Steffi Buchli war ein «birebitzli stolz», wie sie auf der Internetplattform Twitter bekannt gab. Der Sportchefin der «Blick»-Gruppe gelang kürzlich ein vierseitiges «Exklusivinterview» mit dem «Fussball-Überflieger» Erling Haaland.
Eingefädelt wurde das Gespräch vom Management der Luxusuhrenmarke Breitling. Es stellte zudem zwei Bedingungen: Der «Sonntags-Blick» müsse den Fussballstar Haaland gezielt auf dessen Uhrenmarke Breitling ansprechen. Und das Interview musste schriftlich stattfinden. Buchli wusste also nicht, wer die Antworten gab. Wer es liest, gewinnt den Eindruck, dass die Antworten wie auch die Titelseite mit der Breitling-Uhr direkt von der Werbeagentur stammen.
Solche Vereinbarungen zwischen Medien und Werbekunden sind nicht mehr selten: saldo wertete alle September-Ausgaben der «Sonntags-Zeitung» (Verlag Tamedia), des «Sonntags-Blicks» (Ringier) und der «NZZ am Sonntag» inklusive deren Beilagen aus. Ergebnis: Auf 39 Seiten fanden sich gekaufte und auf 10 Seiten gesponserte Artikel.
Die von Werbekunden gekauften Beiträge ergänzt der «Sonntags-Blick» mit dem Hinweis «Präsentiert von», die «NZZ am Sonntag» mit «Sponsored Content» und die «Sonntags-Zeitung» mit «Paid Post» oder «Sponsored». Verlage und Werber nutzen aus, dass ein Drittel der Leser die häufig auf Englisch verfassten Deklarationshinweise nicht erkennt, geschweige denn versteht. Das zeigt eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (saldo 4/2022).
Zu den Unternehmen, die im September solche Artikel kauften, gehören etwa die Bernische Kraftwerke AG BKW, V-Zug, Electrolux und das Disneyland Paris. Die NZZ nennt als einziger der drei Verlage, wie viel ein «gekaufter Artikel» kostet: eine Seite mindestens 30 510 Franken. Tamedia schreibt, die Preise würden auf den Inseratetarifen plus Produktionskosten basieren. Bei der «Sonntags-Zeitung» kostet ein ganzseitiges Inserat 30 000 Franken, beim «Sonntags-Blick» mindestens 23 000 Franken.
Reiseveranstalter «unterstützen» redaktionelle Beiträge
Auf 10 Seiten der Septemberausgaben der Sonntagszeitungen war im redaktionellen Teil Werbung versteckt. Die «Sonntags-Zeitung» schreibt am Anfang solcher Beiträge «unterstützt von» oder «in Zusammenarbeit mit».
Ein Beispiel: Am 18. September erschien ein Beitrag, wie man sich «im US-Bundesstaat Georgia beim Golfen vergnügt». Dieser wurde gemäss Vermerk am Textende von der Airline Edelweiss und der Tourismusorganisation von Georgia «unterstützt».
Das heisst: Die Fluggesellschaft und die Tourismusorganisation bezahlten die Reise des Journalisten, wie Tamedia gegenüber saldo zugibt. Wie teuer das war, sagt der Verlag nicht. Weitere Reisen liess sich die «Sonntags-Zeitung» im September von den Veranstaltern Cruise Center und Travelhouse sowie der Tourismusorganisation von North Carolina finanzieren.
Dennis Bühler, Dozent für Medienethik an der Journalistenschule MAZ in Luzern, kritisiert: «Leser müssen auf Anhieb erkennen können, ob hinter einem Artikel Werbeinteressen stecken. Das war hier nicht möglich.» Tamedia dagegen bestreitet, dass es sich um einen Werbeartikel gehandelt habe, und schreibt, die Kennzeichnung entspreche den Richtlinien des Schweizer Presserats.
Auch Auto- und Moderessorts anfällig auf Schleichwerbung
Neben den Tourismusressorts der Zeitungen sind auch die Auto- und Moderedaktionen anfällig auf undeklarierte Werbung. Ein paar Beispiele:
Die Auto-Redaktion des «Sonntags-Blicks» fuhr mit einem Toyota nach England und lobte am 11. September: «Der Toyota Yaris Cross Hybrid macht an Grossbritanniens Küste einen guten Eindruck.» Dass die Redaktion das Auto von Toyota gratis zur Verfügung gestellt bekam, erwähnt das Blatt mit keinem Wort. Mediendozent Bühler sagt dazu: «Darüber müssen die Leser informiert werden.»
Zwei Wochen später erkauft sich Toyota im «Sonntags-Blick» ein ganzseitiges Interview. Der Ringier-Verlag sagt dazu, die Redaktion teste Autos verschiedener Marken. Die Auswahl erfolge «nach journalistischen Kriterien und ohne Gegenleistung».
Das NZZ-Magazin «Z» zeigte in der Ausgabe vom 4. September Fotos von Models mit 36 Kleidungsstücken und Accessoires. Dazu nennt sie die Preise und die Hersteller. Auffällig: Die Hälfte der ausgewählten Produkte stammen von Luxusunternehmen wie Prada, Louis Vuitton, Dior, Hermès, Max Mara und A. Odenwald – und alle schalteten in der gleichen Ausgabe des Magazins grosszügig Inserate.
Allein die Anzeigen der sechs Luxusmarken bringen dem Magazin «Z» gemäss Inseratetarifen rund 280 000 Franken ein. Der NZZ-Verlag schreibt dazu, die Auswahl der Produkte erfolge «unabhängig davon, ob es sich um Anzeigenkunden handelt».
Der Schweizer Presserat kritisierte die «Verschleierung von kommerziellen Inhalten» schon mehrfach. Damit würden die Medien ihrem höchsten Gut schaden – ihrer redaktionellen Unabhängigkeit und damit auch ihrer Glaubwürdigkeit.
Schleichwerbung gibt es auch in «werbefreien» Abos
Tamedia und NZZ verkaufen Abos angeblich ganz ohne Werbung. Doch die Abonnenten erhalten trotzdem bezahlte Artikel:
Tamedia: Mit dem kombinierten Abonnement «Print und Digital Classic» erhalten Kunden neben der gedruckten Zeitung gemäss der Tamedia-Website «digitalen Zugriff werbefrei». Das kostet beim «Tages-Anzeiger» 605 Franken pro Jahr, beim «Bund» 579, bei der «Basler Zeitung» 549 und beim «Landboten» 495 Franken. Doch dafür blockiert Tamedia nur die klassischen Werbeanzeigen. Von Firmen bezahlte Artikel erhalten Abonnenten weiterhin: Sie sind angeschrieben als «Paid Post» oder «Sponsored». Das gilt auch für das Digital-Abo «Regular», das Tamedia als «werbefrei» anbietet.
NZZ: Auch die «Neue Zürcher Zeitung» wirbt für ihre angeblich werbefreien Digitalabos. Für zehn Franken pro Monat zusätzlich zum Abopreis sollen die Abonnenten die Artikel auch ohne Werbung auf Nzz.ch, in der NZZ-App und über den NZZ-Newsletter lesen können. Doch auch die NZZ zeigt von Werbekunden bezahlte Artikel nach wie vor an – markiert mit dem Hinweis «sponsored content».