Der VW-Konzern hatte bei Dieselfahrzeugen die Ausstoss-Messung von Stickoxid manipuliert. Deshalb musste der deutsche Autohersteller die betroffenen Fahrzeuge nachrüsten. VW-Besitzer, die sich damit nicht abspeisen lassen wollten, forderten Schadenersatz.
In Deutschland haben Konsumentenorganisationen die Möglichkeit, stellvertretend für die geprellten Käufer eines VWs beim Gericht eine Sammelklage einzureichen. Grosser Vorteil für die betrogenen Kunden: Das ist für sie kostenlos. Die Verbraucherzentrale hat auf diese Weise für 260 000 Betroffene Schadenersatz herausgeholt. Der Verband hatte die Klage gegen Volkswagen am 1. November 2018 beim Oberlandesgericht Braunschweig eingereicht. Nach längeren Verhandlungen kam es zu einem Vergleich. Dieser gilt aber nur für Käufer, die beim Kauf vor Ende 2015 in Deutschland wohnten.
Entschädigungen von 1350 bis 6257 Euro
Konkret: Käufer eines Fahrzeugs mit dem Motor EA189 sollen bis Mitte 2020 durchschnittlich rund 15 Prozent des Kaufpreises als Entschädigung erhalten. Das entspricht Beträgen zwischen 1350 und 6257 Euro pro Wagen – insgesamt rund 830 Millionen Euro. Die Höhe hängt vom Fahrzeugtyp und Modelljahr ab.
Für die Schweizer VW-Kunden gilt die Einigung nicht. VW-Sprecher Christopher Hauss sagte saldo, «dass unseren Kunden kein Schaden entstanden ist». In der Schweiz habe anders als in Deutschland noch kein Gericht eine Schadenersatzklage gegen VW gutgeheissen.
Was er nicht sagte: Auch in der Schweiz klagten Kunden gegen VW-Importeurin Amag oder die Garage, die ihnen Autos mit Schummelsoftware verkauft hatten.saldo weiss, dass mehrere Schweizer nach gerichtlichen Klagen aufgrund eines Vergleichs Geld bekamen. Hauss wollte sich dazu nicht äussern.
Sammelklagen gibts im schweizerischen Recht nicht. Sind viele Kunden geprellt worden, muss nach heutigem Recht jede Person einzeln ihre Ansprüche vor Gericht einklagen. Das ist teuer und riskant. Deshalb verzichten viele Geschädigte auf ein Gerichtsverfahren.
Das wollte der Bundesrat ändern und die Zivilprozessordnung entsprechend anpassen. Sein Vorentwurf sah ein sogenanntes Gruppenvergleichsverfahren vor. Dieses hätte es den Unternehmen ermöglicht, einen Streit gleichzeitig mit allen Geschädigten zu erledigen.
Unternehmen wollen keine Sammelklagen
Nach der Vernehmlassung hat der Bundesrat aber die Neuerung aus dem Revisionsentwurf gekippt. Grund: Wirtschaftsverbände und Unternehmen lehnten den Gruppenvergleich ab.
Economiesuisse behauptete, der Wirtschaftsstandort Schweiz sei gefährdet. Der Versicherungsverband befürchtete, «dass nach amerikanischem Modell mit fragwürdigen Motiven nach Betroffenen gesucht und unnötige Verfahren provoziert würden». Von den Unternehmen lehnten etwa Swisscom und UBS den kollektiven Rechtsschutz ab. Von den politischen Parteien waren FDP und SVP dagegen.
Hier können sich geprellte VW-Käufer melden
Die Bundesanwaltschaft führt ein Strafverfahren gegen Volkswagen AG und Amag Import AG. Begründung: gewerbsmässiger Betrug durch Installation einer Software, die bei Tests falsche Abgaswerte angab. Betroffene Autokäufer können sich im Verfahren als Privatkläger anmelden, am besten mit einem eingeschrieben Brief an:
Bundesanwaltschaft
Vermerk «VW»
Werdstrasse 138+140
8036 Zürich
Geben Sie Namen und Adresse sowie Fahrzeug (Modell, Jahrgang) an. Legen Sie eine Kopie des Fahrzeugausweises bei. Geben Sie zudem an, wie viel Schadenersatz Sie fordern. 15 Prozent des Kaufpreises sind realistisch. Sollten VW oder Amag verurteilt werden, kann man den Schadenersatz auch noch später mit Klage am Zivilgericht geltend machen. Die Forderung verjährt bei einer absichtlichen Täuschung durch den Käufer erst nach zehn Jahren. Das ist im Gegensatz zum Verfahren der Bundesanwaltschaft aber mit Kostenrisiken verbunden.