Schweizer Bauern verspritzen mehr Pestizide als ihre Kollegen in Deutschland, Frankreich und Österreich (saldo 17/2011). Nun entschädigt der Bund die Wein- und Zuckerrübenbauern dafür, dass sie weniger Pestizide einsetzen. Das kostet rund 3 Millionen Franken pro Jahr.
Konkret: Jeder Landwirt, der ab 2018 weniger Herbizide auf seine Reben oder Zuckerrüben versprüht oder auf gewisse Fungizide verzichtet, bekommt bis 1000 Franken pro Hektar. Ein weiterer Bonus winkt den Reb- und Rübenbauern, wenn sie auf 15 Prozent der Fläche weniger spritzen. Bis 2020 müssen sie das auf 25 Prozent der Fläche schaffen, ab 2021 auf 30 Prozent. Die Verordnung des Bundes ist derzeit in Vernehmlassung.
Das Beispiel der hohlen Hand macht Schule: Nun fordert der Schweizer Obstverband Entschädigungen für Obstbauern, die auf Unkrautbekämpfungsmittel verzichten. Das geht aus der vertraulichen Stellungnahme des Verbandes zum «Agrarpaket 2017» hervor. Das Papier liegt saldo vor.
Jährlich 2200 Tonnen Pestizide
Klar ist: Es ist nötig, Trauben, Obst und Zuckerrüben mit weniger Pestiziden anzubauen. Ein grosser Anteil der jährlich in der Schweiz verkauften 2200 Tonnen Pestizidwirkstoffe entfällt laut Agrarbericht auf diese Kulturen: Schweizer Bauern behandeln ihre Reben mit rund 333 Tonnen Fungiziden, zirka 17 Tonnen Herbiziden und etwa 13 Tonnen Insektiziden. Beim Kernobst kommen 110 Tonnen Fungizidwirkstoffe pro Jahr zum Einsatz, bei Zuckerrüben 100 Tonnen Herbizidwirkstoffe.
Marcel Liner von Pro Natura kritisiert, «dass der Bund etwas mit Steuergeldern finanziert, was Wein- und Zuckerrübenbauern längst praktizieren müssten». Jeder Bauer, der Bundesgeld erhält, muss den «ökologischen Leistungsnachweis» erfüllen. Er sieht vor, Pestizide nur einzusetzen, nachdem andere Anbauverfahren erfolglos blieben. Das Bundesamt sagt, die neuen Anforderungen gingen weiter als die bisherigen Auflagen.
Andreas Häseli vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick AG stösst sich daran, dass Biobauern bei der Förderung leer ausgehen: «Sie haben die Anbaumethoden ohne chemische Pestizide entwickelt. Die neuen Beiträge gehen nur an konventionelle Landwirte.» Dadurch verringere sich die Differenz zwischen den staatlichen Beiträgen für Bio- und konventionelle Produzenten. Abhilfe könnte laut Häseli eine Prämie für jene schaffen, die auf Bio umsteigen und ganz auf Pestizide verzichten. Eva Wyss vom Bundesamt für Landwirtschaft lehnt das ab: Der Bund dürfe Bio-Produkte nicht «zu stark» fördern, weil dies das Marktgefüge stören könnte.