG für Werbemedienforschung 572 Millionen Franken in Internetwerbung.