Die «Schweizer Illustrierte» vom 29. Mai will Lust auf Ferien in der Schweiz machen. Auf nicht weniger als 19 redaktionellen Seiten prangen Titel wie «Endlich Graubünda» oder «Aloha, Silvaplana». Für diese Beiträge erhält der Verlag Ringier Axel Springer Schweiz von den Destinationen Geld.
Das bestätigen etwa Markus Berger von Schweiz Tourismus und Anje Buchs von Gstaad-Marketing. Wie viel Geld für die Artikel flossen, will niemand sagen. Berger sagt nur, Schweiz Tourismus habe «einmalig sechs Seiten redaktionell und zwei Seiten als Anzeigen gebucht». Doch das merkt der Leser nicht. Er erfährt nur, dass die redaktionell aufgemachten Werbetexte «zusammen mit Schweiz Tourismus» entstanden sind. Das Parlament hat Schweiz Tourismus kürzlich 20 Millionen Franken zusätzlich zur jährlichen Subvention von 57,5 Millionen Franken für Marketing und Medienarbeit zugesprochen.
Die «Schweizer Illustrierte» vom 29. Mai ist kein Einzelfall. Schon seit dem 22. Mai schreiben die Journalisten in jeder Ausgabe seitenlange Tipps für Ausflüge in der Schweiz. «Destinationen und Leistungsanbieter aus allen Landesteilen machen zu absoluten Sonderkonditionen mit», so Co-Chefredaktor Stefan Regez.
Sonderkonditionen stehen auch anderen Lobbys mit grossem Geldbeutel offen. Am 22. Mai publizierte die «Schweizer Illustrierte» einen redaktionellen Beitrag mit dem Titel «Sauwohl mit viel Freilauf» mit Fotos des Schweinezüchters Peter Anderhub. Der Bauer stellt seine «glücklichen Muttersäue und Ferkel» vor.
Am 31. Mai lächelt Anderhub den Lesern des «Sonntagsblicks» entgegen – die gleichen Fotos, der gleiche Text. Jetzt aber mit dem Vermerk «Publireportage», gleich wie im «Beobachter» vom 5. Juni. Die gleichen Artikel in drei Ringier-Medien – einmal als verschleierte Werbung für Suisse Garantie, ein andermal als redaktioneller Beitrag.
Diese Irreführung der Leser ist kein Zufall. Das machten die Zeitungen von CH-Media Ende Mai publik. Sie hatten Einblick in ein vertrauliches Dokument, das saldo ebenfalls vorliegt. Es skizziert die Zusammenarbeit der Bauernorganisation Agro Marketing Suisse/Suisse Garantie mit Ringier: «Die Aktion zielt darauf ab, die im Zuge der Coronakrise wieder gestiegene Bedeutung und Anerkennung einheimischer Lebensmittel zu unterstreichen.» Geplant sei «keine klassische Anzeigenkampagne», vielmehr setzte man auf «redaktionelle Beiträge und Publireportagen». Dafür stünden 300 000 Franken zur Verfügung. Agro Marketing finanziert sich zur Hälfte über Mitgliederbeiträge. Die andere Hälfte stammt von den Steuerzahlern.
«Die Konditionen sind sehr gut», steht weiter in den Unterlagen. Die Medien seien «aufgrund der prekären Inseratesituation zu jeglichen Konzessionen bereit». Und das ist erst der Anfang: «Wenn diese Aktion Erfolg hat, ist es möglich, das Projekt auszudehnen», schreibt die Bauernlobby. Das dürfte vor allem im Hinblick auf die Abstimmungen über die Volksinitiativen über sauberes Trinkwasser und ein Pestizidverbot der Fall sein. Der Bauernverband bekämpft die Begehren. Ringier Axel Springer wollte auf Anfrage von saldo nicht sagen, wie viel Geld Agro Marketing Suisse für die Artikel bezahlt.
Mit der Vermischung von redaktioneller Information und kommerzieller Kommunikation setzt sich der Verlag dem Vorwurf unlauterer Werbung aus. Denn gemäss der Lauterkeitskommission ist «die Koppelung von kommerzieller Kommunikation mit redaktionellen Beiträgen unzulässig». Werbung muss «als solche eindeutig erkennbar und vom übrigen Inhalt klar getrennt» sein.
Parlamentspräsident für Subventionierung der Medien
Für den Verlag gelohnt hat sich im Mai auch ein Interview mit Ständeratspräsident Hans Stöckli (SP). Er wird gefragt, ob der Staat die Medien unterstützen soll. Stöckli bejaht: «Wir brauchen eine stärkere Förderung des Journalismus, weil er wichtig ist für unsere Demokratie.» Nächste Frage: «Wo sehen Sie da die ‹Schweizer Illustrierte›?» Stöckli: «Sie hat ohne Zweifel eine demokratiepolitische Bedeutung. Es bräuchte gute Gründe, sie nicht zu unterstützen.»
Auf Aufforderung des Parlaments sprach der Bundesrat am 20. Mai im Rahmen der Coronahilfspakete der kommerziellen Presse 37,5 Millionen Franken zu – à fonds perdu. Davon profitiert auch die «Schweizer Illustrierte» von Ringier Axel Springer. Der Verlag machte in den vergangenen fünf Jahren jeweils 80 bis 119 Millionen Franken Gewinn.