Ein einziger Fahrer kann an einem späten Sommerabend Hunderte von Menschen aus dem Schlaf reissen, wenn er durch ein dichtbesiedeltes Gebiet dröhnt», schrieb die Zürcher Kantonsrätin Silvia Rigoni (Grüne) vergangenes Jahr in einer Anfrage an die Kantonsregierung. Sie forderte vom Kanton, gegen den dröhnenden Motorenlärm Lärmblitzer anzuschaffen. Solche Geräte messen den Lärmpegel von vorbeifahrenden Autos und registrieren diese, wenn sie zu laut sind.
Laut Rigoni überschreitet der Motorenlärm die Grenzwerte bei Weitem. Häufig sei er auf eine absichtlich unsachgemässe Handhabung einer speziellen Vorrichtung am Auspuff zurückzuführen. Dabei spricht sie von Autos, die ab Werk über eine Auspuffanlage mit einer Klappe verfügen. Diese lässt sich per Knopfdruck öffnen und schliessen. Der «Blick» umschrieb diesen Effekt beim Jaguar XKR-S Convertible so: «Startet man den Sportmodus, donnert und grollt es aus dem Klappenauspuff, als gäbe es kein Morgen.»
Dass solche Autos herumfahren dürfen, ist auf die Zulassungsrichtlinien der EU zurückzuführen, die auch in der Schweiz gelten. Die EU erlaubt, dass leistungsstarke Personenwagen lauter sein dürfen als normale Autos. In der Schweiz fahren überdurchschnittlich viele solcher Autos herum. «Das fällt besonders abends und an den Wochenenden in den Städten auf», sagt Peter Ettler, Präsident der Lärmliga Schweiz. Sein Verband habe in den vergangenen Jahren eine starke Zunahme von Lärmbeschwerden registriert.
Strassenverkehrsgesetz erlaubt keinen unnötigen Lärm
Trotzdem lehnte Anfang vergangene Woche die Mehrheit des Zürcher Kantonsrats, bestehend aus Mitgliedern der SVP, FDP, CVP und der Alternativen Liste, den Antrag der Grünen auf häufigere Lärmkontrollen ab. Das war ganz im Sinne des kantonalen Sicherheitsdirektors Mario Fehr (SP). Er erachtet eine Erhöhung der Kontrollen als unnötig. Die Kantonspolizei ziehe schon heute überlaute Autos aus dem Verkehr. So habe es im Jahr 2019 im Kanton Zürich insgesamt 129 Verzeigungen gegeben wegen der Erzeugung übermässigen Lärms.
Die Luzerner Polizei, die für den Kanton und die Stadt Luzern zuständig ist, hat vergangenes Jahr nach eigenen Angaben über 90 Anzeigen erstattet. Gebüsst wurden Autofahrer, die den Motor aufheulen liessen oder mit quietschenden Reifen anfuhren. Zur Anwendung kam Artikel 42 des Strassenverkehrsgesetzes, welche alle Lenker verpflichtet, keinen unnötigen Lärm zu erzeugen.
«Untätigkeit der Polizei ist ein Rechtsbruch»
Die Kantonspolizei Zürich schreibt, den Polizisten seien bei legalen Klappenauspuffen «die Hände gebunden». Dabei heisst es in Artikel 54 des Strassenverkehrsgesetzes: «Stellt die Polizei Fahrzeuge im Verkehr fest, die vermeidbaren Lärm erzeugen, so verhindert sie die Weiterfahrt.» Und: «Sie kann den Fahrzeugausweis abnehmen und nötigenfalls das Fahrzeug sicherstellen.» Diese Bestimmungen gelten allgemein – auch für Autos mit legalen Auspuffanlagen.
Lärmliga-Präsident und Rechtsanwalt Peter Ettler versteht die Zurückhaltung der Polizei gegenüber Lärmkontrollen nicht. Wie andere von saldo angefragte Rechtsexperten ist für ihn klar, dass das heutige Strassenverkehrsgesetz bereits genügt, um Lärmverursacher zu büssen. «Es setzt nur voraus, dass Polizisten die fehlbaren Lenker anzeigen.» Ob eine Auspuffanlage zugelassen sei, spiele keine Rolle. Sondern nur, ob vermeidbarer Lärm verursacht werde. Ettler sagt: «Untätigkeit in dieser Sache ist eine Rechtsbeugung, ja ein Rechtsbruch.»
Dass es auch anders geht, zeigt die Stadt Winterthur. Auch der zweitgrösste Ort des Kantons Zürich leidet stark unter den lauten Autos. «Wenn jemand unnötigen Lärm verursacht, dann wird das geahndet – auch wenn die Auspuffanlage zugelassen ist», sagt die Winterthurer Stadtpolizei klar.